Bürgerkrieg im Sudan: Deutschland kann mehr tun, um eine der größten Krisen unserer Zeit abzumildern

In: Tagesspiegel, 15.4.2024

Der Krieg in Sudan gefährdet auch europäische Sicherheitsinteressen. Deutschland sollte bei der humanitären Geberkonferenz Mitte April die Arbeit von Freiwilligen ins Zentrum rücken.

Seit Beginn des Krieges am 15. April 2023 erreichen die Entwicklungen in Sudan immer neue traurige Rekorde: Es handelt sich bereits um die größte Vertreibungskrise der Welt. Doch Sudan könnte Ort der größten Hungerkrise werden.

Über 220.000 Kinder könnten in den nächsten Monaten an Unterernährung sterben. Und das Risiko für weitere Massenverbrechen steigt.

In Sudan kämpfen die regulären Streitkräfte (Sudanese Armed Forces, SAF) gegen die paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) um die Vorherrschaft im Staat. Die Armee arbeitet mit bewaffneten Gruppen aus Darfur, neu aufgestellten Freiwilligenverbänden und islamistischen Milizen zusammen. Die RSF haben ebenfalls massiv rekrutiert und kooperieren mit vorwiegend arabischen Milizen sowie abtrünnigen Armee-Angehörigen.

Der Krieg betrifft auch europäische Sicherheitsinteressen. Iran und Russland drängen die sudanesischen Behörden dazu, Militärbasen am Roten Meer einzurichten, einer der wichtigsten Versorgungsrouten zwischen Europa und Asien. Der US-Nachrichtendienstkoordinator warnte kürzlich davor, dass sich wie bereits Anfang der 1990er Jahre islamistische Terroristen und kriminelle Netzwerke in Sudan ausbreiten könnten. Der Krieg könnte sich darüber hinaus weiter destabilisierend auf Tschad und Südsudan auswirken. Menschen aus beiden Ländern verdingen sich bereits bei den Konfliktparteien.

Die internationale Aufmerksamkeit ist gering und wird dem Ausmaß dieser Eskalation nicht gerecht. Angesichts der Komplexität der Herausforderungen ist es auch leicht, sich frustriert, überfordert und gelähmt zu fühlen. Bisher sind alle Bemühungen für einen Waffenstillstand gescheitert.

Die Afrikanische Union, die Arabische Liga, die USA, Saudi-Arabien, Ägypten und IGAD, die Regionalorganisation am Horn von Afrika, kämpfen um ihre eigene Sichtbarkeit. Die Gespaltenheit und Schwerfälligkeit dieser Akteure erleichtert es den Konfliktparteien, deren Vermittlungsbemühungen gegeneinander auszuspielen.

Deutschland, Frankreich und die EU hoffen nun auf neuen Schwung durch eine humanitäre Geberkonferenz für Sudan, die sie am 15. April in Paris ausrichten. Das Hauptziel ist, mehr Mittel für die humanitäre Hilfe zu mobilisieren. Bisher ist der entsprechende Aufruf der Vereinten Nationen für 2024 zu weniger als sechs Prozent finanziert. Es werden noch knapp drei Milliarden US-Dollar benötigt.

Internationales Engagement sollte jedoch nicht bei humanitärer Hilfe stehen bleiben. Eine Gesamtstrategie für Frieden, die alle relevanten internationalen und sudanesischen Akteure berücksichtigt, ist nicht in Sicht. Zu tief sitzt das Misstrauen, zu stark ist das Geltungsbedürfnis der Konfliktparteien und ihrer Unterstützer.

Daher ist es richtig, dass die Bundesregierung keine eigene Vermittlungsinitiative starten will. Deutschland kann den Konflikt in Sudan nicht allein beenden oder die dysfunktionale Landschaft von Vermittlungsakteuren kurzfristig verändern, auch wenn Bemühungen um mehr Koordination wichtig sind. Deutschland kann allerdings dazu beitragen, Bedingungen zu schaffen, die eine Beendigung des Kriegs ermöglichen. Gleichzeitig kann es temporäre und lokal begrenzte Ansätze fördern, um die Auswirkungen der Gewalt zu lindern oder eine weitere Eskalation zu vermeiden. Deutschland sollte auch eine stärkere Führungsrolle in der EU einnehmen, wie es auch von unseren europäischen Nachbarn erwartet wird.

Die Unterstützung ziviler Akteure aus Sudan sollte an erster Stelle stehen. Die sudanesische Zivilgesellschaft ist breit und vielfältig. Internationale Akteure sollten das politische Engagement von Parteien, Frauenorganisationen, Gewerkschaften, Jugend- und Menschenrechtsorganisationen finanziell und mit internationaler Expertise unterstützen. Geber sollten sich nicht nur auf einen Ansprechpartner wie den ehemaligen Premierminister Abdalla Hamdok und die von ihm geführte Koalition „Tagadum“ beschränken. In Kampala, Nairobi, Kairo und Addis Abeba finden in dichter Folge Workshops, Seminare und Konferenzen statt, die helfen können, eine neue politische Ordnung in Sudan vorzubereiten.

Internationale Geber wie Deutschland sollten in der humanitären Hilfe stärker mit Freiwilligennetzwerken in Sudan zusammenarbeiten. Diese operieren auch in den umkämpften Gebieten, organisieren Gemeinschaftsküchen und medizinische Versorgung. Letztes Jahr erreichten sie damit mehr als vier Millionen Menschen, und das mit einem Bruchteil der Mittel, die internationalen Organisationen zur Verfügung stehen. Seit Beginn des Konflikts erhielten sie gerade einmal rund zwei Millionen US-Dollar. Geber sollten innovative Wege finden, diese informellen „Emergency Response Rooms“ zu unterstützen, beispielsweise über einen dafür bestimmten Fonds.  

Die Ministerinnen und Minister, die sich in Paris treffen, sollten auch Druck auf die Konfliktparteien selbst ausüben. Im Fokus sollten Maßnahmen stehen, welche der Zivilbevölkerung helfen, sich selbst zu schützen. Die sudanesischen Behörden sollten den Zugang zu Telekommunikationsdienstleistungen wiederherstellen – er wurde Anfang Februar weitgehend eingestellt. Die Konfliktparteien müssten dazu bewegt werden, Verbote und Repressionen gegen die freiwilligen humanitären Helfer zurückzufahren, alle Grenzübergänge für internationale Konvois zu öffnen und aufzuhören, Warenlager von Hilfsgütern zu plündern.

Der internationalen Druck sollte auch darauf abzielen, weitere Massaker zu verhindern. Derzeit ist das Risiko für weitere Massenverbrechen am größten in und um Al-Faschir. Die Stadt ist Hauptstadt des Bundesstaats Nord-Darfur und letzte Bastion der SAF im Westen Sudans. Internationale Vermittler dort könnten sudanesische Bemühungen unterstützen, um die Situation zu entspannen. In der Umgebung leben rund eine halbe Million Binnenvertriebene. Sollte die RSF die Stadt vollständig einnehmen, könnte es zu massiven ethnisch motivierten Angriffen zwischen den arabischen Mitgliedern der RSF und dortigen bewaffneten Gruppen und Einwohnern von Al-Faschir kommen, die hauptsächlich der Gruppe der Zaghawa angehören.

Schließlich sollten Deutschland, Frankreich und die EU sich um größeren Druck auf diejenigen externen Akteure bemühen, die den Krieg durch Waffen und Finanztransaktionen anheizen. Besonders die Vereinigten Arabischen Emirate auf der einen (RSF) sowie Iran und Ägypten auf deren anderen Seite (SAF) sind hier zu nennen. Deutschland hat allerdings auch allen Grund, eigenes Handeln zu hinterfragen: Der Bundessicherheitsrat darf nicht zustimmen, dass sechs Airbus-A400m-Transportflugzeuge an die VAE geliefert werden. Die Pläne dazu wurden letztes Jahr bekannt. Die VAE haben in den vergangenen Jahren auch in Libyen und Äthiopien maßgeblich mit Waffenlieferungen eingegriffen.

Ein schnelles Ende der Gewalt in Sudan ist leider nicht in Sicht. Umso mehr sollte sich Deutschland bemühen, alle Ansatzpunkte und Kanäle zu nutzen, um die Friedensbemühungen der sudanesischen Zivilgesellschaft zu stärken.

Machtbeziehungen in Sudan nach dem Fall Bashirs. Von der Revolution zum Krieg.

SWP-Studie 2024/S 10, 20.03.2024, doi:10.18449/2024S1

  • Seit April 2023 herrscht Krieg in Sudan. Er ist Ausdruck grundsätzlicher Veränderungen in den politischen Machtverhältnissen. Der vorher dominierende Sicherheitssektor ist tief gespalten und die ehemals schwach vernetzte Zivilgesellschaft hoch mobilisiert.
  • Einerseits ermöglichte die Konkurrenz innerhalb des Sicherheitssektors, eine zivil-militärische Übergangsregierung zu bilden. Andererseits erhöhte der weitere Aufstieg der Rapid Support Forces zur Macht das Risiko eines bewaffneten Konflikts, erst recht nach dem Putsch 2021.
  • Seit Bashirs Fall 2019 haben die Sicherheitskräfte zweimal vergeblich versucht, eine alleinige Militärherrschaft zu errichten. Gleichwohl scheiterte auch die zivil-militärische Übergangsregierung, weil das Militär nach wie vor über erhebliche Machtressourcen verfügte. Sudans politische Elite trug zu diesem Ausgang bei, indem sie sich zu wenig um den Aufbau rechtsstaatlicher Institutionen und zu viel um die eigene Sichtbarkeit kümmerte.
  • Internationale Akteure, die Sudans Übergangsprozess stärken wollten, hätten die Sicherheitskräfte entschiedener zurückdrängen können, statt sie reflexhaft einzubinden. Viele internationale und sudanesische Bemühungen krankten daran, dass sie entweder nur auf Einbindung oder nur auf Ausschluss der Sicherheitskräfte abstellten.
  • Ein neuer Elitendeal allein mit Sudans Gewaltunternehmern wird keinen Frieden bringen, solange keine zivilen Kräfte am Tisch sitzen. Sudans beste Chance liegt vielmehr im Sozialkapital des freiwilligen Engagements seiner Bürger:innen für humanitäre Versorgung, Demo­kratie und lokale Versöhnung.

Problemstellung und Empfehlungen

Der Ausbruch des Krieges zwischen den Sudanese Armed Forces (SAF) und den Rapid Support Forces (RSF) am 15. April 2023 hat Sudan in eine tiefe Krise gestürzt. Binnen kurzer Zeit wurden Millionen Menschen vertrieben, Infrastruktur und Wirtschaft zerstört, die Gesellschaft zunehmend polarisiert und militarisiert. Sudans Hauptstadt ist zum Schlachtfeld geworden, eine De-facto-Aufteilung des Territoriums unter den Kriegsparteien scheint möglich. In Darfur werden Massaker verübt und gezielte Gewalt gegen ethnische Gruppen eingesetzt.

Deutschland war einer der wichtigsten Unter­stützer der Transition in Sudan. Es investierte erheb­liches diplomatisches und finanzielles Kapital in deren Erfolg. Doch der Kriegsausbruch erwischte die Bundesregierung kalt, genau wie viele ihrer Partner. Sie evakuierte hunderte deutsche und andere aus­ländische Staatsbürger:innen. Seitdem sucht Deutsch­land vergeblich nach einem wirkungsvollen Umgang mit einem Krieg, der zur größten Vertreibungskrise weltweit geführt hat.

Dabei schienen die hohe Mobilisierung von Sudans gewaltfreier Protestbewegung und die verhandelte Übergangsverfassung 2019 vielversprechend zu sein. Grundsätzlich erhöhte die Mitwirkung von Teilen der (Sicherheits-)Elite des früheren Regimes die Chancen auf erfolgreiche Demokratisierung, auch wenn diese Machtteilung auf harsche Kritik aus der Zivilgesellschaft traf. Eine gut organisierte Zivilgesellschaft übte Druck auf die zivil-militärische Übergangsregierung aus, die Ziele der Transition auch tatsächlich umzu­setzen. Die zivilen Politiker:innen in der Übergangsregierung konnten in den Verhandlungen auf diesen Druck verweisen, sobald der Sicherheitsapparat Anstalten machte, die Transition zu blockieren.

Dennoch scheiterte der Übergangsprozess nach nur gut zwei Jahren mit dem Militärputsch vom Okto­ber 2021. Angesichts der vielen Putsche in Sudans Geschichte, zuletzt zum Sturz Bashirs, überraschte es nicht, dass die Militärs wieder die ganze Macht an sich rissen. Anders jedoch als bei früheren erzwungenen Beendigungen ziviler Regierungsführung in Sudan und bei Transitionsprozessen in der Nachbarschaft gelang es den Sicherheitskräften nicht, eine stabile Putschregierung zu bilden. Stattdessen ließen sie sich auf Verhandlungen über die Bildung einer zivilen Regierung ein, die im April 2023 kurz vor dem Abschluss standen. Ungewöhnlich war auch, dass der Krieg innerhalb des Sicherheitssektors ausbrach, zwischen zwei militärisch nahezu gleich starken, wenn auch in ihren Fähigkeiten komplementär auf­gestellten Sicherheitskräften. Der Krieg entsprang im Zentrum des repressiven Apparats, nicht in dessen Peripherie und auch nicht zwischen diesem und der Demokratiebewegung. Damit steht der Krieg zwischen SAF und RSF auch für grundsätzliche Ver­änderungen im politischen System Sudans.

In dieser Studie wird untersucht, wie die angedeuteten Verschiebungen politischer Macht zustande kamen und in einem Krieg gipfelten, der Sudans gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Inte­grität in Frage stellt. Der Schwerpunkt der Analyse liegt auf den Machtressourcen der wichtigsten Akteurs­gruppen und ihrem wechselseitigen Aushandlungsverhalten nach dem Sturz Bashirs im April 2019. Allerdings reichen die Wurzeln dieser Veränderungen in die Zeit vor Bashir zurück, als die sudanesische Regierung begann, die Bekämpfung von Aufständen bewaffneter Gruppen in der marginalisierten Peri­pherie an ethnische Milizen auszulagern. Zivile Oppo­sitionsgruppen wiederum üben sich schon seit rund einem Jahrzehnt in Techniken gewaltfreien Widerstands und organisieren sich auf Graswurzelebene. Mit der Entmachtung Bashirs und der Bildung einer Übergangsregierung im August 2019 kamen diese und weitere längerfristige Entwicklungen wie in einem Brennglas zusammen.

Die gewaltsame Eskalation der Spannungen zwischen SAF und RSF war das Ergebnis zweier gescheiterter Prozesse: des demokratischen Übergangsprozesses und des auf ihn folgenden Putsches. Im ersten gelang es den demokratischen politischen Akteuren nicht, ihren Zusammenhalt zu wahren und die Macht des Sicherheitssektors substantiell zu reduzieren. Die Übergangsregierung unter Premierminister Hamdok setzte auf eine vertiefte Partnerschaft mit den Sicher­heitskräften, konnte dabei aber weder deren Unter­stützung noch die der demokratischen Protestbewegung gewinnen. Anstatt das Terrain für zivile Politik institutionell zu sichern, verfolgten die politischen Parteien eine Nullsummenpolitik, sowohl untereinander als auch zunehmend gegenüber dem Militär. Auf der anderen Seite misslang es den Sicherheitskräften, ihre Herrschaft zu festigen, nachdem sie die zivilen Mitglieder aus der Regierung entfernt hatten. Deshalb erklärten sich die Sicherheitskräfte ab Sommer 2022 bereit, die Regierungsgewalt an eine zivile Regierung abzutreten. Immerhin gab es keine geeinte politische Kraft, die als Steigbügelhalter für eine Militärregierung dienen wollte. Das war der fortwährenden zivilgesellschaftlichen Mobilisierung und internationalem Druck zu verdanken. Zudem vertiefte der Putsch die Differenz zwischen SAF und RSF, die auf unterschiedliche politische Partner setzten, welche einander wiederum als Hauptgegner sahen: Die SAF stützten sich auf die islamistischen Loyalisten des Bashir-Regimes, während die RSF versuchten, durch Übernahme einer demokratischen Rhetorik wichtige politische Parteien für sich zu gewinnen (welche sich freilich um Unabhängigkeit bemühten).

Dass nach Äthiopien ein weiterer Übergangs­prozess in der Region in massiver Gewalt endete, gibt Anlass dazu, den vorherrschenden internationalen Ansatz zur Förderung solcher Transitionen zu über­denken. Die Verantwortung für den Krieg tragen die Konfliktparteien, aber Sudans internationale Unter­stützer und seine politische Elite hätten mehr tun können, die Bedingungen zu entschärfen, die diese Eskalation ermöglichten. Sie hätten stärkere Anreize für die Etablierung demokratischer Institutionen setzen und mehr Druck auf die Sicherheitskräfte ausüben können, damit diese ihre wirtschaftlichen und finanziellen Ressourcen, auch im Ausland, in den Dienst des Gemeinwohls stellen.

Um Übergangsprozesse wie in Sudan effektiver voranzubringen, sollte ein veränderter internatio­naler Ansatz angewandt werden, der auch Orientierung für Friedensgespräche bietet. Nichtinklusive Abkommen in Sudans Geschichte bildeten immer wieder den Nährboden für Gewalt. Ein erneutes Machtteilungsabkommen, das die Sicherheitskräfte in die Politik einbindet, würde ein hohes Risiko bergen, diese Gewaltgeschichte fortzuschreiben. Stattdessen sollten internationale Akteure so weit wie möglich die internationalen Finanz- und Unter­stützungsnetzwerke der Sicherheitskräfte eindämmen, zivilgesellschaftlichen Akteuren flexibler Rück­halt gewähren und in einem künftigen Übergangsprozess größeren Wert darauf legen, dass demokratie­fördernde Veränderungen auf nationaler und lokaler Ebene institutionell verankert werden. Im Zentrum einer möglichen Nachkriegsordnung Sudans sollte eine umfassende Sicherheitssektorreform stehen.

