Razzien gegen Brigade N’Hamedu in Deutschland

Zitate in: Eritreas Konflikte werden in Deutschland ausgetragen, Deutsche Welle, 31.3.2025

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Hier kommen die Eritrea-Festivals in westlichen Ländern ins Spiel. Offiziell sind sie Kulturveranstaltungen. Organisiert werden sie von der eritreischen Regierung und ihr nahestehende Exilgruppen in Deutschland. In Gießen etwa steht der regierungsnahe Zentralrat der Eritreer in Deutschland e.V. dahinter.

Ihr Charakter hat sich im Laufe der Zeit sehr gewandelt, schreibt der Eritrea-Experte Gerrit Kurtz von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik der DW: “Früher waren sie eine Gelegenheit, an den Freiheitskampf zu erinnern. Die kulturell angelegten Festivals wurden zunehmend von Vertretern des Regimes übernommen, so dass dort jetzt häufig Offizielle der eritreischen Regierung oder ihnen nahestehenden Personen auftreten und Propaganda für das autoritäre Regime in Asmara verbreiten.”

Die deutschen Behörden sind hier in einem Dilemma, meint Gerrit Kurtz von der Stiftung Wissenschaft und Politik: “Deutschland sollte sich nicht auf die Seite der eritreischen Regierung stellen, die oft versucht, auf Mitglieder der Diaspora Druck auszuüben oder sie zu überwachen. Gleichzeitig kann Deutschland natürlich gewalttätige Aktionen, in die Brigade N’Hamedu und andere Diasporaorganisationen verwickelt sind, auf seinem Boden nicht tolerieren.”

Der Eritrea-Experte Gerrit Kurtz rät: “Deutschland sollte grundsätzlich die Seite der gewaltfreien Opposition in der Diaspora einnehmen und demokratisch orientierte Akteure fördern, auch wenn die Bundesregierung weiterhin bilaterale Beziehungen zu Asmara unterhalten sollte.” Da Deutschland derzeit keinen Botschafter in Eritrea habe, seien seine Einflussmöglichkeiten dort begrenzt. “Allerdings hat Eritrea durchaus Interesse, die Beziehungen mit Deutschland zu verbessern, was gewisse Einflussmöglichkeiten eröffnet. Das Vorgehen gegen die Brigade N’Hamedu in Deutschland wird die Stellung Deutschlands beim Regime in Asmara positiv beeinflussen, auch wenn das nicht das Ziel der – rechtsstaatlich mutmaßlich gebotenen – Razzien war.”

Droht ein Bürgerkrieg in Südsudan?

Im Südsudan sollten Staatschef Salva Kiir und sein Vize Riek Machar an der Spitze einer Übergangsregierung dem Land Stabilität bringen. Doch es brechen alte Rivalitäten auf. Afrikaspezialist Gerrit Kurtz ordnet die Gefahr für einen neuen Bürgerkrieg ein.

Interview im “Echo der Zeit”, SRF, 28.März 2025

Kommen Kriegsverbrechen in Tigray vor ein deutsches Gericht?

Zitate in einem Artikel der Deutschen Welle, 28.März 2025

Gerrit Kurtz, Äthiopien-Experte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin, dämpft die Erwartungen: “Es soll eine Aufarbeitung geben, aber es kommen ständig neue Verletzungen hinzu, weil es ja gerade insbesondere in Amhara und Oromia weitere aktive Konflikte gibt, wo weiterhin massive Menschenrechtsverletzungen passieren. Und die äthiopische Justiz ist da nicht ausreichend hinterher.”

Schon die Strafverfolgung einfacher Täter ist damit nicht gewährleistet. Doch bei Entscheidungsträgern – wie in der LAW-Strafanzeige – ist sie noch unwahrscheinlicher, räumt Kurtz im DW-Interview ein: “Am einfachsten ist es natürlich immer, wenn es einen klaren Cut gibt nach einem Krieg, und andere Menschen, andere Parteien an der Regierung sind, die nicht für den Krieg verantwortlich waren. Nur dann kann es im eigenen Land zu einer glaubwürdigen Aufarbeitung kommen – und selbst dann gibt es immer noch größere Probleme. Aber das ist ja überhaupt nicht der Fall in Äthiopien.” Weil das effektivste Rechtsmittel, nämlich inländische Strafverfolgung, demnach nicht zur Verfügung stehe, zeigt Kurtz Verständnis für die Entscheidung, das sogenannte Weltrechtsprinzip zu bemühen.