Ausgangslage

Am 11. April 2019 endete die Herrschaft von Omar al‑Bashir, als ihn seine eigenen Sicherheitskräfte ent­machteten.1 Seit dem 30. Juni 1989 hatte er, gestützt auf die National Congress Party (NCP) als Teil einer islamistischen Bewegung, an der Spitze eines autori­tären Staates gestanden. Am Ende scheiterte sein Herrschaftssystem an seinen eigenen Widersprüchen. Die Bedingungen, die zu Bashirs Fall und dem Ende der NCP-Regierung geführt hatten, wirkten nach und erschwerten es deren ehemaligen Kräften später, wieder die Macht zu übernehmen.2

Zusammenbruch und Hinterlassenschaft der NCP-Herrschaft

Das NCP-Regime konnte nie auf eine breite Basis in der Gesellschaft bauen, sondern musste sich durch andere Mechanismen stabilisieren. Dazu zählten gewaltsame Repression, der Kauf der Loyalität von Oppositionsparteien und Teilen der Bevölkerung sowie internationale Unterstützung. Seine relative Blüte bestand während des Ölbooms von 1999 bis zur Sezession Südsudans 2011. Mit der friedlichen Abspaltung des Südens im Juli 2011 verlor Sudan 70 Prozent seiner Staatseinnahmen, da die meisten Ölquellen im Süden liegen. Eine wachsende Gold­produktion konnte diesen Einbruch nicht wett­machen, den die Regierung eine Zeitlang mit der Monetarisierung des aus ihm resultierenden Budgetdefizits auszugleichen versuchte, also einer massiven Erhöhung der im Umlauf befindlichen Geldmenge durch die Zentralbank.3 Diese Strategie trieb jedoch die Preise in die Höhe – und die Menschen bereits vor 2018 auf die Straße.

Die Fähigkeiten des NCP-Regimes zur Repression schwanden, weil sowohl die islamistische Bewegung als auch die Sicherheitskräfte aus jeweils unterschiedlichen Gründen auseinanderbrachen. Unzufrieden mit der Abspaltung Südsudans und der mangelnden Konsolidierung der islamistischen Herrschaft, wand­ten sich führende Mitglieder von der Bewegung ab und gründeten eigene islamistische Parteien.4

Bashir entglitt die Kontrolle über den Sicherheitssektor. SAF-Angehörige stellten sich 2019 auf die Seite der Demonstranten, ebenso wie Kinder hoch­rangiger SAF-Generäle. So verbündeten sich die SAF, der Geheim­dienst und paramilitärische Kräfte gegen Bashir, um eine offene Auseinandersetzung zwischen Teilen der Sicherheitskräfte zu verhindern. Diese hätte ihre jeweiligen politischen und wirtschaftlichen Privilegien gefährdet. Nicht zuletzt ent­fremdete die gewaltsame Repression wichtige Teile der sudanesischen Wirtschaftselite, die ihre lang­fristigen Interessen durch drohende Instabilität gefähr­det sahen und ebenfalls Söhne und Töchter in der Demokratiebewegung hatten.5

Schließlich konnte sich Bashir nicht mehr auf internationale Unterstützung verlassen. Er versuchte zwischen den beiden damaligen Blöcken in der arabi­schen Welt um Katar einerseits sowie um die Ver­einigten Arabischen Emirate (VAE) und Saudi-Arabien andererseits zu balancieren, war am Ende aber zu abhängig von der finanziellen Unterstützung durch die letzteren beiden. VAE und Saudi-Arabien waren enttäuscht, weil Bashir sich in der Katarkrise am Golf ab 2017 neutral verhalten und nicht von den heimischen Islamisten in der Regierung getrennt hatte. So entschieden sie, die Zahlungen an Bashir einzustellen, da sie ihn als unzuverlässig einstuften.6

Auch ohne Bashir blieb das Patronagesystem der »Ermächtigung« (Tamkeen) bestehen, das er und seine Herrschaftselite geschaffen hatten. Das System hatte zur Folge, dass die Ministerien voller unqualifizierter Personen waren, während der Geheimdienst die eigentliche Regierungsmacht ausübte. Der Sicherheits­sektor kontrollierte einen großen Teil der Wirtschaft.7 Nach Jahrzehnten von US-Wirtschaftssanktionen lagen dessen Produktivkräfte weitgehend brach. Jahr­zehntelang hatte der Staat mit Hilfe von Milizen und Sicherheitskräften die Peripherien und ländliche Gebiete ausgepresst. Per Gesetz wurden Frauen diskriminiert und in ihrer persönlichen Bewe­gungs- und Handlungsfreiheit eingeschränkt. Obwohl Sudan sich um Annäherung sowohl an Golfstaaten als auch in jüngerer Zeit an westliche Staaten bemühte, verfügte das Land kaum über belastbare außenpoli­tische Partnerschaften.

Die Transition als Chance für den Beginn einer Transformation

Mit Bashirs Sturz ging auch eine Gelegenheit für tiefe­ren Wandel des militarisierten politischen Systems einher, das er entscheidend geprägt hatte. Forschungen zu Regimewandeln zeigen, dass gewaltfreie Bewegungen größere Erfolgschancen haben als gewalt­tätige Aufstände.8 »Erfolg« meint hier allerdings den Moment des Umsturzes, nicht notwendigerweise dauerhafte Demokratisierung. Die Forschung zu demokratischen Transitionen betont seit langem, dass die Beteiligung von Kräften des früheren Regimes im Sinne eines verhandelten Übergangs (»pacted transition«) die besten Aussichten für einen fried­lichen Wechsel eines politischen Regimes bietet.9

Soll ein verhandelter Übergang erfolgreich sein, muss der innen- und außenpolitische Druck auf die Übergangsregierung hoch bleiben.

Solche »verhandelten Revolutionen« folgen oft dann, wenn auf die Person eines Herrschers aus­gerichtete Regierungssysteme zusammenbrechen. Weitere begünstigende Faktoren sind die Spaltung und teilweise die Unterstützung für den Wandel durch den Sicherheitsapparat, die Ablehnung von Gewalt durch die Reformkräfte, verbunden mit expliziter Unterstützung für Gewaltfreiheit, die Offenheit gegenüber liberalen internationalen Akteuren sowie eine eher schwache Staatlichkeit.10 Diesen Übergangsprozessen zugrunde liegen oft Aus­handlungen zwischen Refor­mern des alten Systems und moderaten Kräften der Opposition. Dabei kommt es darauf an, dass der innere und äußere Druck auf die Kräfte des früheren Regimes auch nach Beginn der Transition bestehen bleibt, damit diese sich einem weiteren Verlust ihrer Macht im Zuge der Stärkung von Rechtsstaat, Mitbestimmung und wirt­schaftlicher Öffnung fügen. Gewaltfreie Transitionen führen dann eher zu Demokratie, wenn sie Protestbewegungen auch nach dem Wechsel einbinden bzw. jene die Betei­ligung aktiv einfordern und wenn die zivile politische Elite gemäßigte Ziele verfolgt und kompromissbereit ist.11

Im Falle Sudans war es das Zusammenwirken von vier Faktoren, welche eine verhandelte Transition begünstigten.12 Da war erstens die andauernde Mobi­lisierung einer breiten gesellschaftlichen Bewegung im ganzen Land, vor allem getragen von jungen Menschen. Die ersten Proteste tauchten im Dezember 2018 in der Peripherie auf, nämlich in Atbara im Norden und Ed-Damazin im Süden, bevor sie Khar­tum erreichten. Dabei war diese Bewegung resilient selbst gegenüber heftiger Repression. Ein Wendepunkt war der »Millionenmarsch« am 30. Juni 2019, bei dem trotz Internet- und Telefonsperren Hunderttausende auf die Straße gingen, nachdem die Sicher­heitskräfte am 3. Juni das zentrale Protestcamp vor dem Militärhauptquartier in Khartum gewaltsam aufgelöst hatten. Die Sicherheitskräfte hätten diese Bewegung nur mit dauerhafter und skrupelloser bewaffneter Gewalt unterdrücken können.

Diese Option stand ihnen wegen ihrer Spaltung – dies war der zweite entscheidende Faktor – nicht offen. Es blieb attraktiv für Teile der Sicherheitskräfte, sich als die wahren Vertreter der Revolution darzustellen und um die Gunst der Bevölkerung zu buhlen. Massive Gewaltanwendung gegen die Zivilbevölkerung hätte diesen Graben zwischen den Sicherheitskräften vertieft und das Risiko einer bewaffneten Auseinandersetzung im Sicherheitssektor erhöht, da sich möglicherweise eine Kraft, wenn auch nur rhe­torisch, auf die Seite der Zivilgesellschaft geschlagen hätte.

Drittens waren die Gegner des Sicherheitssektors zumindest Anfang 2019 noch gut organisiert. Mit der Erklärung für Freiheit und Wandel vom 1. Januar 2019 bildete sich eine gemeinsame zivile Front, die politische Parteien, Gewerkschaften, Graswurzel­bewegungen und bewaffnete Gruppen einschloss – die Forces of Freedom and Change (FFC). In Gestalt der Sudanese Professionals Association (SPA) gab es eine Organisation, die als Transmissionsriemen innerhalb der FFC zwischen der alten Garde der politischen Parteien13 und den jungen Aktivistinnen und Aktivi­sten der Straße agieren konnte. SPA und FFC konnten im Namen der Demokratiebewegung verhandeln, woraus die Übergangsverfassung vom 17. August 2019 entstand.

Schließlich waren die regionalen und internatio­nalen Akteure, die Einfluss in Sudan hatten, zu Anfang des Übergangsprozesses relativ geschlossen. Hatten arabische Mächte noch das Militär mit einer großzügigen Finanzspritze von drei Milliarden US-Dollar kurz nach dem Fall Bashirs bedacht,14 setzten sie sich nach dem Massaker vom 3. Juni 2019 für Verhandlungen zwischen Demokratiebewegung und Militär ein, weil sie massive Instabilität in Sudan fürchteten. Die USA, die Europäische Union (EU), die Afrikanische Union (AU) und die Vereinten Nationen (UN) unterstützten den demokratischen Übergangsprozess ebenfalls, nicht zuletzt weil seine tragenden Akteure in der zivilen politischen Szene Sudans im weiteren Sinne liberal waren. Sie richteten sich ausdrücklich gegen die gesellschaftliche Unter­drückung durch das islamistische Bashir-Regime mit seiner Kleiderordnung für Frauen, rückwärts­gewandten Scharia-Gesetzgebung und Sittenpolizei.

Machtressourcen und Herausforderungen der zentralen Akteure

Jeder Übergangsprozess ist, vereinfacht gesagt, von einem Tauziehen zwischen Kräften des (fortschritt­lichen) Wandels und Beharrungskräften des ancien régime gekennzeichnet. Tatsächlich ziehen die wich­tigsten Akteure einer Tran­sition sogar oft in mehr als zwei Richtungen, so auch in Sudan. Dabei bringen alle Akteure unterschiedliche Machtressourcen zur Geltung, über die sie auf­grund ihrer Organisation und Ausrichtung verfügen. Solche Ressourcen betref­fen vier grundsätzliche Felder politischer Ausein­andersetzung in jedem Staatswesen: Sicher­heit, Wirt­schaft, Legitimität sowie internationale Beziehungen. Die Verteilung dieser Machtressourcen bildet den strukturellen Rahmen, in dem der politische Wett­bewerb eines Übergangsprozesses stattfindet. Für die Handlungsmacht der politischen Akteure spielen dazu Faktoren wie ihre Fachexpertise, ihre Erfahrung und ihre organisatorischen Fähig­keiten im Verhältnis zu den anderen Akteuren eine Rolle, sowie ihre Bereitschaft, Koalitionen einzugehen und Kompromisse zu schließen.15

Konstitutiv für einen Übergangsprozess nach Jahr­zehnten autoritärer Herrschaft ist der Wandel der Machtverhältnisse. Im Gegensatz zu stabilen autori­tären oder demokratischen Regimen besteht erheb­liche Unsicherheit darüber, welche »Spielregeln« im politischen Raum noch gelten, und daher auch, wer welche Ressourcen wie einsetzen kann.16 Der Sturz Bashirs und die Unfähigkeit des Militärs, angesichts fortwährender Proteste allein zu regieren, wirbelten die politischen Beziehungen in Sudan durcheinander.

Im Wettbewerb dieser Kräfte ist entscheidend, »wer schneller lernen kann und diese Lernerfolge erfolgreicher einsetzen kann«.17 Die handelnden Akteure interpretieren jede Maßnahme oder politische Aus­sage als eine Runde in einem Spiel, das die Macht der ein­zelnen Spieler definiert. Dieses Spiel bedeutet, dass die jeweiligen Akteure stets versuchen, ihren Hand­lungsspielraum zu erweitern, dabei aber nie genau wissen, wie weit sie gehen können, ohne dass es zu einer Zerreißprobe kommt. Zwar bietet die Fluidität eines Übergangsprozess die Chance für tiefgreifendere Veränderungen am politischen System als sonst. Aber ein zu schneller Wandel macht auch einen Rückfall in den Autoritarismus wahrscheinlicher, weil die demokratischen Kräfte noch nicht abgesichert und ihre Vorstellungen noch nicht ausreichend institutio­nell verankert sind. Zu vorsichtiger oder zu lang­samer Wandel beinhaltet gleichwohl das Risiko, dass dieselben oder neue Eliten die auf Ausbeutung gerich­teten Institutionen des Staates für sich nutzen (»state capture«)18 oder erneute Protestwellen einer mobilisierten Zivilgesellschaft einen Umsturz herbeiführen. Eine Balance zwischen diesen beiden Kräften, die einen wirklich nachhaltigen Wandel hin zu einer

stabilen liberalen Demokratie ermöglicht, erreichen auf Anhieb nur sehr wenige Übergangsprozesse.19

Zentral für den Ausgang von Übergangsprozessen sind daher sowohl die Machtressourcen als auch die Dynamik, die aus dem Lern- und Anpassungs­verhalten und den Strategien der wichtigsten Akteure entsteht. Nach dem Fall Bashirs waren dies vor allem die politischen Parteien, die Demokratiebewegung in der Zivilgesellschaft, die Sicherheitskräfte und die bewaffneten Gruppen. Im Hintergrund wirkten darüber hinaus wirtschaftliche Eliten und Angehörige des früheren Regimes mit, deren Rolle im Einzelnen jedoch schwer zu durchschauen ist.

Vertrauensverlust gegenüber politischen Parteien

In einem Übergangsprozess von einem autokratischen zu einem demokratischen System kommt poli­tischen Parteien eine entscheidende Rolle zu. Mit ihrem Personal und ihrer Programmatik bilden sie eine Alternative zur bisherigen Regierungspartei sowie einen Transmissionsriemen zur sozialen Bewe­gung, welche den Übergangsprozess angestoßen hat. Gleichwohl sind sie selbst geschwächt von der auto­ritären Herrschaft. Ihnen mangelt es an Regierungs­erfahrung, sie verfügen nur über eingeschränkten Rückhalt in der Bevölkerung und sind möglicher­weise in einem Nullsummenverständnis von Politik gefangen, was Kooperation erschwert. Diese Probleme sind allesamt in Sudan sichtbar.

Die Nullsummenpolitik der politischen Parteien beförderte die Polarisierung des zivilen Sektors.

Sudan weist ein vielfältiges Spektrum politischer Parteien auf. Dazu gehören die beiden »traditionellen« Parteien und ihre Abspaltungen, die National Umma Party (NUP) und die Democratic Unionist Party (DUP). Beide sind aus Verbindungen islamischer Orden mit der aufstrebenden handeltreibenden Klasse entstanden, die bis in die britische Kolonialzeit zurückreichen.20 Daneben gab es früher die »modernen« Parteien an den jeweiligen Rändern des politi­schen Spektrums: die Sudanese Communist Party (SCP) und die National Islamic Front (NIF, später National Congress Party, NCP) mit ihren jeweiligen Ablegern. Die NCP wurde nach Präsident Bashirs Sturz verboten. Schließlich existiert eine Reihe kleinerer, aber durchaus einflussreicher Parteien, welche aus Universitätspolitik (wie die Sudanese Congress Party) oder panarabischen Verbindungen (Baath Party) entstanden sind.

Die Parteien leiden unter erheblichem Vertrauensverlust in der Bevölkerung und besonders im gewalt­freien Widerstand. Aktivist:innen werfen ihnen vor allem die wiederholte Kooperation mit dem Militär und Militärregierungen vor. Kooption gibt es seit langem. Alle Phasen ziviler Herrschaft wurden durch Putsche beendet, bei denen das Militär mit einzelnen politischen Parteien zusammenarbeitete: Die NUP (1958), die SCP (1969) und die NIF (1989) sahen es jeweils als opportun an, sich mit dem Militär gegen ihre innenpolitischen Gegner zu verbünden.21 Die Nullsummenmentalität vieler politischer Führer beförderte die Polarisierung und führte dazu, dass sie sich vor allem um ihr politisches Überleben kümmerten und Eliten sich »wie Diktaturen« verhielten, wenn sie an die Regierung kamen.22 Außerdem entstammt das politische Führungspersonal einer dünnen sozia­len Schicht, die weniger unter den Folgen ihrer Fehler leiden musste als die Gesamtbevölkerung.23

Eine besondere Schwierigkeit für die Zusammenarbeit der politischen Parteien untereinander wäh­rend der Übergangsregierung 2019–2021 lag darin, dass völlig unklar war, wie viel Rückhalt die einzelnen Parteien in der Bevölkerung hatten. Meinungsumfragen gab es nicht. Bevölkerungs- und Wirtschaftsdaten waren überwiegend veraltet oder lücken­haft. Die letzten demokratischen Wahlen hatten 1986 stattgefunden,24 als die Mehrheit der Bevölkerung von heute noch gar nicht geboren war. Damals hatte die NUP die meisten Stimmen erhalten. Unter der NIF/NCP-Herrschaft galt die NUP auch als wichtig­ste Oppositionspartei. Bereits in den Oppositions­koalitionen gegen Bashir war die NUP daher unzufrie­den, wenn sie auf einer Stufe mit kleinen Kader-parteien wie der Baath-Partei in den jeweiligen Ent­scheidungsgremien vertreten war, »die es nie in ein gewähltes Parlament geschafft hatten«.25

Führende Vertreter der politischen Parteien sprachen offen über ihre strukturellen Schwächen, ihre mangelnde Erfahrung und unzulängliche politische Ausbildung. »Wir waren nicht vorbereitet, als Bashir gestürzt wurde. Wir hatten den Wandel nicht so schnell erwartet«, sagte ein NUP-Vertreter.26 Ein Mit­glied des Politbüros der Sudanese Congress Party meinte, politische Parteien seien zwar nicht reif, aber sie würden auch nicht reifer, wenn sie nicht Teil der Regierung seien.27

Dennoch brachten die politischen Parteien Macht­ressourcen ein, über die andere Akteure in dieser Form (bis dato) nicht verfügten. Die jeweiligen Partei­führungen waren Ansprechpartner für nationale und internationale Konsultationen. Auch verfügten die Parteien über ein gewisses Maß an politischer Organisation, die es ihnen ermöglichte, an Wahlen und Verhandlungen teilzunehmen. Schließlich besaßen sie politisch-taktische Expertise, die sie in Verhandlungen mit anderen Stakeholdern, besonders dem Militär, einbrachten.