Dass Äthiopien oder Eritrea hingegen ihre eigenen Staatsbürger nach Deutschland ausliefern würden, gilt als ausgeschlossen. Aus Sicht von SWP-Wissenschaftler Kurtz ist aber hierbei wichtig, dass die Namen aus der Strafanzeige nicht veröffentlicht wurden. “Das heißt: Bestimmte Menschen, die in dieses Raster reinfallen könnten in Äthiopien und Eritrea, die hochrangige Funktionen in Militär oder Staatsapparat haben, können sich nicht ganz sicher sein, ob sie betroffen sind oder nicht”, sagt Kurtz. Wenn es zu Ermittlungen kommt, müssten diese Menschen also beim Reisen vorsichtiger sein

Die Rückeroberung des Präsidentenpalasts in Khartum

Im Podcast “Was jetzt” von DIE ZEIT ordne ich die Rückeroberung des Präsidentenpalasts in Khartum durch die Sudanesischen Streitkräfte (SAF) am 21.3.2025 ein.

Es ist ein großer Erfolg für das Militär. Das Regierungszentrum zurückzuerobern nach fast zwei Jahren Kontrolle durch die RSF hat einerseits symbolische Bedeutung, andererseits kann die bald anstehende Rückeroberung des gesamten Hauptstadtraums auch eine militärische Bedeutung für die weiteren Schritte der Armee haben.

Die Behörden in Port Sudan sollten diesen Sieg nutzen, jetzt auch mehr humanitäre Güter und Personal ins Land zu lassen.

Bild: SAF-Kämpfer vor dem Präsidentenpalast.

Äthiopien: „Der nationale Dialog trägt zurzeit wenig bei“

Interview bei Africa.Table, 15.Oktober 2024

Gerrit Kurtz von der Stiftung Wissenschaft und Politik sieht keinegute Perspektive für den nationalen Dialog in Äthiopien, der denVielvölkerstaat eigentlich zusammenbringen soll. Im Gespräch mitMerga Yonas spricht er über Konfl ikte sowie über die Ängste undSorgen der Bevölkerung.

Herr Kurtz, Sie haben vor kurzem einen Artikel über den nationalenDialog in Äthiopien veröffentlicht. Warum halten Sie es gerade jetztfür wichtig, den nationalen Dialog in Äthiopien zu thematisieren?
Der nationale Dialog ist ein zentrales Vorhaben der Regierung. DasNarrativ der Regierung ist, dass dieser ein wesentliches Instrumentist, um die grundsätzlichen Konfl ikte, die das Land seit Jahrhundertenbewegen, anzugehen. Die äthiopische Bevölkerung und auchäthiopische Oppositionsgruppen müssen einen Umgang mit demDialog fi nden. Auch Äthiopiens internationale Partner suchen nacheinem konstruktiven Umgang mit den Konfl ikten im Land, damitÄthiopien nicht nur innerlich stabiler wird, sondern damit auchwieder mehr in die regionale Sicherheit investieren kann. Dafür sollteeigentlich ein solcher Prozess wie der nationale Dialog eine wichtigeRolle spielen.


Sie haben in Ihrer Veröffentlichung erwähnt, dass das Ziel desnationalen Dialogs darin besteht, die Bevölkerung hinter Abiys Einheitskonzept zu versammeln. Wie realistisch wird das sein?

Das ist genau das Problem: Im Moment hat der nationale Dialog sehrgeringe Chancen, zur Einigung des Landes beizutragen. Niemand istgrundsätzlich gegen die Herstellung eines nationalen Konsenses. DasProblem ist, dass diese nationale Einigung unter der Hegemonie Abiysbeziehungsweise der Prosperity Party stattfi nden soll. Es gibt sehr vielMisstrauen bei der Bevölkerung, bei bewaffneten Gruppen undanderen Oppositionsgruppen gegenüber dem nationalen Dialog, weildas Parlament, das die Kommission eingesetzt hat, massiv von derProsperity Party dominiert wird. Solange die Dominanz des gesamtenStaatsapparats durch die Regierungspartei so stark ist, wird es immerein hohes Misstrauen geben. In der Theorie ist der Dialog ein gutesInstrument, in der aktuellen Praxis gibt es sehr viele Fragezeichen.


Wenn Dialog hilft, Frieden zu schaffen, warum arbeitet die Regierung dann dagegen?
Ich glaube, es gibt eine komplexe Motivlage. Klar, die schärfstenKritiker würden sicherlich sagen, die Regierung hat den nationalenDialog nur geschaffen, um internationale Geber oder auchinnerstaatliche Kritiker zu besänftigen. Das funktioniert offensichtlichnicht. Die Leute, die den nationalen Dialog durchführen, meinen esdurchaus ernst. Es ist aber auch so, dass ein solcher Dialog ungewohntist, in dem Sinne, dass er eine staatsferne öffentliche Sphärevoraussetzt, bei der auch das Regierungshandeln infrage gestelltwerden könnte. Daher kommt dann auch dieser Widerspruch.


Die Opposition befürchtet, dass die Regierung den Dialog nutzen könnte, um Verfassungsänderungen durchzusetzen. Wenn sich diese Befürchtungen bewahrheiten, was wird dann aus der Regierung Abiy und dem Schicksal der Menschen in diesem Land?

Die Befürchtung der Oppositionsparteien ist eben, dass es Verfassungsänderungen gibt, mit denen sie nicht einverstanden sind,beispielsweise könnten einige der großen Bundesstaaten verkleinert werden oder das Prinzip des Ethno-Föderalismus gestrichen werden.Oder dass statt eines parlamentarischen Systems ein Präsidialsystemeingeführt werden könnte. Aber es ist ja noch nicht klar, welcheÄnderungen überhaupt angestrebt werden. Das kann man jetzt auchnoch nicht konkret sagen. Das löst diese Sorgen aus. Ich kann erstmalnur über diese berichten, die wiederum Ausdruck des Misstrauens inTeilen der Bevölkerung sind.


Die Menschen befürchten, dass der Dialog als Instrument benutztwerden könnte, um Artikel 39 der Verfassung abzuschaffen, der ein uneingeschränktes Recht auf Selbstbestimmung, einschließlich des Rechts auf Sezession, verspricht. Haben die Menschen bei Ihren Recherchen solche Befürchtungen geäußert?
Das ist genau die Sorge, dass es eine weitere Zentralisierung geben könnte. Die Transformation der früheren Regierungskoalition derEPRDF zur jetzigen Regierungspartei der Prosperity Party wird da alsein entsprechendes Zeichen gesehen. Im Gegensatz zur EPRDF ist diePP stärker hierarchisch an der Führung des Premierministersorientiert. Gleichwohl hat die aktuelle Regierung ja auch dieAnwendung der weiteren Selbstbestimmung im Süden des Landeszugelassen, wo neue Bundesstaaten entstanden sind.


Warum unterstützen Deutschland und NGOs wie die Berghof-Stiftung weiterhin die Kommission, obwohl sie bereits wussten, dass die Kommission auf dem falschen Weg ist?

Die Unterstützung ist ja genau darauf ausgerichtet, die
Kommissionsmitglieder zu unterstützen, den Prozess effektiver und
glaubwürdiger zu machen. Das Ziel ist nicht, damit per se die
Regierung zu unterstützen. Man sieht das Potenzial des nationalen
Dialogs und nicht viele Alternativen, die einer konstruktiven
Friedensförderung zumindest dienen könnten. Ich glaube, dass die
Gefahr noch nicht so groß ist, solange die Kommission Konsultationen
durchführt. Der mögliche Schaden würde erst eintreten, wenn daraus
Empfehlungen kommen oder wenn die Regierung diesen nationalen
Dialog beispielsweise für Verfassungsänderungen nutzen sollte oder
für andere politische Entscheidungen. Aus der deutschen und
internationalen Unterstützung entsteht natürlich auch eine gewisse
Legitimierung für den Prozess. Deswegen ist es so wichtig, dass diese
Partner genau beobachten, um nicht für eine autoritäre
Konsolidierung eingespannt zu werden.


Ist ein Dialog in der jetzigen Form und in dem Verfahren der
Kommission möglich? Wenn nicht, was sind die Alternativen?

Die hohen Ambitionen, welche das äthiopische Parlament für den nationalen Dialog formuliert hat, werden sicher nicht eingelöst werden. Im besten Fall könnte dieser Prozess auch eher den Rahmen dafür schaffen, nationale Streifragen in Zukunft konstruktiv auszutragen. Danach sieht es im Moment aber überhaupt nicht aus. Die äthiopische Regierung riskiert damit, dass einige der Streitfragen auch weiterhin gewaltsam ausgetragen werden und sich die Fliehkräfte vergrößern könnten. Alternativen könnten zumindest Dialoge auf lokaler und bundesstaatlicher Ebene sein, um die dortigen Streitfragen systematisch anzugehen, auch wenn Fragen der nationalen Identität, verfassungsmäßigen Ordnung und des politischen Systems aufgrund des autoritären Kontexts nicht offen besprochen werden können.