Gewaltfreier Widerstand

Sudan besitzt eine lange Tradition gewaltfreier Pro­teste. 1964, 1985 und 2019 mündeten gewaltfreie Protestbewegungen in den Sturz von Militärregierungen. Die Organisationen des zivilen Widerstands entwickelten sich in einem Kontext extremer autori­tärer Repression unter dem NCP-Regime. Dieses verbot Gewerkschaften und Berufsverbände, welche zusammen mit Universitäten führende Rollen bei den früheren Aufständen gespielt hatten, und etab­lierte regimetreue Gewerkschaften. Der Geheimdienst (National Intelligence and Security Service, NISS) knüpfte ein dichtes Überwachungsnetz, das es demo­kratisch orientierten Akteuren erschwerte, sich effek­tiv zu organisieren. Fragmentierung und Kooption bildeten daher beträchtliche Herausforderungen für zivile Akteure. So erhoben sich zwar immer wieder Proteste gegen das NCP-Regime, beispielsweise inspi­riert von den Erfolgen in Ägypten und Tunesien 2011 oder aufgrund steigender Preise 2013, aber es fehlte an der Organisation, »welche in der Lage war, die Proteste anzuführen und ihnen eine Richtung zu geben«.28 Angesichts von bewaffneter Gewalt, Verhaf­tungen und Infiltrationsversuchen galt es, resilient zu sein.

Anfangs spielte die SPA eine wichtige Vermittlerrolle zwischen Protestbewegung und Parteien.

Das Verhältnis zwischen der Demokratiebewegung, in Sudan oft schlicht als »die Straße« bekannt, und der politischen Elite ist ausschlaggebend für die Erfolgs­aussichten zivilen Widerstands.29 Eine zentrale Rolle nahm dabei die Sudanese Professionals Asso­ciation (SPA) ein, ein Zusammenschluss inoffizieller Gewerkschaften und Berufsverbände, gegründet im Juli 2018. Als sich im Dezember 2018 landesweit Wut gegen die NCP-Regierung wegen der Erhöhung von Brotpreisen breit machte, sprang die SPA darauf an. Sie stellte das gesuchte Bindeglied zwischen den protestierenden Massen und den existierenden, elitär ausgerichteten Parteien her.

Eine Lehre aus früheren Protesten sowie den Erfah­rungen des arabischen Frühlings bestand darin, eine möglichst breite Koalition aufzustellen.30 Diese würde, so hoffte man, es den Behörden erschweren, den Protest zu brechen. Daher verfasste die SPA eine Grundsatzerklärung, der sich alle relevanten oppo­sitionellen Kräfte im Land anschlossen. Ausdrück­liches Ziel dieser Erklärung für Freiheit und Wandel war es, »politische Rückendeckung« für die Protestierenden zu schaffen.31

Die breite Mobilisierung ist vor allem ein Erfolg dezentraler, informeller Zusammenschlüsse, der lokalen Widerstandskomitees (Local Resistance Com­mittees). Deren Anfänge liegen etwa um 2013. Beson­dere Verbreitung fanden sie im Zuge der Proteste seit Dezember 2018, weswegen einige sie auch als »Hauptinnovation der Dezemberrevolution« bezeichnen.32 Vor allem junge Menschen finden sich in den lokalen Widerstandskomitees wieder. Jugend­aktivist:innen profitierten von jahrelangem Training in gewaltfreien Taktiken, Organisation, Genderfragen und Führungsqualitäten nach den Protesten von 2013. Deren Taktiken machten es den umfangreichen Überwachungsnetzwerken des Regimes schwer, diese Gruppen zu infiltrieren.33

Gerade bei jungen Menschen, die in einem Klima gesellschaftlicher und politischer Repression und wirtschaftlichen Niedergangs groß geworden waren, erzeugte die Zusammenarbeit in den Widerstandskomitees ein enormes Gefühl der Selbstermächtigung angesichts patriarchaler Machtstrukturen.34 Dieses ermöglichte es der revolutionären Bewegung, Mobili­sierung trotz massiver Gewalt und eigener Not auf­rechtzuerhalten. Freiwillige engagierten sich auch in der Basisversorgung, beispielsweise im Rahmen von »Emergency Response Rooms« nach Ausbruch des Kriegs, die sich um die humanitäre Versorgung der lokalen Bevölkerung beispielsweise mit Gemeinschaftsküchen und medizinischer Koordination kümmern.35

Die lokalen Widerstandskomitees besitzen erheb­liche Machtressourcen in der innenpolitischen Aus­einandersetzung. Sie verfügen über hohe Legitimität in ihren Nachbarschaften und sind dort fest ver­ankert. Es gibt sie im ganzen Land, in Städten und länd­lichen Gegenden. In einem von der sudanesischen Übergangsregierung in Auftrag gegebenen Mapping kam das Carter Center für das Jahr 2021 auf 7.238 Jugendorganisationen, darunter 5.289 Widerstandskomitees36 – eine Verbreitung, mit der keine politi­sche Partei Schritt halten kann.37 Die Gewaltfreiheit der Komitees setzt sie von anderen jungen Menschen ab, die bewaffneten Gruppen, Milizen und Sicherheitskräften beitreten. Der wirtschaftlichen Macht des Sicherheitssektors stellte die zivile Bewegung Streiks und Blockaden entgegen.

Die lokalen Widerstandskomitees sind kein einheitlicher Akteur, der ohne Weiteres in Verhand­lungen eingebunden werden könnte. Ihre Mitglieder vertreten unterschiedliche politische Positionen. Um in einem repräsentativen System konkret Einfluss zu nehmen, sind sie daher auf einen Transmissionsriemen angewiesen, wie ihn politische Parteien grund­sätzlich darstellen. Später entwickelten die Widerstandskomitees ihre eigenen Koordinationsmechanis­men auf bundesstaatlicher Ebene, um ihre politi­schen Vorstellungen zu artikulieren.

Spaltung der Sicherheitskräfte

Das Militär ist so eng mit Staat und Gesellschaft in Sudan verbunden, dass es nicht nur ihm gefällige Regierungen durch Putsche an die Macht brachte, sondern Teile des Militärs revolutionären Bewegungen auch dabei halfen, diese Regierungen wieder zu stürzen. Dies hatte vor allem mit der gesellschaft­lichen Nähe von Polizei- und Militärkräften zu den Führern der jeweiligen Aufstände zu tun, die in der Regel aus der oberen Mittelschicht im Zentrum Sudans stammten.38

Die Spaltung des Sicherheitssektors hat tiefe Wurzeln. Immer wieder gab es eine Entfremdung zwischen der Regierungsspitze, die durch einen Putsch ins Amt gekommen war, und dem restlichen Militär.39 So begann bereits Jafa’ar Nimeiri nach seinem Putsch 1969 mit dem Aufbau konkurrierender Sicherheitsorgane, um sein Regime vor einem Staats­streich zu schützen (»coup proofing«).40 Daneben lagerten Regierungen seit den 1980er Jahren, zuerst unter Premierminister Sadiq al-Mahdi (NUP), die Aufstandsbekämpfung in diversen Konflikten an parastaatliche, oft ethnisch oder religiös definierte Milizen aus.41

So entstanden neben den regulären Streitkräften (SAF) und der Polizei unter anderem die Rapid Support Forces (RSF), der General Intelligence Service (GIS, früher NISS) mit seinen Operationseinheiten sowie die Popular Defense Forces. Aufgrund ihrer Größe, ihrer politischen Rolle seit dem Sturz Bashirs und schließlich dem Kriegsausbruch im April 2023 sind die RSF von besonderer Bedeutung.

Die RSF gingen aus arabischen Milizen der Region Darfur im Westen Sudans hervor, welche die Bashir-Regierung dort zur Aufstandsbekämpfung einsetzte, oft verbunden mit gezielter Gewalt gegen die Zivil­bevölkerung. Dort waren sie als »Janjaweed« bekannt. RSF-Führer Mohamed Hamdan Dagalo, genannt Hemedti, gehört den Mahariya an, einem Stamm der nördlichen Reizegat-Nomaden aus Darfur. Während des vorläufigen Höhepunkts der Gewalt in Darfur 2003/04 stieg Hemedti zu einem wichtigen Milizenführer auf. Nach einer kurzen Phase der Rebellion gegen den Staat wurde er 2008 Sicherheitsberater des Gouverneurs des Bundesstaats Süd-Darfur.42 2013 schuf Präsident Bashir die RSF, zunächst unter der Kontrolle des NISS. In zwei Großoffensiven 2014 und 2015 besiegten und vertrieben die RSF in Koordi­nation mit regulären Armee-Einheiten bewaffnete Gruppen aus Darfur. Während der Folgejahre stiegen die RSF in den Schmuggel von Migranten und in die Goldproduktion ein. Außerdem wurden RSF-Truppen in großer Zahl im Jemenkrieg unter Führung der VAE und Saudi-Arabiens eingesetzt (neben einem kleine­ren SAF-Kontingent).43 Aus diesen Quellen wuchs die Finanzkraft der RSF und ihres Führers stark an.44 2017 war ein wichtiges Jahr für die RSF: Hemedtis Konkurrent Musa Hilal wurde verhaftet, und die RSF wurden auf der Basis eines eigenen Gesetzes in eine »reguläre Streitkraft« unter der Hoheit des Ober­kommandierenden der Sicherheitskräfte, das heißt Präsident Bashir, verwandelt. In der Folge wurden die RSF de facto zu Bashirs persönlicher Schutzgarde.

SAF und RSF verbindet das Ziel, Dominanz über den sudanesischen Staat zu behalten bzw. vollständig zu erlangen. Ihre Vorstellungen vom Staat unterscheiden sich jedoch. Das SAF-Offizierskorps sieht die Streitkräfte als einzige wirklich »nationale«, gesamtgesellschaftliche Institution an (obgleich die SAF-Führung überwiegend aus den arabischen Stämmen Zentralsudans kommt). Ihr strategisches Interesse besteht darin, die Fragmentierung des Sicherheits­sektors sowie des Staates und der Gesellschaft wieder zurückzudrängen. Plurale zivile Politik, geprägt von demokratischen Auseinandersetzungen, sehen sie als Rezept für Fragilität und einen Staatszusammenbruch, wie ihn mehrere Länder in der weiteren Nachbarschaft Sudans (Jemen, Libyen, Somalia) erlebten.45

Die SAF und die RSF unterscheiden sich in ihren Vorstellungen vom Staat.

Die RSF sind weitaus weniger institutionalisiert als die SAF. Ihre Führung besteht größtenteils aus Mitgliedern der Dagalo-Familie. Hemedtis Stellvertreter ist sein Bruder Abdel Rahim Dagalo, der auch das wichtigste mit den RSF verbundene Unternehmen, Al‑Junaid, leitet. Es ist vor allem in der Förderung und dem Export von Gold aktiv. Angehörige des Stamms der Reizegat bilden den Kern der RSF und stellen die meisten ihrer Kommandeure. In den Rängen finden sich Kämpfer aus vielen anderen Ethnien aus Sudans Peripherie sowie Staatsangehörige der Länder des zentralen Sahel. Viele junge Männer schlossen sich, überwiegend aus finanziellen Gründen, den RSF an, denn diese zahlen vergleichsweise hohe Gehälter.46 Allerdings gibt es weiterhin Kräfte in den RSF, die eine Ideologie von »arabischer Vorherrschaft« ver­folgen. Diese motivierte die »Janjaweed«-Milizen bereits in den 2000er Jahren, genozidale Gewalt gegen nichtarabische Gruppen aus den Stämmen der Fur, Zaghawa und Masalit auszuüben.47 Die RSF streben Dominanz über den Sicherheitssektor an und wollen dazu eine neue Armee aufbauen, welche die alten SAF-Strukturen ersetzen würde. Insgesamt nutzen die RSF stärker informelle und persönliche Beziehungen als die SAF und versuchen vor allem mit Hilfe materi­eller Ressourcen und ethnischer Verbindungen Ein­fluss zu nehmen, während die SAF auch ihren Zugang zu öffentlichen Institutionen nutzen. Diese verschiedenen Vorgehensweisen erklären auch die unterschiedlichen Haltungen der SAF und der RSF zu einer zivilen Regierung. Setzen die RSF in erster Linie auf einen schwachen Staat mit geringer Regulierung, wollen die SAF eher den Staat unter ihrer autoritären Kontrolle behalten.

Die jeweiligen Sicherheitskräfte verfügen über beträchtliche Machtressourcen, die sie nicht nur gegen zivile Akteure, sondern auch gegeneinander einsetzen können. Am offensichtlichsten ist die Rolle der Sicherheitskräfte für die Sicherheit des Landes, denn sie können zu ihr beitragen, sie aber auch beeinträchtigen. Darüber hinaus besitzen sie große wirtschaftliche und finanzielle Macht.48 Die SAF kontrollieren etwa ein Viertel der Wirtschaft, die RSF gar die Hälfte.49 Weitere Machtressourcen bestehen in ihren privilegierten, oft personalisierten Außen­beziehungen. Die SAF pflegen enge Beziehungen mit Ägypten, RSF-Führer Hemedti hat intensive Verbindungen zu den VAE. Sowohl SAF als auch RSF arbei-teten mit der Wagner-Gruppe und der russischen Regierung zusammen und hatten ein gutes Verhältnis zu Saudi-Arabien.

Den Sicherheitskräften fehlen jedoch drei wichtige Ressourcen: ein ziviler Unterstützungsapparat nach dem Wegfall der NCP sowie innenpolitische Legitimität und westliche Unterstützung. Die Stellung der RSF ist prekärer als die der SAF, da sie als paramilitärische Einheit erhebliche Gewalt gegen die Zivilbevölkerung ausgeübt hat. Dagegen wird die Existenz der SAF von Parteien und Demokratiebewegung zumindest nicht in Frage gestellt.

Opportunistische Führer bewaffneter Gruppen

Als Begleiterscheinung von Sudans anderen bewaffneten Konflikten und als Folge des Umgangs sudane­sischer Regierungen mit Aufständen existieren zahl­reiche bewaffnete Gruppen im Land. Grob lassen sich hierbei Gruppen aus dem westlichen Darfur von solchen aus dem Kontext des Nord-Süd-Konflikts sowie aus dem Osten Sudans unterscheiden. Wichtige Gruppen schlossen sich nach der Unabhängigkeit Südsudans 2011 zur Sudan Revolutionary Front (SRF) zusammen, deren Mitglieder jedoch weitgehend eigenständig blieben.50 2014 trat die SRF dem Bündnis Sudan Call bei, das sowohl Oppositionsparteien als auch bewaffnete Bewegungen umfasste und sich gegen die NCP-Herrschaft wandte.

Ein wichtiger Unterschied bestand zwischen den Gruppen, die zum Zeitpunkt der Proteste 2018/19 noch substantielle Truppen in Sudan hatten, und denen, die de facto militärisch besiegt waren und lediglich über einige versprengte Einheiten in Libyen und Südsudan verfügten. Territorium kontrollierten insbesondere die Sudan People’s Liberation Army/ Movement-North (SPLA/M-N) unter Führung von Abdel-aziz al-Hilu sowie die Sudan Liberation Army (SLA-AW) mit Abdel Wahid al-Nur an ihrer Spitze. Die SPLA/M-N beherrscht Gebiete in den Nuba-Bergen und in Blue Nile, die SLA-AW das Territorium um den Berg Jebel Marra in Darfur. Ihre lokal verankerte Macht erlaubte ihnen, sich zurückhaltend gegenüber Verhandlungen mit der neuen zivil-militärischen Regierung in Khartum zu verhalten, zumal sie keine größeren Kämpfe mit den Sicherheitskräften mehr ausfechten mussten.

Grafik 1

Anders war die Situation bei Gruppen aus Darfur wie der Fraktion der SLA, geführt von Mini Minawi (SLA-MM), und dem Justice and Equality Movement (JEM) unter Gebreil Ibrahim. Zum Zeitpunkt von Bashirs Fall verfügten sie in Sudan über keine eige­nen Truppen mehr und in Libyen und Südsudan lediglich über Einheiten, die oft für andere bewaff­nete Akteure tätig waren, wenn es ihnen opportun erschien.51 Zudem besaßen sie anscheinend nur wenig Rückhalt in der Bevölkerung. Umso mehr waren sie daher an Verhandlungen mit den neuen Autoritäten interessiert, um Zugang zu Posten und Renten zu erhalten, die ihnen wiederum ermöglichen würden, ihre stark dezimierten Bewegungen zu ver­größern. Ihre Machtressourcen bestanden in ihrem transaktionalen Verhandlungsgeschick aus früheren Gesprächen, worin sie Hemedti ähnelten, und den Renten, die sie für ihre teils neu rekrutierten Mit­glieder in den Friedensverhandlungen vereinbaren konnten. Sowohl die Sicherheitskräfte als auch die zivilen Kräfte in den FFC bemühten sich, die Vertreter der bewaffneten Gruppen für ihre jeweilige Sache einzubinden.

Zwischenfazit

Keine Akteursgruppe verfügte nach dem Sturz Bashirs allein über ausreichend Machtressourcen, um sich gegen alle anderen durchzusetzen. Die Sicherheitskräfte (allen voran SAF und RSF) kontrollierten einen Großteil der sudanesischen Wirtschaft sowie militä­rische und polizeiliche Zwangsmittel. Auf diese Weise sorgten sie dafür, dass die zivilen Akteure sie nicht ignorieren konnten. Ihre Spaltung schwächte sie gleichwohl entscheidend, zumal sie nach dem Sturz der NCP kein ziviles Vehikel mehr für die Ausübung von Regierungsgeschäften besaßen. Ihnen fehlte es an Legitimität in der Bevölkerung, die große Ausdauer und Kreativität bei der Selbstorganisation bewies. Die Demokratiebewegung konnte zwar Proteste organisieren und auf der lokalen Ebene zur Grundversorgung der Bevölkerung beitragen. Für Verhandlungen mit dem mächtigen Sicherheitssektor und mit internationalen Akteuren zur Unterstützung der Transition war sie jedoch auf politische Parteien angewiesen, die ihre jeweils eigenen Interessen verfolgten. Der Übergangsprozess fußte somit auf einem äußerst fragilen und gleichzeitig dynamischen Verhältnis dieser Akteurs­gruppen, das sich aus der unterschiedlichen Verteilung von Machtressourcen ergab. Die daraus ent­stehende Ungewissheit eröffnete gleichzeitig einen Raum, in dem es besonders auf die Entscheidungen der beteiligten Akteure ankam.