Dr. Gerrit Kurtz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe Afrika und Mittlerer Osten der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Kurtz hat in Friedens- und Konfliktstudien am King’s College London promoviert. Vor kurzem hat er einen Artikel über die Herausforderungen des nationalen Dialogs in Äthiopien veröffentlicht.

Regionale Spannungen am Horn von Afrika, was ist da los?

“Sowohl für Äthiopien als auch für Ägypten und Somalia geht es auch um Einflussnahme, um eine Drohgebärde, um auf eine andere Art und Weise ihre Ziele zu erreichen.”

Interview mit Deutschlandfunk Kultur, Weltzeit, 10.Oktober 2024 (ab Minute 17:16)

«Humanitäre Hilfe für Sudan ist Tropfen auf heissen Stein»

Interview mit SRF Echo der Zeit, 29. August 2024.

SRF News: Wie geht es im Sudan weiter, nachdem in Genf kein Durchbruch möglich geworden ist?

Gerrit Kurtz: Die Amerikaner haben vermutlich die Erwartungen zu hoch gesteckt, als sie für die Gespräche in Genf einen Waffenstillstand als Ziel formuliert hatten. Als sie merkten, dass die sudanesische Armee im Gegensatz zu den paramilitärischen RSF-Milizen keine direkte Delegation schickt, konzentrierte man sich auf humanitäre Fragen. Der vereinbarte sichere Zugang für humanitäre Hilfe in Adré an der Grenze zwischen Tschad und Sudan im Westen ist ein kleiner Fortschritt. Man einigte sich zudem auch auf Hilfslieferungen von Port Sudan über den Norden und damit über die Frontlinie nach Darfur.

Über 700’000 Menschen stehen quasi vor dem Hungertod.

Wirkt sich der sichere Zugang für humanitäre Hilfe über Adré bereits aus?

Seit der Einigung konnten laut UNO 38 Lastwagen mit Hilfsgütern für rund 199’000 Menschen die Grenze passieren. Aber es ist natürlich viel zu wenig angesichts der Millionen, die auf Hilfe angewiesen sind. Über 700’000 Menschen stehen quasi vor dem Hungertod.

Wird die Menge an Hilfsgütern in den nächsten Tagen und Wochen steigen?

Das ist noch schwierig abschätzbar. Die Einigung muss halten. Bereits in den ersten Tagen ging die Grenze nach wenigen Lastwagen wieder zu. Erst seit einem Anruf von UNO-Generalsekretär António Guterres beim sudanesischen Machthaber und Armeeführer Abdelfatah Burhan rollen die Transporte wieder. Dazu kommen die saisonalen Überschwemmungen im Westen wie auch im Osten. Brücken stürzten ein, Strassen sind zum Teil unpassierbar. Hilfe nach Darfur wird in den nächsten Wochen nur erschwert möglich sein

Nach den Gesprächen wurde die Hoffnung geäussert, dass die erste humanitäre Hilfe der Anfang sei. War das berechtigt?

Der US-Sondergesandte Tom Perriello gab heute bekannt, dass es jetzt die erste Runde von virtuellen Gesprächen mit den Delegationen geben soll. Es soll also auch ohne formelle Gesprächsrunden weitergehen. Die internationale Gruppe, die in der Schweiz zusammengekommen ist, soll weiterbestehen und weiter auf hochrangiger Ebene Druck machen. Die stellvertretende UNO-Generalsekretärin Amina Mohammed ist heute in Port Sudan und morgen in Adré, um weitere Fortschritte zu versuchen.

Für mittel- und langfristige Fortschritte braucht es deutlich mehr. Doch dafür ist der Ansatz der USA und ihrer Partner nicht wirklich geeignet.

Haben die Gespräche in der Schweiz also immerhin Kommunikationskanäle geöffnet, um die Lage mittel- und langfristig zu verbessern?

Für mittel- und langfristige Fortschritte braucht es deutlich mehr. Doch dafür ist der Ansatz der USA und ihrer Partner meines Erachtens nicht wirklich geeignet. Denn selbst bei allfälligen Gesprächen über einen Waffenstillstand soll das nur mit den bewaffneten Akteuren geschehen, nicht aber direkt auch mit den zivilen. Die Erfahrungen mit Friedensprozessen gerade auch in Sudan zeigen, dass das nicht funktioniert. Dieser Ansatz müsste dann wohl doch noch geändert werden.

Das Gespräch führte Christina Scheidegger.