Scheitern der zivil-militärischen Transition

Die Erfolgschancen der Transition, die 2019 begann und 2021 jäh gestoppt wurde, hingen maßgeblich von zwei Aushandlungsprozessen ab: Es ging darum, das Verhältnis zwischen den zivilen und militärischen Teilen der Übergangsregierung sowie das Ver­hältnis der zivilen Akteure untereinander zu klären (siehe Grafik 1, S. 17). Die Verantwortung für das vorzeitige Ende der Transition liegt bei den putschenden Sicher­heitskräften. Allerdings hätten die zivilen Akteure die Gefahr eines erneuten Putsches zumindest verringern können.

Partnerschaft statt Distanz zum Sicherheitssektor

In der sudanesischen Zivilgesellschaft wurde intensiv diskutiert, ob bereits die Verfassungserklärung von August 2019, die eine Beteiligung des Sicherheits­sektors an der Übergangsregierung vorsah, die Chan­cen für echte Veränderungen unterminierte, und ob andere Regelungen möglich gewesen wären. Schließ­lich hatten die Menschen beim zentralen Protestcamp vor dem Militärhauptquartier eine »Madaniya« gefor­dert, eine zivile Herrschaft, und sich nicht mit dem Austausch des Präsidenten durch das Militär zufrieden­gegeben. Einige Beobachter:in­nen glauben, der hohe interne und internationale Druck auf die zivilen Ver­handler habe dazu geführt, dass sie einem »unreifen Deal« zustimmten, der viele Widersprüche, Unklarheiten und Lücken ent­hielt.52 Ein zentrales Problem war in jedem Fall, dass das Militär diese Schwächen der Übergangs­verfassung für sich auszunutzen wuss­te, während die zivile Seite selbst diejenigen Gelegenheiten unzureichend ergriff, die sie dem Dokument zufolge gehabt hätte.

Die Übergangsregierung entschied sich, die notwendige Zusammenarbeit mit dem Sicherheitssektor zur Partnerschaft aufzuwerten. »The Sudanese model is based on a partnership between civilians and the military to build a democratic state and the rule of law«, sagte Premierminister Abdalla Hamdok im Dezember 2019.53

Eigentlich sah die Übergangsverfassung von 2019 eine begrenzte Rolle des Militärs vor. Es stellte fünf von elf Mitgliedern des Souveränitätsrats sowie dessen Vorsitz für die ersten 21 Monate der Übergangszeit. Außerdem wurden die Minister für Verteidigung und Inneres vom Militär nominiert. Laut Übergangsverfassung sollte der Souveränitätsrat vordringlich formelle Aufgaben übernehmen, welche früher dem Präsi­denten oblagen, beispielsweise die Bestätigung von Minister:innen, Gouverneuren und Mitgliedern des Übergangsparlaments sowie die Ausfertigung von Gesetzen. In der Übergangsverfassung war ausdrücklich festgelegt, dass »bestätigen« sich lediglich auf die »formell notwendige Unterschrift« beziehe, damit eine Entscheidung in Kraft treten könne. Falls der Rat sich nicht innerhalb von 15 Tagen äußerte, würde die Entscheidung bzw. das Gesetz auch so in Kraft treten.54 Die eigentliche exekutive Gewalt sollte beim Premierminister liegen.55

Zudem wurden die Aufgaben der Übergangsregierung mangelhaft gewichtet. Die Liste in der Übergangsverfassung und ihre Konkretisierung durch Premierminister Hamdok suggerierten, dass alle Ziele einander ergänzen könnten. Anhänger:innen dieses impliziten Verständnisses einer »liberalen Transi­tion«, in der Frieden, Demokratie, Menschenrechte und marktwirtschaftliche Reformen zusammen­kommen sollten, vernachlässigten jedoch die bedeut­samen Zielkonflikte bei der Verwirklichung eines solchen Übergangs.56 Hamdok sprach zwar stets davon, dass die Transition »nichtlinear« und »un­ordentlich« sei, präzisierte aber nicht, wie er mit den sich daraus ergebenden Rückschlägen umzugehen gedachte.

Viele politische Fragen des Übergangsprozesses ließen sich nicht an Technokraten delegieren.

Als »technokratische« Regierung sollte Hamdoks erstes Kabinett eigentlich die Auseinandersetzungen vermeiden, welche bisherige Koalitionen geplagt hatten. Doch viele grundsätzliche Fragen des Über­gangsprozesses waren elementar politischer Natur, betrafen also die Verteilung von Werten, prinzipielle Zielkonflikte und das ständige Tauziehen der Ver­treter:innen entgegengesetzter Interessen. Wie sollte das Verhältnis von Staat und Markt bei der Stabili­sierung der Wirtschaft aussehen? Welches Gewicht sollten Gewaltunternehmer im Friedensprozess und über diesen hinaus in den Institutionen der Übergangsregierung erhalten? Welche Kompromisse sollten bei der Aufarbeitung von Verbrechen und der Entflechtung der Wirtschaft von den alten Sicher­heitseliten im Interesse der Stabilität des Übergangsprozesses geschlossen werden? Antworten auf diese Fragen ließen sich nicht an mutmaßliche Techno­kraten delegieren, sondern erforderten eine breite und intensive öffentliche Debatte.

Diskussionen über die Zusammenarbeit mit dem Sicherheitssektor nahmen oft eine polarisierte Form an, so als gäbe es nur die Wahl zwischen enger Part­nerschaft und vollständiger Loslösung des Militärs von allen zivilen Bereichen. Die FFC waren in zwei Lager gespalten. Das eine wurde von den Kommunisten geführt und wollte das Momentum der Mobilisierung nutzen, um das politische System zu trans­formieren und eine rein zivile Regierung zu bilden. Das andere Lager unter Führung der NUP, der Suda­nese Congress Party und weiterer Parteien setzte sich für eine Regierung mit Beteiligung des Militärs ein. Das Ziel lautete, die Machtbalance während der Tran-sition allmählich zugunsten der zivilen Seite zu verändern. Die kommunistische Strategie, das Militär komplett von der Macht auszuschließen, bezeichnete ein führender Vertreter der FFC bereits im Dezember 2019 als »eine sehr gefährliche Strategie, die zu einem Bürgerkrieg in Sudan führen wird, weil es riesige Dif­fe­renzen innerhalb des Militärs gibt«. Wenn die zivile Seite mehr einfordere, könnte der Druck diese Diffe­renzen zwischen SAF und RSF verstärken. Dies würde zu einem »Kampf sogar hier in Khartum führen«. Danach werde der zivile Einfluss auf null zurück­gehen.57Alle anderen würden dann auch zu den Waffen greifen, um ihre Vorstellungen durchzusetzen, und die Unterstützung von Seiten der Bevölkerung würde keine Rolle mehr spielen.

Angesichts dieser Risiken setzten die Mainstream-Parteien der FFC auf einen eher reformistischen Umgang mit den Sicherheitskräften. Das Problem dieser Vorgehensweise war, dass sie »das politische Überleben der Generäle und ihren anhaltenden Einfluss sicherte«, so eine Analyse, obwohl allen Beteiligten klar war, dass die Sicherheitsakteure das größte Hindernis für die politischen Ziele der revo­lutionären Bewegung sein würden.58 Außerdem bau­ten die Vertreter:innen dieser Strategie darauf, die Einigkeit des zivilen Lagers über die vielen kontro­versen, aber notwendigen Entscheidungen des Über­gangsprozesses zu erhalten. Doch die explizite Zusammenarbeit mit Akteuren, welche letztlich für die gewaltsame Auflösung der Sitzblockade in Khar­tum verantwortlich waren, beschädigte nach­haltig das Vertrauen zwischen FFC und Protestbewegung.

Entgegen ihren anfänglichen Zielen gelang es den FFC nicht, während der Übergangsregierung ihre Macht zu Lasten des Militärs zu vergrößern. FFC-Ver­treter:innen waren enttäuscht von Hamdoks Rück­sichtnahme auf die Sicherheitskräfte, der sich mit öffentlicher Kritik des Militärs stets zurückhielt.59 So gab Hamdok der Forderung des Militärs nach, dass alle Entscheidungen des Kabinetts vom Souveränitätsrat genehmigt werden müssten.60 Im Ergebnis fand sich Hamdok zwischen den Stühlen und ohne eigene Macht wieder.

Unter Hausarrest wurde Hamdok für kurze Zeit nach dem Putsch vom 25. Oktober 2021 zur Galionsfigur der großflächigen Proteste, die sofort nach Bekanntwerden des Putsches ausbrachen und von den lokalen Widerstandskomitees organisiert wurden. Allerdings verspielte er dieses Kapital, indem er einer gemeinsamen Erklärung mit Militärführer Burhan am 21. November 2021 zustimmte. Das brachte ihn zwar wieder ins Amt, doch in der Präambel der Erklärung wurde Burhans beschönigende Umschreibung des Putsches verwendet, es sei notwendig, »den Pfad der demokratischen Korrektur zu vollenden«.61 Entrüstet erklärten jene FFC-Minister:innen, die nicht im Gefängnis saßen, am darauffolgenden Tag ihren Rücktritt. In der Folge gelang es Hamdok nicht, eine neue Regierung zu bilden, so dass er am 2. Januar 2022 zurücktrat. Seine Glaubwürdigkeit bei der Demokratiebewegung war dahin.

Nullsummenpolitik und mangelnde zivile Institutionalisierung

Die Einheit der zivilen Front im Rahmen der FFC bröckelte nach kurzer Zeit (siehe Grafik 2). Dies erschwerte es den zivilen Akteuren, das Militär für seine eigenmächtigen Erweiterungen der ihnen verfassungsrechtlich zustehenden Kompetenzen zur Verantwortung zu ziehen und demokratische Mechanismen zu institutionalisieren Die Gründe für diese Fragmentierung liegen nicht allein in den Spaltungsbestrebungen der Sicherheitskräfte oder einer bloßen Vielfalt von politischen Positionen, sondern zu einem Gutteil auch in den eng gefassten Machtinteressen der politischen Parteien. Diese waren stets um Sichtbarkeit und Einfluss bemüht und stark von der Nullsummenpolitik des ihnen bekannten autoritären Kontexts geprägt.

Kaum war Bashir gestürzt, traten die politischen Unterschiede in den FFC zu Tage. SPA-Mitgründer Nagi al-Assam berichtet, wie seine Mitstreiter und er Zeit und Energie darauf verwendeten, Auseinandersetzungen zwischen den politischen Parteien in den FFC zu schlichten, die nur auf den eigenen Vorteil bedacht waren.62 Bereits während der Verhandlungen über die Verfassungserklärung, die in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba stattfanden, sonderten sich die bewaffneten Gruppen der SRF von den FFC ab. Dadurch wurden die Friedensverhandlungen zur Aufgabe für die Übergangsregierung. Die SPA, die während der Proteste gegen Bashir einen wichtigen Transmissionsriemen zwischen der gewaltfreien Widerstandsbewegung und den politischen Parteien gebildet hatte, verlor an Bedeutung, als sich einige Mitglieder unter kommunistischem Einfluss von den FFC abwandten. Einige Mitgliedsorganisationen der SPA warfen der Kommunistischen Partei vor, die Vorstandswahlen bei der ersten SPA-Konvention für ihre Zwecke zu manipulieren.63 Die NUP kritisierte, dem Führungsrat der FFC sei es nicht gelungen, die zahlreichen Differenzen in der Koalition einzu­hegen.64 Wenig später unterbrach sie ihre Aktivitäten in den FFC und forderte baldige Wahlen, bei denen sie sich gute Chancen ausrechnete.65

In allen großen Fragen von Sudans Übergangs­prozessen kämpften die politischen Parteien um ihre eigene Sichtbarkeit. So protestierten die FFC gegen den graduellen Subventionsabbau im Haushalt 2020, den die von den FFC selbst nominierte Regierung vorsah. Daraufhin beließ die Regierung die Subventionen und vertagte die Diskussion auf eine nationale Wirtschaftskonferenz, die wegen der Covid-19-Pan­demie jedoch erst im Herbst 2020 stattfand.

Auch der Friedensprozess mit den bewaffneten Gruppen barg aus Sicht der FFC-Parteien die Gefahr, sie an den Rand zu drängen. Die Vertreter des Sicher­heitssektors dominierten die Verhandlungen in der südsudanesischen Hauptstadt Juba, was FFC-Vertreter später als großen Fehler bezeichneten.66 Die bewaffneten Gruppen, die das Friedensabkommen von Juba (Juba Peace Agreement, JPA) am 3. Oktober 2020 unterschrieben, hatten für sich zuvor eine Quote von 25 Prozent der Kabinettsposten sowie drei zusätzliche Positionen im Souveränitätsrat ausgehandelt, und das, obwohl ihre Bedeutung für die Sicherheitslage in den meisten Konfliktregionen eher marginal war. Tatsächlich stiegen die Zahlen der Opfer bewaffneter Gewalt nach dem Friedensabkommen an.67 Nun drängten die FFC-Parteien Hamdok auch zu einer sichtbareren Regierungsbeteiligung, nachdem sie schon bei der Frage des Subventionsabbaus ihre Veto­macht demonstriert hatten. So wurde am 10. Februar 2021 das neue »politische Kabinett« mit Mitgliedern der Gruppen, die das JPA unterzeichnet hatten, sowie Politiker:innen der FFC ins Amt eingeführt.68

Allerdings verschlechterte der Eintritt der FFC-Politiker:innen auch das Verhältnis zwischen dem zivilen und dem militärischen Teil der Übergangs­regierung. Deren zivile Mitglieder standen jetzt stärker in der Pflicht, Fortschritte bei der Aufgabenbewältigung zu erreichen. Im März 2021 einigten sich die Partner in der Regierung darauf, vom Militär kontrol­lierte Unternehmen unter zivile Aufsicht zu bringen.

Trotz dieser Vorstöße für eigene Sichtbarkeit gelang es den FFC nicht, wichtige Bestandteile des Übergangsarrangements zu etablieren. Es sollten Institutionen geschaffen werden, um die immer mehr vom Militär dominierte Exekutive zu kontrol­lieren, eine Plattform für Deliberation politischer Vorhaben zu bieten, die Vorhaben der Transforma­tion auf eine breitere gesellschaftliche Grundlage zu stellen und für juristische Schiedsmechanismen zu sorgen. Diese Institutionen hätten eine erneute Machtergreifung des Militärs zumindest erschwert. Sie hätten aber auch den individuellen Einfluss der oft kleinen Mit­gliedsparteien der FFC verringert.

Die geplante Übergangsversammlung wurde nie eingesetzt.

So wurde die Einsetzung einer Übergangsversammlung mit geplant 300 Delegierten (Transitional Legis­lative Council, TLC), welche Gesetze beschließen und die Regierungsarbeit kontrollieren sollte, immer wie­der verschoben und fand letztlich nicht statt. Bereits im September 2019 hatte RSF-Führer Hemedti den bewaffneten Gruppen versprochen, die Versammlung erst nach Abschluss eines Friedensabkommens zu installieren.69 Proteste von Seiten der FFC verhallten ungehört.70 Später konnten sich die FFC-Mitglieder nicht auf die Verteilung der Abgeordneten unter den einzelnen Mitgliedsparteien einigen: Das Gremium sollte komplett ernannt werden, doch gab es keine verlässliche Grundlage für die Aufteilung der Man­date. FFC-Vertreter verwiesen später auf Blockaden aus dem Sicherheitssektor, der allen Ernennungen zustimmen musste, räumten aber ein, dass die meiste Schuld für die Verzögerung bei ihnen selbst lag.71

Die Übergangsregierung bemühte sich außerdem kaum darum, die zivilen Strukturen auf kommunaler und bundesstaatlicher Ebene zu stärken. Zum Zeit­punkt des Putsches im Oktober 2021 gab es zwar in allen 18 Bundesstaaten Gouverneure, die von der zivilen Regierung ernannt worden waren, aber keine Minister:innen. Einige kleinere Parteien in den FFC lehnten frühe Kommunalwahlen ab. Diese hätten der Bevölkerung erlaubt, sich in ihrer unmittelbaren Umgebung an öffentlichen Institutionen zu beteiligen, aber auch die Macht dieser Parteien auf der nationalen Ebene in Frage gestellt.72

Schließlich ernannte die Übergangsregierung kein neues Verfassungsgericht, nachdem es das alte auf­gelöst hatte. Deshalb konnten die vielen Unklarheiten und Lücken der Übergangsverfassung nicht auf juri­stischem Wege beseitigt werden, sondern wurden de facto vom Justizministerium bearbeitet. Dieses besaß aber weder die Kapazität noch die Autorität für ver­bindliche Entscheidungen.73

Die Schwierigkeiten entsprangen nicht den verschiedenen Ausrichtungen der politischen Parteien. Deren Pluralität war eher eine Stärke, insofern sie die unterschiedlichen Strömungen in der sudanesischen Gesellschaft widerspiegelte. Doch das beständige Dominanzstreben erschwerte es den Parteien, einen institutionellen Rahmen zu festigen, innerhalb dessen sie ihre Interessen hätten wahrnehmen können. Zudem fiel es den Sicherheitskräften leich­ter, die Macht zu ergreifen, wenn sie lediglich die wichtigsten zivilen Führer verhaften lassen mussten.

Scheitern des Militärputsches

Dass sich mit Bashirs Fall etwas Grundsätzliches in der sudanesischen Politik geändert hatte, wurde spätestens nach dem Militärputsch 2021 deutlich. Die Sicherheitskräfte konnten zwar relativ leicht eine nationale Krise heraufbeschwören und Hamdok sowie die FFC-Minister:innen absetzen. Eine neue stabile Regierung konnten sie jedoch nicht auf die Beine stellen. Das alte Muster von Repression, Kooption und ziviler Fassade funktionierte nicht mehr. Nach 2019 scheiterte damit bereits zum zweiten Mal der Ver­such, eine reine Militärregierung zu installieren.

Transaktionale Handlungsmuster greifen nicht mehr

Es gelang den Sicherheitskräften, die angespannte Situation im Frühherbst 2021 zu einer nationalen Krise zu steigern, welche den Boden für den Staatsstreich bereitete. Nach einem Putschversuch mutmaßlich durch Anhänger des NCP-Regimes im Sep­tember 2021 spitzte sich die Lage zu. Eine wochenlange Blockade des Hafens in Port Sudan verschärfte die wirtschaftliche Versorgungslage in Khartum. Die Blockade wurde vom High Council for the Tribes of the Beja unter Führung des ehemaligen NCP-Abgeord­neten Sayed Tirik organisiert, vorgeblich aus Frustration über das Ostsudan-Protokoll des Friedens­abkommens von Juba.74 Anfang Oktober gründeten 16 politische und bewaffnete Gruppen eine rivalisierende FFC-Fraktion.75 Unter Führung von Gebreil Ibrahim und Mini Minawi, die ihre Regierungsposten der Zusammenarbeit mit dem Sicher­heitssektor verdankten, organisierte diese FFC2 genannte Frak­tion Proteste und eine mehrtägige Sitzblockade vor dem Präsidentenpalast, bei der unverhohlen eine Militärregierung gefordert wurde.76

Am 25. Oktober 2021 riefen die Sicherheitskräfte den Ausnahmezustand aus. Ihr eigentliches Ziel, mittels einer Technokratenregierung eine zivile Fassade für ihre Herrschaft zu schaffen, erreichten sie nicht. Außerdem hatten die Sicherheitskräfte gehofft, Hamdok mit seinen guten internationalen Verbindungen im Amt behalten zu können.77 Die FFC2-Parteien waren zu schwach, um eine sogenannte Expertenregierung einzusetzen, und die restlichen FFC1-Parteien sowie unabhängige Technokraten weigerten sich, als Steigbügelhalter des Militärs zu agieren.

Der massive Druck durch anhaltende Demonstrationen und Streiks hatte großen Anteil daran, dass keine zivile Fassade für eine Militärregierung auf­gebaut werden konnte. Anders als die Sicherheits­kräfte – nicht zuletzt mit Blick auf weitere Putsche in dieser Zeit – erwartet hatten, begrüßten keine jubelnden Massen den Staatsstreich, sondern zahl­reiche Demonstrierende wandten sich dagegen. Nach dem Putsch waren mehr Demonstrationen zu verzeichnen als während der (kürzeren) Proteste gegen Bashir 2018/19, zwei Drittel davon außerhalb des Bundesstaats Khartum.78 Zwar setzten die Sicher­heitskräfte tödliche Gewalt gegen diese Proteste ein, bei denen bis März 2023 über 120 Menschen starben.79 Doch die repressiven Maßnahmen der Sicherheitskräfte blieben hinter dem Ausmaß des Massakers vom Juni 2019 zurück.80

Die Widerstandskomitees ließen sich nicht von Sicherheitseliten kooptieren. Vielmehr wandten sie sich nach der Erklärung Hamdoks mit Burhan vom 21. November 2021 auch von den politischen Parteien in den FFC1 ab. Daraufhin begannen die Komitees einen aufwendigen Prozess, um eine Charta mit politischen Forderungen zu formulieren.81 In deren Zentrum stand die Etablierung eines Übergangsparla­ments, das die Arbeit einer neuen Übergangsregierung effektiv überwachen sollte. Dezentralisierung und lokale Politik sollten eine wichtige Rolle spielen – genau die Bereiche, welche die FFC in ihrer Regie­rungszeit vernachlässigt hatten.82 Die Mitglieder des Übergangsparlaments sollten von Basisversammlungen aller Nachbarschaften ernannt werden.83 Die Widerstandskomitees luden politische Parteien und andere zivile Kräfte ein, sich ihnen anzuschließen. Sie selbst lehnten direkte Verhandlungen mit den Sicherheitskräften unter deren damaliger Führung ab.84

Ein weiterer Faktor für das Scheitern des Militärs, eine Fassadenregierung einzusetzen, war das Verhal­ten internationaler Geber und Finanzinstitutionen nach dem Putsch. Diese suspendierten ihre bilaterale Zusammenarbeit, stoppten bereits zugesagte Zahlun­gen in Höhe von rund einer Milliarde US-Dollar 2021 sowie weiteren zwei Milliarden pro Jahr (2022 und 2023) und unterbrachen den Entschuldungsprozess.85 In der Folge schnellten die Preise in die Höhe; allein der Brotpreis im Bundesstaat Khartum versechsfachte sich binnen drei Monaten.86 Gleichzeitig stellte die Regierung das Family Support Programme mit seinen Direktüberweisungen an bedürftige Familien ein, weil die internationalen Mittel dafür nicht mehr flossen. Der wirtschaftliche Niedergang nach dem Putsch betraf auch die Mitglieder der Sicherheits­kräfte. Es gab Berichte über Plünderungen durch Uniformierte, die nicht von den Unternehmensbeteiligungen der Sicherheitskräfte profitierten. All diese Schwierigkeiten verschärften zudem das Verhältnis zwischen SAF und RSF.

Aufstieg der RSF ins politische Zentrum Sudans und Spannungen im Sicherheitssektor

Vielleicht den tiefgreifendsten Wandel in Sudans politischem System bildete der Aufstieg der RSF zu einer der beiden schlagkräftigsten bewaffneten Ein­heiten des Landes, deren Führung gleichzeitig einen großen Teil der Wirtschaft kontrollierte und poli­tischen Einfluss ausübte. Die Präsenz zweier etwa gleich starker Sicherheitskräfte in Form der SAF und RSF erhöhte das Risiko für einen Bürgerkrieg in einer Situation, in der beide miteinander um die Kontrolle des Staates wetteiferten und es keine übergeordnete Instanz (Präsident Bashir) bzw. gemeinsamen Gegner (die zivile Komponente in der Übergangsregierung) mehr gab (siehe Grafik 1, S. 17). Denn weder SAF-Führer Burhan noch RSF-Chef Hemedti konnten ohne Rück­griff auf Dritte dem jeweils anderen glaubwürdig versichern, Abmachungen zur Umstrukturierung des Staates zu respektieren. Beide hatten einen Anreiz, die Macht des jeweils anderen zu übernehmen. Typi­scherweise bereitet eine solche Konkurrenzsituation den Boden für einen Putsch oder eine Säuberungs­aktion, das heißt den Ausschluss eines Konkurrenten und seiner Verbündeten aus der Herrscherelite, zumal wenn die Konkurrenz eine ethnische Dimension hat.87

Weil beide konkurrierende Sicherheitskräfte etwa gleich stark waren, wuchs die Bürgerkriegsgefahr.

Nach dem Fall Bashirs gewannen die RSF so viel Macht, dass die SAF nicht in der Lage waren, sie durch den Austausch ihrer Führer zu übernehmen. Eine offene Konfrontation, das wurde zunehmend klar, bedeutete Krieg. Aus dem Putschrisiko wurde somit ein Kriegsrisiko, erst recht nach dem Wegfall der zivilen Komponente mit dem Putsch vom Oktober 2021.

Die RSF unter Hemedtis Führung waren zum Zeit­punkt von Bashirs Sturz im April 2019 bereits ein mächtiger und reicher Akteur, vor allem seit dem lukrativen Söldnereinsatz im Jemenkrieg im Auftrag der VAE. Der Einfluss der RSF wuchs jedoch noch weiter, als die Übergangsregierung gebildet wurde. Hemedti hatte sich selbst zum Stellvertreter Burhans ausgerufen und behielt diese Position, als der Über­gangsmilitärrat Teil des Souveränitätsrats der Über­gangsregierung wurde. Dass der Souveränitätsrat eine ihm ursprünglich nicht zugedachte exekutive Rolle erhielt, vermehrte auch Hemedtis politischen Ein­fluss. Derweil rekrutierten die RSF in vielen Teilen Sudans neue Mitglieder, so dass sie laut Schätzungen ihre Personalstärke innerhalb von vier Jahren nahezu verdreifachten.88

Islamistische Anhänger des NCP-Regimes behielten großen Einfluss in den SAF und auf Burhan selbst. Die SAF-Führung schaute auf Hemedti und seine Fami­lie als Emporkömmlinge aus der Peripherie herab, und einfache Soldaten misstrauten ihm wegen der Rolle der RSF bei der Niederschlagung des Protest­camps im Juni 2019.

SAF und RSF setzten auch auf unterschiedliche internationale Partner, deren Rivalität sie sich für ihre innenpolitische Konkurrenz zunutze machten. Hatten sie nach dem Sturz Bashirs noch auf die gemeinsame Unterstützung durch Ägypten, die VAE und Saudi-Arabien zählen können, verschlechterte sich auch das Verhältnis dieser Regionalmächte untereinander.89 Berichten zufolge spielte Ägyptens Geheimdienst in den Wochen vor dem Putsch 2021 eine entscheidende Rolle, indem er zwischen SAF und RSF vermittelte und damit deren Machtergreifung erst ermöglichte.90 Die VAE und Saudi-Arabien unter­stützten Bemühungen der Vereinten Nationen, nach dem Putsch Gespräche zwischen den Militärs und den FFC zu arrangieren. Als Teil der Quad-Gruppe mit den USA und Großbritannien begleiteten sie die ver­trau­lichen Gespräche, welche am 5. Dezember 2022 im Rahmenabkommen resultierten.

Das Rahmenabkommen sah vor, dass eine rein zivile Regierung gebildet werden sollte. Die VAE zeig­ten ihre Wertschätzung für die Einigung: Gut eine Woche später unterschrieben die Abu Dhabi Ports Group und Invictus Investment ein vorläufiges Inve­stitionsabkommen zum Bau eines Hafens in Nord­sudan im Wert von sechs Milliarden US-Dollar.91 Ägypten organisierte demgegenüber ein Treffen von Führern bewaffneter Gruppen und politischer Partei­en unter dem Mantel der FFC2 (unter ihnen Minawi und Ibrahim), welche die Verhandlungen und später das Rahmenabkommen ablehnten. Aus Sicht einiger FFC1-Politiker waren Ägyptens Bemühungen darauf ausgelegt, den gesamten Prozess zu unterminieren.92

Solange Hamdok und die FFC Teil der Regierung waren, sorgten sie dafür, dass die Spannungen zwischen SAF und RSF nicht ausuferten. Mit dem Putsch änderte sich diese Dynamik. Burhan, nicht zuletzt unter Druck von Hardlinern in der Militär­führung, holte Tausende Anhänger des NCP-Regimes zurück in den öffentlichen Dienst und die Justiz, um Kontrolle über den Staatsapparat zu erlangen. Zwar war die NCP zu sehr in Verruf geraten, als dass es möglich gewesen wäre, ihr Verbot offiziell aufzu­heben und sie formell erneut an der Regierung zu beteiligen. Doch ihre Mitglieder und ehemaligen Führer wie die früheren Außenminister Ali Karti und Ibrahim Gandour kehrten ins öffentliche Leben zurück, nachdem die Militärregierung sie nach dem Putsch aus dem Gefängnis entlassen hatte.93 Der Wiederaufstieg der NCP-Anhänger musste Hemedti alarmieren, den diese des Verrats bezichtigten.

Sudans erneuter Krieg und seine Folgen

Im Frühjahr 2023 waren die Bedingungen vorhanden, die den Ausbruch massiver bewaffneter Gewalt in der sudanesischen Hauptstadt am 15. April ermöglichten und deren schnelle Beendigung beträchtlich erschwer­ten. Die Sicherheitskräfte nutzen jeden Spielraum, um sich nach und nach wieder mehr Einfluss zu ver­schaf­fen. Viele Beteiligte betrachteten Politik weiter­hin als Nullsummenspiel, bei dem die Gewinne des einen Verluste für den anderen bringen. Die FFC-Parteien hatten es nicht vermocht, die Revolution institutionell tiefer zu verankern.

Hemedti konnte immer mehr Macht auf sich und die RSF konzentrieren.

Gleichzeitig griffen die alten transaktionalen Handlungsmuster des Sicherheitssektors nicht mehr, nämlich sich mit Repression und Kooption an der Macht zu halten. Opportunistische Vertreter bewaff­neter Gruppen und Ableger politischer Parteien trugen zur Spaltung des zivilen Lagers bei, indem sie in der engeren Zusammenarbeit mit dem Sicherheitssektor den eigenen Vorteil in Form von Posten suchten, welche angesichts mangelnder gesellschaftlicher Basis ihr politisches Überleben sichern sollten. Das Militär bekam jedoch beständig Absagen von Personen aus der sudanesischen Elite, die sie für Ministerposten angefragt hatte. Hemedti war seit dem Sturz Bashirs in die höchste Liga der sudanesischen Politik aufgestiegen und konnte immer mehr Macht auf sich und die RSF konzentrieren. Der Putsch von 2021 und die folgende Weigerung der FFC1-Parteien, sich vom Militär kooptieren zu lassen, brachte RSF und SAF in direkte Konkurrenz um die politische und militärische Führung des Staates. Aus Sudans tradi­tionellem Putschrisiko wurde das Risiko für einen bewaffneten Konflikt im Zentrum des Staates – genau das Szenario, vor dem zivile Politiker wie Khalid Omer Yousif seit Jahren gewarnt hatten. Von Anfang an bildete die Konkurrenz innerhalb des Sicherheitssektors die größte Gefahr für die sudanesische Transition.

Kriegsausbruch als Folge einer Eskalationsspirale

Der Ausbruch des bewaffneten Konflikts zwischen SAF und RSF am 15. April 2023 war die Folge einer Eskalationsspirale, die wiederum aus einem Sicherheitsdilemma resultierte. Rein rational betrachtet konnte ein Krieg zwischen SAF und RSF weder im Interesse des einen noch des anderen sein, weil keine schnelle militärische Klärung zu erwarten war und eine andauernde bewaffnete Auseinandersetzung beide schwächen würde. Die Konfliktlinie zwischen SAF und RSF war nicht neu; beide kannten die Fähig­keiten des jeweils anderen. In den Wochen zuvor hatten sie Truppen an strategischen Orten zusammen­gezogen, um für einen möglichen Angriff des Kontra­henten gewappnet zu sein – oder auch die Gelegenheit für eine schnelle Machtergreifung zu nutzen. Letzte Vermittlungsbemühungen von Mitgliedern des Souveränitätsrats sowie den UN bis in die Nacht vor dem Tag des Kriegsausbruchs scheiterten mit den Gefechten am Morgen des 15. April.

Es ist unbekannt, wer den ersten Schuss abfeuerte. Beide Parteien beschuldigen sich gegenseitig. Einige Quellen deuten darauf hin, dass SAF-Generäle in Abstimmung mit Akteuren des früheren NCP-Regimes ihrer Entmachtung zuvorkommen wollten, die ihnen durch die Einsetzung einer zivilen Regierung oder einen Putsch der RSF womöglich gedroht hätte. Dazu passt, dass die SAF sich zunächst mit den RSF und den Unterzeichnern des Rahmenabkommens auf einen Plan für eine phasenweise zu verwirklichende Integration der RSF binnen zehn Jahren einigten,94 sich Ende März 2023 jedoch wieder davon distanzierten.95 Für Aufsehen sorgte zudem, dass Tut Gatluak – Berater von Südsudans Präsident Salva Kiir Mayardit, Adoptivsohn von Omar al-Bashir und Chef­vermittler für das Friedensabkommen von Juba – seine Familie wenige Tage vor Kriegsausbruch aus Khartum in Sicherheit brachte.96 Selbst wenn die Initiative zur Gewaltanwendung von einer SAF-Einheit ausgegangen sein sollte, waren die RSF besser vor­bereitet. Sie verfügten überall in der Hauptstadt­region über Waffendepots und drangen bereits am Morgen des ersten Kriegstags in das Gästehaus des Präsidenten ein, der nur mit Mühe in das nahe Militär­hauptquartier fliehen konnte.97

Aus der immer weiter gewachsenen Spannung zwischen SAF und RSF war eine Situation entstanden, deren Dynamik beide Seiten nicht mehr kontrollieren konnten. Da der Kampf nun einmal begonnen war, führten sie ihn mit großer Härte fort.

Konfliktdynamik zwischen Bürgerkrieg und Vernichtung

Der Krieg metastasierte innerhalb weniger Monate, so dass man von sich überlagernden Konflikten auf verschiedenen Ebenen sprechen kann. Neben den Konflikten um politische und militärische Dominanz im Bundesstaat Khartum sowie um strategische Infrastruktur im Rest des Landes gibt es eine anders gelagerte Dynamik in Teilen der Region Darfur. Satellitenbilder und die Aussagen von nach Tschad Geflüchteten zeigen, dass die RSF und die arabischen Milizen gezielt Angehörige der Masalit vertreiben, ihre Dörfer niederbrennen, Frauen vergewaltigen und Zivilisten massenhaft töten.98 Die RSF werfen den Masalit vor, sich ihnen im Kampf gegen die SAF nicht anzuschließen und sich stattdessen von den SAF bewaffnen zu lassen. Arabische Stämme verfolgen darüber hinaus eigene, lokale Ziele, auch aus Unmut über das Friedensabkommen von Juba, das beispielsweise eine Rückkehr der (nichtarabischen) Binnen­vertriebenen vorsah. Selbst wenn die RSF-Führung ihre Bekenntnisse zur Aufarbeitung von Verbrechen ernst meinen sollte, wäre sie darauf bedacht, diese Stämme nicht von sich zu entfremden, und würde sie daher auch kaum zur Zurückhaltung gegenüber der Zivilbevölkerung drängen.

Darüber hinaus nutzten einige bewaffnete Gruppen den Kriegsausbruch für ihre Zwecke. Die SPLA/M‑N unter Abdel-aziz al-Hilu hat mehrere Stellungen der SAF in Südkordofan erobert und damit ihr Terri­to­rium vergrößert.99 Ähnliche Ziele verfolgt die SLA-AW in Jebel Marra. Im November 2023 kündigten JEM und SLA-MM ihre bisherige militärische Neutra­lität auf, nachdem Angehörige der von ihnen gebil­deten gemeinsamen Truppe zum Schutz von Versorgungskonvois zunehmend unter Beschuss der RSF geraten waren.100 Burhan dankte den ehemaligen Rebellengruppen für ihre Beteiligung an SAF-Opera­tionen im Februar 2024.101 Diese nichtstaatlichen Gewalt­akteure verfolgen ihre jeweils eigenen Ziele, die nur vorübergehend mit denen der SAF oder (weniger) der RSF zusammenfallen.

Die RSF kontrollieren einen Großteil der Stadt Khartum sowie weite Teile der Region Darfur im Westen Sudans, der südlichen Bundesstaaten West‑ und Nordkordofan und des Bundesstaats Al‑Dschazira im Zentrum des Landes. Dagegen halten die SAF Teile Omdurmans, Khartums Schwesterstadt am Nil, sowie im Norden, Osten und Zentrum Sudans. Das Land bewegt sich auf eine De-facto-Spaltung zu. Eine schnelle militärische Entscheidung ist nicht zu erwarten. SAF und RSF besitzen unterschiedliche militärische Fähigkeiten. Weil die SAF eine Luftwaffe, schwere Artillerie und Panzer haben, sind sie mehr auf die Verteidigung fester Orte konzentriert. Im Gegensatz dazu verfügen die RSF über eine hoch­mobile Infanterie auf Pick-up-Trucks, die zusätzlich mit tragbaren Flugabwehrraketen und Drohnen ausgestattet ist. Um Luftangriffen zu entgehen, ver­teilte sich die RSF schnell über die Stadt Khartum und nahm Wohnhäuser in Beschlag, welche die SAF mit Explosivwaffen beschossen.102 Mittlerweile haben die RSF mehrere Stützpunkte der SAF eingenommen und dort weitere schwere Waffen erbeutet. Die RSF profitieren von Waffenlieferungen der VAE über Tschad, die SAF dagegen von Lieferungen türkischer Drohnen durch Ägypten sowie von Drohnen und weiteren Waffen aus Iran.103

SAF-Chef Burhan rief die Bevölkerung auf, sich zu bewaffnen.104 Die SAF eröffneten Rekrutierungscamps in den von ihnen kontrollierten Gebieten, und auch die RSF rekrutierten weitere Kämpfer. Teilweise wech­seln Einheiten zwischen beiden Parteien die Loyalität. Folge dieser Aufrufe und Rekrutierungen ist eine wei­tere Militarisierung der Gesellschaft. Damit schrumpft der Raum für die zivilen Kräfte erheblich, sich politisch bemerkbar zu machen.

Auch in Gebieten, die nicht direkt von Kämpfen betroffen sind, leiden Menschen große Not.

In Khartum sind wichtige Teile der Infrastruktur wie die Versorgung mit Wasser, Elektrizität und Telekommunikationsdiensten zerstört. Ein Drittel der Bevölkerung des Bundesstaats Khartum, mehr als 3,5 Millionen Menschen, ist innerhalb des ersten Dreivierteljahres geflohen, darunter ein großer Teil der politischen und wirtschaftlichen Elite des Landes. Die von den SAF kontrollierten Ministerien haben ihre Regierungsaktivitäten nach Port Sudan verlegt. Im Laufe des Jahres 2023 wurde Sudan zum Land mit den meisten Binnenvertriebenen weltweit (über 9 Millionen, zusätzlich zu mehr als 1,8 Millionen Geflüch­teten).105 Die Zentralisierung des Staates und der Wirtschaft in der Hauptstadtregion erwies sich im Krieg als besonders nachteilig für das Land. Wäh­rend der Kampfhandlungen in und um Khartum wurden viele Märkte, Geschäfte und Banken zerstört, sodass auch die Versorgung des restlichen Landes mit Gütern des täglichen Bedarfs und mit Finanzmitteln stark beeinträchtigt ist.106 So leiden Menschen große Not auch in Gebieten, die nicht direkt von Kämpfen betroffen sind.107

Aussichten für eine zukünftige politische Ordnung nach dem Krieg

Die ersten Monate seit Kriegsbeginn sahen eine Fülle von internationalen Vermittlungsversuchen, die alle nach kurzer Zeit ins Stocken gerieten. Es war die Afrikanische Union, welche bereits am 20. April 2023 die größte Staatengruppe zusammenbrachte, um einen sogenannten erweiterten Mechanismus zu initiieren. Neben allen Nachbarstaaten umfasste sie die arabischen Länder sowie die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats, die EU, Deutschland und andere Geber.108 Doch die Bemühungen der AU verzögerten sich. Währenddessen verkündete die zwischenstaat­liche Behörde für Entwicklung (Intergovernmental Authority on Development, IGAD) eine Roadmap und präsentierte ein Quartett von Vermittlern in Gestalt der Staatspräsidenten Äthiopiens, Dschibutis, Süd­sudans und Kenias (das den Vorsitz innehat).109 Parallel dazu brachten die USA und Saudi-Arabien Verhandlungsdelegationen von SAF und RSF nach Dschidda, wo diese im Mai 2023 eine humanitäre Prinzipienerklärung unterschrieben und im November 2023 ein humanitäres Forum schufen, geleitet von der UN-Koordinierungsstelle für humanitäre Angelegenheiten (United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs, UN OCHA). Nachdem zahlreiche Waffenstillstandsversprechen beider Seiten nicht eingehalten worden waren, wurden die Verhandlungen vertagt. An diesen Ver­handlungen beteiligten die USA und Saudi-Arabien weder ihre Quad-Kollegen VAE und Großbritannien noch andere Länder und bezogen auch keine zivilen Vertreter ein.110 Sowohl AU als auch IGAD versprachen Konsultationen mit sudanesischen Stakeholdern aus dem zivilen Spektrum, konnten sich aber (Stand Februar 2024) nicht darauf einigen, wer zu den Beratungen eingeladen werden sollte. Die Spannungen zwischen den arabischen Regionalmächten offenbarten sich auch in den Vermittlungsangeboten. In Abgrenzung zu den Dschidda-Gesprächen brachte Ägypten Staats- und Regierungschefs von Sudans Nachbarstaaten für eine Initiative nach Kairo, lud dazu jedoch nicht die Konfliktparteien ein.

Zivile Zusammenschlüsse und Erklärungen gab es verschiedene. Im Oktober 2023 einigte sich eine Versammlung gesellschaftlicher und politischer Akteure in Addis Abeba auf die Gründung einer Coordination of Civil Democratic Forces (Taqaddum), deren Vor­bereitungsausschuss der frühere Premierminister Hamdok leitet. Uneinigkeit besteht vor allem darüber, wer solchen Koalitionen beitreten darf und wie genau die Ziele formuliert werden sollen. Gegen den Krieg an sich zu sein reicht für einige nicht aus, weil unter dieser Maxime SAF und RSF gleichbehandelt würden, obwohl die SAF zumindest institutionell als nationales Militär größere Legitimität aufwiesen und die RSF für massive Plünderungen in Khartum und Gewalt gegen die Zivilbevölkerung verantwortlich seien. Taqaddum sah sich Kritik ausgesetzt, sich einseitig zu positionieren, als Hamdok und Hemedti am 2. Januar 2024 eine gemeinsame Erklärung unter­zeichneten, die ein Ende des Kriegs und den Wiederaufbau des Staates versprach.111 Andere wollen eine möglichst breite Front schaffen und dabei Sympathisanten des früheren Regimes einbeziehen, was einige FFC-Führer vehement ablehnen.112 Dass viele An­gehörige von Eliten geflohen sind oder vertrieben wurden, erschwert die Koordination. Eine Schlüsselfrage, die bereits die SPA und die FFC umtrieb, ist der Aufbau einer handlungsfähigen Organisation einschließlich der Besetzung von Führungsgremien.113 Das Verhältnis zwischen politischen Parteien und restlicher Zivilgesellschaft innerhalb der Koali­tion bleibt angespannt.

Der Krieg wird erst enden, wenn es Chancen für eine neue politische Ordnung gibt.

Klar ist, dass der Krieg in Sudan nur enden wird, wenn es Aussicht auf eine neue politische Ordnung gibt. Ein vollständiger militärischer Sieg von SAF oder RSF ist auf absehbare Zeit wenig wahrscheinlich. Erfolgversprechend scheint weder eine erneute Machtteilung zwischen SAF und RSF noch zwischen Sicherheitssektor und politischen Parteien, wie sie nach dem Fall Bashirs 2019 versucht wurden. In der Vergangenheit stärkten internationale Friedensvermittlungen stets ein System, das Gewaltanwendung zur Durchsetzung politischer Interessen legi­timierte.114 Wegen der ausufernden Verbreitung von Milizen und bewaffneten Gruppen, die oft ihre jeweils eigenen Ziele verfolgen und Territorium kontrollieren, wird ohnehin kein Prozess genügen, der sich allein auf SAF und RSF oder gar auf Burhan und Hemedti konzentriert. Angesichts der geo­politischen Span­nungen scheint auch eine einheit­liche hochrangige internationale Vermittlung nicht in Sicht. Noch ferner liegen militärische oder andere sicherheitspolitische Garantien gewichtiger inter­nationaler Akteure. Solche Garantien wären aber nötig, um ein Abkommen zur Klärung des zukünf­tigen Verhältnisses von SAF und RSF einschließlich der Auflösung von Milizen und der Integration von Kämpfern durchzusetzen.

Einbindung statt Rechenschaft: Diskussion über den inter­nationalen Ansatz in Sudan

Der Kriegsausbruch in Sudan hat auch eine Debatte über den Ansatz westlicher Akteure während der Übergangsprozesse in Sudan ausgelöst. Die Umsetzung der Reformvorhaben der Übergangsregierung hing entscheidend von der Kooperation des Sicherheitssektors ab. Doch der internationale Druck jenseits von Statements traf im Ergebnis eher die Bevölkerung. Internationale Akteure gingen bei ihren Entscheidungen immer wieder auf die Prioritäten der Sicherheitskräfte ein und respektierten deren Machtressourcen, obwohl der gewaltfreie, andauernde Widerstand der sudanesischen Zivilgesellschaft diese in Frage stellte.

Im Bereich Sicherheit entschied sich der UN-Sicherheitsrat auf Antrag der sudanesischen Regierung, die gemeinsame hybride Mission von UN und AU in Darfur (UNAMID) zum 31. Dezember 2020 zu beenden. Damit lag die Verantwortung für die physische Sicherheit allein bei den sudanesischen Sicherheitskräften, und das in einer Region, in der sich verschiedene Bevölkerungsgruppen vom poli­tischen Wandel in Khartum mehr Einfluss erhofften und darüber in Konflikt gerieten.115 Als mächtigste Sicherheitskräfte in Darfur gingen die RSF gestärkt aus dem Abzug UNAMIDs hervor.

In der Wirtschaft spielten die Sicherheitskräfte ebenfalls die dominante Rolle. Sie kontrollierten den größten Teil der Wirtschaftsleistung und profitierten am meisten von den Steuerprivilegien. Die Auflagen für den multilateralen Entschuldungsprozess und die Mobilisierung internationaler finanzieller Unter­stützung sahen jedoch nicht vor, die Ressourcen des Sicherheitssektors anzuzapfen, sondern in erster Linie Subventionen zu streichen und das Wechselkurs­regime zu liberalisieren. Immerhin leisteten die Sicherheitskräfte 2020 einen einmaligen freiwilligen Beitrag von zwei Milliarden US-Dollar zum Staatshaushalt, ein Sechstel der geplanten Ausgaben.116 Recherchen über die wirtschaftlichen Ressourcen der Sicherheitskräfte legen nahe, dass in den Folgejahren weitere Beiträge möglich gewesen wären.117

Dabei sahen sich Sudans internationale Partner immer wieder vor eine ähnliche Herausforderung gestellt. Sollten sie Prozesse unterstützen, welche sudanesische Eliten überwiegend miteinander aus­gehandelt hatten und die zumindest auf dem Papier die Möglichkeit für weitere Reformschritte boten? Oder sollten sie sich heraushalten bzw. gezielter Druck ausüben, weil sie den Versprechen der Sicher­heitskräfte und politischen Eliten keinen Glauben schenkten?

Gleichwohl erzeugten die institutionellen Voraussetzungen und politischen Entscheidungen der internationalen Partner einige Zielkonflikte. Ohne den Abzug UNAMIDs hätten Aufstellung und Aus­bildung einer gemeinsamen Schutztruppe der Unter­zeichner des Friedensabkommens von Juba, welche für Sicherheit sorgen sollte, gründlicher und mit weniger Zeitnot angesichts der eskalierenden Gewalt in Teilen Darfurs erfolgen können. Sudans Löschung von der Liste terrorismusfördernder Länder, Voraussetzung für Wirtschaftshilfen und Entschuldung, machten die USA davon abhängig, dass Sudan seine diplomatischen Beziehungen zu Israel normalisierte.

Die scheinbar pragmatischen Ansätze, die Sudans internationale Partner zusammen mit der Hamdok-Regierung und den FFC verfolgten, stärkten immer wieder diejenigen, die über materielle Macht verfüg­ten, vor allem das Militär und die Sicherheitskräfte. Diese Art der Rücksichtnahme war jedoch fragwürdig angesichts des gut organisierten gewaltfreien Wider­stands. Einige beteiligte Diplomaten kritisierten diese Prioritätensetzung im Nachhinein.118

Immer wieder suchten zentrale internationale Akteure wie die Quad nach einem Deal mit den Mili­tärs zur Machtteilung, selbst nachdem deren Vertreter sie offen belogen hatten.119 Nach Hamdoks umstrittener Vereinbarung mit Burhan vom 21. November 2021 sorgte UN-Generalsekretär Antonio Guterres für Unmut bei den Widerstandskomitees in Sudan mit dem Appell an den »common sense« aller Beteiligten und nannte es »sehr gefährlich für Sudan«, die Ver­einbarung in Frage zu stellen.120 Diese Art von inter­nationaler Unterstützung half die Position der Gene­räle zu konsolidieren, die innenpolitisch massiv unter Druck standen.

Gleichzeitig trafen die Strafmaßnahmen inter­nationaler Akteure die Bevölkerung hart. Weltbank und internationale Geber setzten sofort nach dem Putsch große Teile ihrer Hilfen aus. Mitglieder von Widerstandskomitees und Vertreter von Entwicklungsorganisationen hatten wenig Verständnis dafür, dass selbst Mittel für Projekte abseits direkter Kon­trolle der Putschregierung dauerhaft ausgesetzt wur­den, auch wenn der wirtschaftliche Druck die Put­schisten zu isolieren half.121 Weder die USA noch die EU konnten sich bis Kriegsbeginn auf gezielte Sank­tionen gegen Unternehmen oder Personen aus dem Sicherheits­sektor einigen,122 mit Ausnahme von US-Sanktionen gegen die sudanesische Central Reserve Police.123 Zumindest im Nachhinein argumentierten Beteiligte wie der damalige US-Sondergesandte für das Horn von Afrika, Jeffrey Feltman, dass mehr Druck die Abwägungen der Sicherheitskräfte möglicher­weise verändert hätte: »Wir vermieden es, Konsequen­zen für wiederholte Akte der Straflosigkeit zu ziehen, die sonst möglicherweise einen Wechsel des Kalküls erzwungen hätten. Stattdessen beschwichtigten wir reflexhaft die beiden Warlords und banden sie ein. Wir betrachteten uns als pragmatisch. Im Rückblick scheint Wunschdenken eine bessere Beschreibung zu sein.«124

Wäre ein anderer Ansatz erfolgreicher gewesen? Die wichtigste Rolle spielten sudanesische Akteure und Dynamiken. Debatten zwischen internationalen Akteuren spiegelten teilweise die Diskussionen, die es auch in der sudanesischen Zivilgesellschaft gab. Viel­leicht bestand ein zentrales Problem darin, dass der Umgang mit Sudans Gewaltakteuren entweder auf volle Rücksichtnahme oder komplette Zurückweisung hinauslief. Beide Positionen waren unrealistisch. Die hoch mobilisierte Zivilgesellschaft ließ sich nicht wieder verdrängen, auch mit Gewalt nicht. Genauso wenig ließ sich die Dominanz der Sicherheitskräfte über Gewaltmittel und wirtschaftliche Ressourcen wegverhandeln. Während Sudans Transition hätte mehr Priorität daraufgelegt werden müssen, die Macht der Sicherheitskräfte stückweise zu reduzieren, vor allem durch tiefere institutionelle Reformen, internationale Anreize und mehr Distanz.

Schlussfolgerungen und Empfehlungen

Der Krieg in Sudan ist Ausdruck der enormen Risiken, die der Wandel eines festgefahrenen, von Gewalt­unternehmern dominierten autoritären Regimes birgt. Bashirs Sturz war eine Folge der Widersprüche seines Systems, aber nicht dessen Ende. Letztlich ist der Krieg zwischen SAF und RSF eine Spätfolge der Art und Weise, wie das NCP-Regime Aufstände durch Milizen bekämpfen ließ und eine Konkurrenz im Sicherheitssektor aufbaute, um die eigene Herrschaft abzusichern. Seit 2019 ist es den zivilen Kräften nicht gelungen, die Kapazitäten des Sicherheitssektors substantiell zu reduzieren. Vielmehr gab die Macht­teilung in der Übergangsregierung den Sicherheitskräften die Gelegenheit, deren Arbeit zu torpedieren und sich im Fall der RSF in der politischen Struktur des Landes festzusetzen. Da die FFC1 stets einen erneuten Militärputsch fürchten mussten, gerieten sie mindestens implizit in eine Abhängigkeit von den RSF, die Hemedti auszunutzen wusste. Sowohl Hamdok als auch den FFC1 fiel es schwer, diejenige Machtressource entschieden einzusetzen, die ihr größtes Pfund hätte sein können: die Legitimität einer gut organisierten und mobilisierten Zivilgesellschaft.

Deutschland unterstützte Sudans Übergangs­prozesse auf vielfältige Weise. Die Bundesregierung gründete die Kontaktgruppe der Friends of Sudan mit, veranstaltete die erste Partnerschaftskonferenz für Sudan und handelte im UN-Sicherheitsrat zusammen mit Großbritannien das Mandat der politischen Mission UNITAMS aus. Heiko Maas war im September 2019 der erste westliche Außenminister, der die Übergangsregierung in Khartum traf, gefolgt von Bundespräsident Steinmeier im Februar des darauffolgenden Jahres.125 Damit änderte Deutschland seinen außenpolitischen Kurs, hatte die Bundesregierung doch ähnlich wie andere westliche Regierungen noch kurz vor Bashirs Sturz auf eine Annäherung an dessen Regime gesetzt.126

Der Bundestag beschloss 2020, die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit mit Sudan nach dreißig Jahren Pause wieder aufzunehmen.127 Deutschland beteiligte sich auch an Verhandlung, Ausgestaltung und Finanzierung sowohl des Family Support Pro­gramme als auch des multilateralen Entschuldungsprozesses. Mit dem Putsch fielen diese Ansatzpunkte für deutsche Unterstützung jedoch weg.

Für Geberländer wie Deutschland war es schwierig, einen effektiven Zugang zur sudanesischen Demo­kratiebewegung in ihrer gesamten Breite zu finden. Direkt fördern kann das Auswärtige Amt nur Orga­nisationen, die offiziell registriert sind, wovor viele zivilgesellschaftliche Bewegungen zurückschreckten. Mittler­organisationen wie die Friedrich-Ebert-Stiftung und das Goethe-Institut konnten einige Projekte im Bereich Demokratieförderung übernehmen. Die Diskussionen über die Wirtschaftsreformen und Finanz­hilfen orientierten sich aber überwiegend an der Regierung als direktem Gegenüber. Geber wie die Bundesregierung standen vor der Herausforderung, Projekte aufzusetzen, die einerseits den zivilen Teil der Übergangsregierung direkt unterstützen sollten, aber gleichzeitig resilient gegen Verände­rungen wie einem erneuten Putsch sein sollten. Auf das Family Support Programme traf zwar ersteres, nicht aber letzteres zu.

Aus diesen Erfahrungen sollte Deutschland lernen, um einen Beitrag zu leisten, den verheerenden Krieg zu beenden und das Fundament für einen neuen Übergangsprozess zu legen.

  • Die Bundesregierung sollte sich bei ihren regionalen Partnern, welche die Führung in der Vermittlung behalten sollten,128 für einen breiten und inklusiven Mediationsansatz stark machen. Neben Vertretern von SAF und RSF sollten sowohl bewaff­nete Gruppen mit Kontrolle über Territorium als auch ein Spektrum ziviler Akteure in einem Multi-Stakeholder-Format beteiligt werden. Wo von zivi­len Akteuren wie den Mitgliedern des Zusammen­schlusses Taqaddum gewünscht, sollte Deutschland Angebote unterbreiten, die deren Kapazität stärken können, sich wirkungsvoll an einem politischen Prozess zu beteiligen.
  • Deutschland sollte zivile sudanesische Akteure darin unterstützen, Ansätze für den Umgang mit Gewaltunternehmern in einer zukünftigen poli­tischen Ordnung zu entwickeln. Wichtige Themen­gebiete dafür betreffen eine Sicherheitssektor­reform, eine Übergangsjustiz und die Förderung von Rechtsstaatlichkeit. Jeglicher Waffenstillstand, den regionale Akteure mit den Konfliktparteien vereinbaren mögen, wird nur dann zu längerfristigem Frieden führen können, wenn es zumindest die Aussicht auf Eckpunkte einer neuen politischen Ordnung gibt. Die zentrale Herausforderung wird darin bestehen, dass sich auch die Sicherheitskräfte in dieser Ordnung wiederfinden und gleichzeitig einem Abbau ihrer wirtschaftlichen und politischen Macht – wahrscheinlich nur unter Druck – zustimmen.
  • Deutschland sollte sich dafür einsetzen, das materi­elle und militärische Unterstützungsnetzwerk der sudanesischen Gewaltunternehmer auszutrocknen. Firmen, die im EU-Binnenmarkt agieren, sollte ver­boten werden, Geschäfte mit RSF, SAF und ihren jeweils wichtigsten Unternehmen zu machen. Dazu sollten die EU-Mitgliedstaaten sich auf weitere Namen für das im Oktober 2023 eingerichtete Sanktionsregime einigen.129 Zusätzlich zu sudanesischen Firmen sollten diese Maßnahmen ins­besondere emiratische Unternehmen treffen, die Gold von den RSF kaufen und von denen eines wohl sogar einen Sitz in Deutschland hat.130 Um das komplexe Firmengeflecht des sudanesischen Sicherheitssektors und seine internationalen Geschäftspartner aufzudecken, sollte Deutschland ferner einschlägige Investigationskapazitäten bei der EU stärken. Verknüpft werden sollten die Sanktionen mit einer kohärenten politischen Strategie, den Einfluss der Gewaltunternehmer zurückzudrängen und den Krieg zu beenden.
  • Deutschland sollte bei den Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats darauf hinwirken, das UN-Waffen­embargo von Darfur auf ganz Sudan auszudehnen und damit auch das Mandat der UN-Experten­gruppe. Grundsätzlich haben sich sowohl die stän­digen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats als auch die Nachbarstaaten bereits gegen militärische und finanzielle Unterstützung für die Konfliktparteien ausgesprochen.131
  • In der Zusammenarbeit mit einer zukünftigen Übergangsregierung in Sudan sollte die institu­tionelle Verankerung von Reformen stärker im Vordergrund stehen. Das hieße unter anderem, eine parlamentarische Versammlung zu bilden sowie die zivile Kontrolle und Beteiligungsformate auf der Ebene der Bundesstaaten und jener der Kommunen zu stärken. Zwar bedarf es selbst unter Friedensbedingungen großer Ausdauer, den sudanesischen Staat im Sinne der Bevölkerung umzubauen. Dennoch sollte eine neue zivile Regierung ermutigt werden, wichtige Posten in Justiz und Verwaltung nach Kompetenz und nicht nach poli­tischen oder sonstigen sachfremden Kriterien zu besetzen.
  • In der Zwischenzeit sollte die Bundesregierung mit internationalen und nichtstaatlichen Organisationen zusammenarbeiten, welche die sudanesische Zivilgesellschaft und deren politische Selbstorganisation auch unter Kriegsbedingungen langfristig unterstützen. Das sollte die Bereitstellung von Plattformen, Expertise, finanzieller Förderung und Ausbildung von Fähigkeiten einschließen.132 Suda­nesische Akteure haben gezeigt, dass sie trotz der immensen Herausforderungen von Krieg und Ver­treibung in der Lage sind, sich zu vernetzen und zu organisieren.133

Everybody’s Business

The War in Sudan as a Threat to International Peace and Security

This article was published by Verfassungsblog on 21 December 2023.

War has devastated Sudan since it first broke out on 15 April 2023. What started as a power play between the country’s two most powerful armies, the Sudanese Armed Forces (SAF) and the paramilitary Rapid Support Forces (RSF), has since metastasized into a major civil war. International actors have not paid this war the high-level attention it requires and deserves. On 1 December, the UN Security Council decided to terminate the mandate of the UN International Transition Assistance Mission in Sudan (UNITAMS), a political mission originally tasked with supporting Sudan’s transition to democracy. While the Council acted on a short-term request by the Sudanese authorities (controlled by SAF), it has not been able to agree on a substantive resolution since the war started. Driven by divisions, it has abdicated its responsibility under the UN Charter.

In this blog post, I explain why international actors need to pay more attention to what is happening in the strategically located country at the crossroads between the Red Sea and the Sahel, between the Arab and African worlds. The war threatens Sudan’s integrity as a state, displaces millions and draws in neighbouring and other regional countries, all in a region already in turmoil because of coups, insurgencies and violent extremism.

A War within the Security Sector

The conflict originates in a competition between the regular armed forces, the SAF, and the paramilitary force, RSF, for control over the security sector and ultimately the state as a whole. Having dislodged long-term ruler Omer al-Bashir from power in the face of broad public protests in April 2019, SAF and RSF agreed to share power with civilian parties a few months later. In October 2021, they felt the civilians were overreaching, arrested the civilian prime minister and declared a state of emergency. Since then, they have not been able to agree on forming a new government, trying instead to seize power yet again, this time from each other. This has led to the current hostilities.

While the conflict parties increasingly appeal to ethnic and racial identities to mobilize support, many Sudanese do not consider themselves truly represented by either armed force. The SAF, whose leadership comes from the riverine region of Central and Northern Sudan, are supported by elements of the former Islamist government as well as some armed groups. SAF generals look down on the RSF, whose commanders they consider uneducated. The RSF was created out of informal Arab militias, called “Janjaweed”, who embraced an ideology of Arab Supremacy already during the genocidal violence against non-Arab groups such as the Masalit and Zaghawa in Darfur in the West of Sudan twenty years ago. Since then, the RSF have recruited widely among Sudan’s peripheral communities, drawing on citizens of other Sahelian states (such as Chad) and co-opting units from SAF and other armed groups.

The Destruction of a Major African Capital

The war has wreaked havoc on Khartoum and the adjoining cities of Omdurman and Bahri. The RSF have captured most of the tri-state capital area, as they continue to engage in fierce artillery battles with the SAF. RSF troops occupy residential areas and loot vehicles and other valuables on a large scale. Around 37% of Khartoum state’s pre-war population of 9.4 million have left their homes. This will be the bulk of the country’s political and economic elite, its upper and middle class and others with means to make the journey. With records of their properties being deliberately destroyed, they will struggle to return. This is by design: Many RSF fighters, coming from the country’s poor peripheries, feel that the riverine elite that has dominated Sudan for decades has marginalized and instrumentalized them. Thus, while successive Sudanese governments have equipped and supported some Nomad communities, for example, to fight insurgencies for them, Nomad children go to primary school far less often than their peers from displaced communities. For those RSF fighters sensing a lack of respect, this is payback time. The result: a major African capital is falling apart in an effort to reshape the country. In time, this could lead to the split of Sudan into several territories, as the SAF-controlled ministries have already moved their administration to Port Sudan on the Red Sea coast.

The World’s Largest IDP Crisis

Sudan now also presents the world’s largest internal displacement crisis. Since the war started, out of a total population of around 49 million, 5.4 million people have been internally displaced, while more than 1.4 million have crossed into other countries (mainly Chad, Egypt and South Sudan). When fighting broke out, Sudan already had around 3.7 million IDPs, mainly in Darfur, and 800,000 Sudanese were already refugees in third countries. Sudan was also hosting more than a million refugees from other countries such as South Sudan. Many of the latter have now sought to return home (or make their way to third countries). All told, there are likely more than ten million Sudanese that have left their homes both before and after the war started. With every new offensive, there are going to be more people fleeing from one place to the next.

The Commission of International Crimes

What is more, the conflict parties are likely committing international crimes. SAF engages in indiscriminate bombing, killing civilians in the process. RSF fighters and allied Arab militias loot properties, engage in sexual and gender-based violence and kill members of non-Arab groups, in particular Masalit. 68 villages in the greater Darfur area showed signs of fire damage, some were burnt down almost completely.

Many of these atrocities have taken place in West Darfur, where most Masalit used to live. Now around half a million have fled over the border to Chad. A detailed Reuters investigation based on interviews with survivors and open-source information found that the SAF officers had deserted the base in Ardamata in early November when they could no longer defend it. The remaining SAF rank and file and members of an allied Masalit armed group negotiated a surrender with the dominant RSF troops and gave up their weapons in exchange for promises to be spared. Instead, the RSF ordered the men out of the houses and started shooting them, targeting mainly the Masalit. Perhaps 1300 people were killed within two or three days.

Several international actors have classified these and other acts by the belligerents as international crimes, i.e. as erga omnes violations of international law. This means that all states have an obligation to prevent them. On 6 December, the US State Department issued an “atrocity determination”, where it formally found that the SAF and the RSF had committed war crimes and the RSF had committed also crimes against humanity and ethnic cleansing as laid out above. Previously, Alice Wairimi Nderitu, the UN Special Advisor on the Prevention of Genocide, observed after a visit to refugee camps in Chad that many risk factors of genocide were in place. “In Darfur, innocent civilians are being targeted on the basis of race,” she said earlier.

Adding Fuel to Fire

Regional actors further fuel the conflict by delivering arms or allowing those deliveries to take place via their respective territories. The UAE supports the RSF with weapons and vehicles through Chad. Libya (under Haftar), Kenya, Uganda, the Central African Republic and more recently Ethiopia also seem to be involved in facilitating such shipments, as have been Russian mercenaries in Libya and CAR. In contrast, Egypt supports the SAF with weapons and other military support, including guns for tens of thousands of newly recruited SAF soldiers as well as Turkish Bayraktar drones. There have also been reports about Ukrainian drones and special forces supporting SAF, although the sourcing was relatively thin.

Insofar as they enter Darfur, many of those arms deliveries are a violation of the UN Security Council arms embargo on Darfur originally imposed in 2005. Even though it was never very effective as it only applied to one region within a larger country, it still provides ground for in-depth investigations by the UN Panel of Experts whose next report is due in early 2024.

The Threat of Spill Over

The war in Sudan is likely to spill over to neighbouring countries in various ways. Currently, the most-watched case is Chad. President Deby plays a risky balancing game by allowing the UAE to use Chadian territory for arms supplies to the RSF. The RSF have incorporated a significant number of Chadian Arabs and are increasingly getting into conflict with the Zaghawa in Darfur, the same ethnic group of Deby’s governmental elite. Unrest within the Chadian elite may lead to a military coup, or returning Chadian Arab fighters may strengthen armed opposition groups and ignite a civil war.

South Sudan’s transitional government may also feel the heat from the war in Sudan. Angelina Teny, South Sudan’s interior minister, confirmed that South Sudanese have joined both SAF and RSF. These might later return to their home country with their military equipment and join any number of armed opposition groups. Furthermore, small arms are flooding informal markets in Sudan at cheap prices.

Moreover, the hostilities threaten to disrupt the export of oil from the South to markets via the pipelines to Port Sudan. This might bankrupt South Sudan’s kleptocratic government at a time this money is needed to smooth over differences resulting from planned but likely flawed elections in December 2024.

Flawed Mediation Efforts

Mediation efforts by international and regional actors have not succeeded in halting the violence so far. Their response has been lacklustre, with no sustained high-level commitment. Mediators also continue to follow a deeply flawed approach. They focus excessively on SAF and RSF as well as their respective leaders, General Abdel Fattah al-Burhan, SAF’s commander-in-chief, and General Mohamed Hamdan Dagalo, called Hemedti, RSF’s commander.

For example, on 9 December, an extraordinary summit of the Intergovernmental Authority on Development (IGAD), the regional organisation in the Horn of Africa, heard pledges from both Burhan and Hemedti for a personal one-on-one meeting as well as for an “unconditional ceasefire.” This ignores that neither of them appears capable of controlling the war on their own anymore, given the significant role of elements of the former regime, ethnic militias as well as other armed groups, some of which have increased the territory under their control in the Nuba mountains and in Central Darfur. Moreover, IGAD and AU member states lack leverage in holding the belligerents accountable. Within a week after these pledges, the SAF bombed Nyala, the capital of South Darfur, and the RSF started a major offensive in Al Jazeera state in central Sudan, a major humanitarian hub and breadbasket of the country. The RSF captured the state capital Wad Madani within four days.

What is urgently needed is a multi-stakeholder dialogue, something that a joint AU and IGAD team has been preparing for months. However, there are disagreements regarding the participation of the conflict parties as well as representatives of the former Bashir regime, which some civilian parties reject out of hand. It remains to be seen whether the Coordination of Civil Democratic Forces or “Taqaddum”, a new civilian coalition whose preparatory committee was founded in Addis Abba in October, can prove more effective. They are in touch with the conflict parties based on their own roadmap.

A Threat to International Peace and Security

The war in Sudan poses a threat to international peace and security, requiring European actors including Germany to engage more forcefully. Encouraging regional actors to convene a credible multi-stakeholder and potentially sequenced dialogue is one way. States such as the UAE and Egypt that are fuelling the war with arms deliveries should also be held accountable, at least by calling them out. The EU should also start adding names to the sanctions regime on Sudan that it created in October and ensure that companies active in its common market do not interact with the RSF, SAF and their respective economic entities.

Mobilising diplomatic and political capital to stop the war in Sudan is not just the right thing to do, it should be everybody’s business given the high stakes involved.

Die Folgen der Straflosigkeit im Sudan

Im Schatten des Kriegs zwischen den Sicherheitskräften im Sudan greifen die »Rapid Support Forces« (RSF) und verbündete Milizen immer wieder gezielt einzelne ethnische Gruppen an. Nun droht der Konflikt sich auf den Tschad auszuweiten.

Dieser Text erschien am 17.November 2023 bei Zenith Online.

In den vergangenen Wochen konnten die »Rapid Support Forces« (RSF) einige militärische Erfolge im Krieg gegen die Sudanesische Armee (SAF) erzielen. Sie eroberten Kasernen in drei Landeshauptstädten im westlichen Darfur: Nyala (Süd-Darfur), Zalingei (Zentral-Darfur) und El-Geneina (West-Darfur) sowie ein Ölfeld in West-Kordofan. Die paramilitärischen RSF kontrollieren mittlerweile weite Gebiete des Landes westlich des Nils sowie einen großen Teil von Khartum. Mehr als sieben Monate nach Beginn des Kriegs um die Vorherrschaft im Sicherheitssektor ist kein baldiges Ende in Sicht.

Die Gewalt beschränkt sich aber nicht auf Auseinandersetzungen zwischen den Hauptkonfliktparteien RSF und SAF. Beide Seiten nehmen keine Rücksicht auf die Zivilbevölkerung. Die RSF plündern und besetzen private Wohnhäuser, während die SAF mit wenig präziser Artillerie und Luftschlägen auf RSF-Positionen zivile Opfer in Kauf nehmen.

Insbesondere gegen die RSF werden jedoch weit schwerwiegendere Vorwürfe laut: Im August schlugen UN-Experten, die vom UN-Menschenrechtsrat eingesetzt wurden, Alarm, dass die RSF sexuelle Gewalt einsetzten, um die Zivilbevölkerung »zu bestrafen und zu terrorisieren«. Laut Zeugenaussagen entführen RSF-Angehörige Frauen und halten sie unter »Sklaverei-ähnlichen Bedingungen«.

Politische Führer der Masalit sowie Anwälte und Aktivisten wurden gezielt ermordet

Die RSF und verbündete arabische Milizen gehen teilweise gezielt gegen Angehörige einiger ethnischer Gruppen vor. Dies betrifft insbesondere die Masalit, eine nicht-arabische Gruppe, die hauptsächlich in West-Darfur beheimatet ist. Seit dem Beginn des Kriegs sind mehrere Vorfälle bekannt geworden, in denen RSF und verbündete arabische Milizen (die nicht immer klar voneinander zu unterscheiden sind) für Massentötungen von Masalit verantwortlich gemacht werden. Ein erster Höhepunkt dieser Art von massenhafter Gewalt gegen die Masalit war zwischen Ende April und Juni, der zweite Anfang November.

Augenzeugen sprachen davon, dass Menschen in El-Geneina aufgrund ihrer Hautfarbe angegriffen wurden. Männer im wehrfähigen Alter wurden getötet, Frauen vergewaltigt, zivile Einrichtungen geplündert. Politische Führer der Masalit sowie Anwälte und Aktivisten wurden gezielt ermordet. Als Khamis Abdullah Abkar, der Gouverneur von West-Darfur und Führer der »Sudanese Alliance«, am 14. Juni in einem Interview davon sprach, dass die RSF für die massenhafte Gewalt der letzten Wochen verantwortlich sei, während die SAF tatenlos in ihrer Kaserne sitze, wurde er kurz darauf umgebracht. Eine unabhängige Konfliktbeobachtungsplattform, die vom US-Außenministerium unterstützt wird, stufte diese Tat als extralegale Tötung ein.

Angaben über die genauen Opferzahlen sind schwierig wegen des begrenzten Zugangs unabhängiger Akteure. Menschen, die mit den Vereinten Nationen kurz nach ihrer Ankunft in Tschad sprachen, berichteten jedoch übereinstimmend von verwesenden Leichen in den Straßen und am Wegesrand. Allein auf einem Friedhof in El-Geinena sollen mehr als 1.000 Tote bis Mitte Juni begraben worden sein. Die Analyse von Satellitenbildern zeigt, dass zwischen April und Mitte Oktober 68 Orte in der Region Darfur Feuerschäden aufweisen. Einige, die vor allem von nicht-arabischen Minderheiten bewohnt wurden, wurden fast vollständig niedergebrannt.

Ardamata wäre mit bis zu 1.300 Toten das größte Einzelmassaker seit Beginn des Kriegs im April

Hundertausende entflohen dieser Gewalt, mittlerweile über eine halbe Million über die nahe Grenze nach Tschad. Einige Masalit wagten nicht die gefährliche Reise über die Grenze, sondern flohen in die SAF-Basis in Adarmata, einem Vorort von El-Geneina. Als die RSF die Kaserne der SAF dort schließlich am 4. November 2023 einnahmen, verübten sie innerhalb weniger Tage ein erneutes Massaker an den Masalit. Das Un-Flüchtlingshilfswerk UNHCR sprach von mehr als 800 Opfern, eine lokale NGO von 1.300 Menschen, deren Namen sie erfasst habe. Ardamata wäre damit das größte Einzelmassaker seit Beginn des Kriegs im April.

Diese identitätsbasierte Gewalt steht einerseits in einem engen Zusammenhang zum Krieg zwischen RSF und SAF, andererseits hat sie deutlich längere und tiefere Wurzeln. Beide Episoden massenhafter Gewalt ereigneten sich im Zusammenhang mit Kämpfen zwischen RSF und SAF in West-Darfur. Kämpfer der »Sudanese Alliance«, einer bewaffneten Gruppe, die Teil des Juba-Friedensabkommens (JPA) von 2020 ist, verstärkten nach der gezielten Gewalt gegen die Masalit im Frühjahr die Verteidigung der Kaserne, in die sich auch viele Zivilisten geflüchtet hatten.

Die UN wollen Vorwürfen nachgehen, nachdem es auch Angriffe von Masalit-Milizen auf arabische Personen in den letzten Wochen in Ardamata gegeben habe. Dies scheint aber wenig an der Überlegenheit der RSF und arabischen Milizen sowie an der Einseitigkeit der Gewalt gegen die Masalit zu ändern, wie es sie in West-Darfur seit 2019 episodenhaft mehrfach gegeben hat.

Die Gräueltaten der RSF und der mit ihnen verbündeten arabischen Milizen in Darfur verkomplizieren die Vermittlungsbemühungen. Mittlerweile gibt es zwar eindeutige Äußerungen internationaler Akteure, doch diesen Worten Nachdruck zu verleihen, erweist sich als schwieriger: »Was dort geschieht, grenzt an das pure Böse« (Clementine Nkweta-Salami, Stellvertretende Leiterin der UN-Mission in Sudan), » alle Kennzeichen ethnischer Säuberung« (Andrew Mitchell, britischer Staatssekretär für Afrika), »Die internationale Gemeinschaft kann nicht die Augen vor den Geschehnissen in Darfur verschließen und einen weiteren Völkermord in dieser Region zulassen.« (Josep Borell, Hoher Repräsentant der EU).

Der Internationale Strafgerichtshof sieht die derzeitigen Vorfälle als Teil seines 2005 für Darfur erteilten Mandats

Im Oktober setzte der UN-Menschenrechtsrat eine internationale Untersuchungsmission ein, die Beweise für Menschenrechtsverletzungen sammeln soll, die in zukünftigen Gerichtsprozessen genutzt werden könnten. Der Internationale Strafgerichtshof gab im Juli bekannt, dass er die derzeitigen Vorfälle als Teil seines 2005 für Darfur erteilten Mandats sieht. Dass diese Mechanismen abschreckend auf die RSF wirken könnten, ist bisher nicht abzusehen.

Internationale Vermittlungsbemühungen für den Krieg in Sudan haben bisher kein separates Augenmerk auf die besondere Art der Gewalt in Darfur gelegt. Die RSF scheinen sich ohnehin um ihre Versprechen wenig zu scheren. Währen ihre Delegierten in Dschidda sich zur Verbesserung des humanitären Zugangs bekannten, begingen die RSF-Milizen das Massaker von Ardamata. Abdelrahim Dagalo, der Stellvertretende Kommandeur der RSF, der bei den jüngsten militärischen Erfolgen in Darfur zugegen war, sprach kurz danach davon, die »Kriminellen«, die das Land für dreißig Jahre regiert hätten, »endgültig zu eliminieren«.

Derweil kündigt sich eine weitere Eskalation der Gewalt im Kampf um El-Fasher an, die Hauptstadt Nord-Darfurs und letzte Hochburg der SAF in der Region. Am 16. November verkündeten bewaffnete Gruppen aus Darfur, die um El-Fasher Tausende Kämpfer kontrollieren, dass sie ihre bisherige Neutralität aufgeben und auf der Seite der SAF in den Krieg einsteigen wollten. El-Fasher hat über eine Million Einwohner, davon eine halbe Million Binnenvertriebene. Die RSF könnten den Einstieg der bewaffneten Gruppen als Grund nehmen, auch gegen andere nicht-arabische Bevölkerungsgruppen wie die Zaghawa und Fur gezielt vorzugehen, wie bereits vor zwanzig Jahren.

Dies könnte nicht zuletzt die Regierung von Tschad vor weitere Herausforderungen stellen, da ihre Regierungselite aus Zaghawa besteht, aber gleichzeitig den Vereinigten Arabischen Emiraten erlaubt, über Amdjarass im Nordosten Tschads Waffen an die RSF zu liefern. Eine weitere regionale Eskalation des Kriegs in Sudan wird damit wahrscheinlicher.

Sudan: The Legitimization Strategies of Violence Entrepreneurs

Chapter in: Marianne Beisheim (Hg.): Country-level Politics around the SDGs. Analysing political will as a critical element of the Mid-Term Review of the 2030 Agenda and the SDGs, SWP Research Paper 2023/RP 07, 10.07.2023

Sudan faces huge challenges to implementation of the SDGs: political instability following decades of authoritarian rule, armed conflict, a skewed economy in deep macroeconomic crisis, and the impacts of climate change. Consequently, Sudan is among states making the slowest progress towards the SDGs, with an SDG index ranking of 159 out of 163.1

Sudan’s VNR report from 2022 does not pretend anything different. It acknowledges the country’s significant development shortcomings, the lack of suf­ficient current data and the state’s very weak im­plementation capacity in virtually all relevant areas. This apparent honesty is both selective and strategic, however. It omits the single most important factor keeping the Sudanese poor, namely the domi­nance of the security sector in politics and the econo­my. Appear­ing to care for the civilian population is a deliberate legitimization strategy on the part of the authors of the report, which was compiled by the Ministry of Finance and Economic Planning (MoFEP). Its head, Sudan’s Minister of Finance Geibril Ibrahim, is a former rebel, an Islamist and a supporter of the military coup of October 2021. Any international support for sustainable development in Sudan thus needs to adopt an adaptive approach that includes peacebuilding and diplomacy.

Political instability and Sudan’s violent entrepreneurs

Pretending to promote broad-based development when actually engaging in politics that undermine it has a long tradition in Sudan, particularly among its armed movements. Peace agreements are full of nor­mative language, as are the pronouncements of elite negotiators purporting to serve the interests of mar­gin­alized populations in the periphery. Power- and rent-sharing arrangements are the core objectives of Sudan’s violent entrepreneurs.2 These include regular security forces, paramilitary forces, irregular militias and armed movements, who compete or cooperate on the basis of temporary shared interests.3

SDG implementation came to a halt in recent years as Sudan experienced considerable upheaval and lacked effective government. The breakdown culmi­nated in military conflict in April 2023. Country-wide demonstrations in 2019, provided the motivation for a palace coup that ousted Omar al-Bashir after nearly thirty years in power. A civilian-military transitional government took the reins in August 2019, led by the former UN official Abdalla Hamdok. The military and security forces retained influence in the Sovereign Coun­cil (the collective presidency) and in security-related cabinet portfolios. In October 2020, the gov­ernment signed the Juba Peace Agreement (JPA) with thirteen armed movements across the country. They joined the government in February 2021, and Geibril Ibrahim became minister of finance.

Having supported the military in sidelining civil­ians, he and fellow JPA signatories remained in office when security forces arrested Prime Minister Hamdok and some of his ministers on 25 October 2021.

Since the coup, Sudan has had no fully functioning government. The military did not replace civilian min­is­ters who resigned, instead promoting undersecretaries to become acting ministers. General Fattah Abdel al-Burhan, the head of the Sudanese Armed Forces (SAF) and chair of the Sovereign Council, claimed that he had seized power only to “correct” the path of the popular revolution that started in December 2018.4 When the military realized they could not succeed, Burhan announced he would be ready to hand over power to a civilian government that was either elected or created by “consensus”.5 On 5 December 2022, after months of behind-the-scenes negotiations, a framework agreement was finalized between the military and a coalition of civilian groups. Geibril and his allies rejected the framework agree­ment because it included a review of the earlier peace agreement, which guaranteed them their positions.6 Negotiations on outstanding issues for a final agree­ment escalated into armed conflict between the SAF and the paramilitary Rapid Support Forces (RSF) shortly before a planned handover to a civilian gov­ern­ment in April 2023.

The VNR’s selective treatment of development challenges

The preparation of Sudan’s second VNR fell in the period after the October 2021 coup.7 This put the draft­ers in the interesting position of describing the achievements of a transitional government for whose demise their military allies were responsible. The fact that Sudan decided nevertheless to submit the VNR in such a volatile situation points to the main purpose of the report: courting international favour for an ille­gitimate government. The government also wanted to restart international financial support and debt relief, as highlighted in the VNR’s opening statement and again in the conclusion.

The main purpose of the report lies in courting international favour for an illegitimate government.

The report includes an initially perhaps surprisingly open acknowledgement of Sudan’s development chal­lenges. It describes Sudan’s three-digit inflation and negative economic growth and mentions the escala­tion of “tribal and intercommunal violence”.8 Given that the process was still ongoing when the report was submitted, it can only acknowledge that “consul­tations with assistance from the international and regional partners to resolve the political crises and con­tinue the path towards peace and democratic transition” were taking place.9

The report’s description of Sudan’s (lack of) achieve­ments in ending extreme poverty (SDG1) demonstrates important characteristics that apply across its treatment of the Agenda 2030. It acknowledges the dire situation, citing data where available. On poverty, the only source is a projection based on the government’s last national household budget and poverty survey from 2014/15, which was prepared in the con­text of the transitional government’s work with the IMF and the World Bank on a poverty reduction strat­egy paper. According to the VNR, poverty in­creased to 64.2 percent in 2020, up from 46.5 percent in 2009.10 Even that could be an undercount according to the director of the then new Social Security Commission in 2020, who spoke of 77 percent of the population living on less than US$1.90 per day.11

The disparities in the poverty count underline the lack of reliable current data. The VNR report acknowl­edges that gap and notes that the lack of disaggregated current socio-economic data makes it very difficult to identify those most affected by the lack of develop­ment and thus ensure that no one is left behind, a core objective of the Agenda 2030.12

The absence of regionally disaggregated economic data is not simply a consequence of the lack of state capacity, but is rooted in wilful government policy going back to colonial times. The British colonial administration wanted “to avoid publishing numbers about Sudan’s economy for fear of making regional inequities obvious to the public. Rather than buck this trend, subsequent post-independence regimes fol­lowed suit”, write Matthew Benson and Musan Alneel on the basis of their study of Sudan’s tax system.13

The transitional government had identified a strat­egy to reduce poverty, which the VNR presents as a response to the dire situation. The heart of that gov­ern­ment’s development strategy – prepared in con­junction with its international partners – was aboli­tion of the fuel subsidy and floating of the Sudanese currency. The short-term pain was to be alleviated by a broad cash-transfer programme funded by donors. The Sudan Family Support Programme or Thamarat was to provide up to 80 percent of the population with the equivalent of US$5 per month. Its roll-out was delayed because the US government first needed to delist Sudan from its list of State Sponsors of Ter­ror­ism. Under enormous economic pressure, the Sudanese government cut the subsidies – resulting in huge price rises for transport and food. A pilot of the Thamarat project was launched in February 2021, but quickly stopped after the European Union, the United States, Germany and the World Bank halted their funding following the October coup, depriving 9.2 million registered beneficiaries of future assis­tance.14

As well as send a message to the coup leaders, donors wanted to prevent misuse of funds. Inter­national funding had flowed through a multi-donor trust fund into the coffers of the Sudanese Central Bank. The influx of foreign currency stabilized Sudan’s reserves, allowing the government to finance imports of food and other commodities, and thus stabilized the fragile transitional government. Abort­ing funding for the trust fund and thus for the Thamarat programme was intended to avoid propping up the coup author­ities, whose ministry of finance also controlled the Central Bank.

The government’s narrative ignores the most significant obstacle to in­clusive and sustainable development: the dominance of the security sector.

In short, the VNR describes Sudan’s dire situation relatively accurately, in a way that serves the interests of the government and in particular the armed move­ment–led ministry of finance.15 The report locates the causes of the problems in the long rule of the for­mer Bashir regime, against which the armed move­ment fought and which the coup government pur­ported to overcome in accordance with the Sudanese revolution. The programmes and projects of the tran­sitional government of 2019 to 2021 are presented as still providing a response to this legacy. This narrative might suggest that all that is needed is for Sudan’s international partners to resume their funding. That, however, would be to ignore the most significant ob­stacle to inclusive and sustainable development: the dominance of the security sector, and the political sys­tem it has created to serve its interests.

Conflict and military repression as central development challenges

Sudan has been ruled by authoritarian military lead­ers for most of its post-independence history. Suc­cessive governments created an exploitative sys­tem based on the extraction of resources from the periph­eries for the benefit of urban elites in the centre.16 Where populations resisted such extraction, governments deployed significant force to maintain the sys­tem. Sudan has experienced armed conflict for most of its history, with fighting and violence against civil­ians located almost exclusively in the peripheries.17

The Sudanese Armed Forces and other security actors became strongly engaged in the economy. This impeded the development of the private sector, but allowed the military to control vast swathes of the country’s resources and productive economy. Key stakeholders were appointed to positions of authority in exchange for their loyalty.

One of the armed movements formed in response to state violence was the Justice and Equality Move­ment (JEM), led by Geibril Ibrahim from 2012. Once a considerable military force, JEM largely disintegrated over peace talks with the government and was defeated by government forces and expelled from Darfur in 2015. After that, it had only a few hundred troops in South Sudan and Libya.18 The JPA gave JEM and other signatories a new lease of life.

Against this background, Sudan’s 2022 VNR report serves a clear purpose. Both the coup government and Geibril personally have an incentive to emphasize their supposedly popular credentials, while distracting from their lack of legitimacy. Indeed, Geibril’s own support base is now so narrow that he travelled to Darfur in January 2023 “under heavy protection” for fear of attacks from his own Zaghawa tribe.19 Any international aid would allow him to bolster his lead­er­ship ambitions, both across Sudan and within Darfur.

Implications for donor governments

Ensuring effective international support for accelerated SDG implementation is immensely challenging in a situation of armed conflict and state capture by vio­lence entrepreneurs. Donors need to ensure that their aid does not strengthen – even inadvertently or in­directly –the extremely exploitative and extractive system keeping most Sudanese poor. At the same time, a highly risk-averse approach would essentially shift the burden to humanitarian aid. Some communities, for example in IDP camps, have received food aid for decades, keeping whole generations aid de­pend­ent.

Since the October 2021 coup, international devel­op­ment partners have started to reorientate. Inter­national officials repeatedly warned the military government that time was running out to access the funds and programmes that had been granted to the transitional government but were blocked after the coup.20 Sudan’s debt relief process under the Heavily Indebted Poor Countries Initiative (HIPC) was effec­tive­ly halted, as was progress on Sudan’s poverty reduc­tion process agreed with the World Bank and IMF.21

Even if a civilian government is finally formed, its absorption and implementation capacity will remain very limited. In the past, donors found it difficult to get the detailed applications and reports needed to fulfil their funding requirements. As a result, it was easier to plan around the state structures. While such a procedure allows projects to proceed for the benefit of civilian populations, it undermines the govern­ment’s ownership and capacities. Any new government would need to revise or at least update the existing development planning documents.

Finally, the security sector will remain a significant impediment to any civilian government and to inter­national donors willing to fund implementation of the SDGs. Supporting basic service delivery removes the government from its responsibility in that core area to some extent, especially when projects are implemented beyond government structures. Inter­national funding of schools, hospitals and utilities allows the government to continue spending large amounts of its own budget on the security sector and to maintain fiscal practices benefitting military-owned companies. Moreover, it is likely that the military will resist giving up its control of a large section of state-owned companies to a new civilian government; this was already a major sticking point during the 2019–2021 transitional government. Com­panies, banks and other entities owned or con­trolled by the paramilitary RSF may be even harder to transfer to civilian control. There is no transparency about their budgets and profits. As an indication of their wealth, the IMF reported a “non-transparent con­tribution of $2 billion from security sector owned companies” into the state budget in 2020.22

The 2030 Agenda recommends more integrated approaches to sustainable development. In Sudan this would be a development approach that includes peace­building and humanitarian concerns (the “triple nexus”) and is guided by an adaptive political strat­egy.23 An adaptive approach acknowledges complexity and uncertainty and thus allows for continuous moni­toring, evaluation and learning processes above and beyond conventional project-based programming cycles. It could include, for example, small pilot projects with state-level or local governments, which could quickly be expanded or adjusted if they prove successful.

Recent research calls for a more fundamental re­think of development cooperation in conflict settings in general. Specifically, donors should take the exist­ing coping mechanisms, perceptions and relationships of local communities more seriously in their programming decisions.24 Unpacking the political economy of conflict-affected countries’ SDG reporting should be part of such reflections.

Stopping the War in Sudan

Civilian actors, not just the parties to the conflict, should lead the peace negotiations

SWP Comment 2023/C 28, 22.05.2023, co-authored with Hager Ali

Sudan’s two main security forces are fighting each other. A swift military outcome is not to be expected in view of the relatively balanced power between the Sudanese Armed Forces (SAF) and the Rapid Support Forces (RSF). This strategic stalemate means that the chances for successful mediation are not hopeless. For this to happen, how­ever, Sudan’s international partners would have to abandon the approach that domi­nated negotiations for decades, namely giving violent actors a leading role in nego­tiations. Civilian actors formed a broad anti-war coalition that should set the tone for peace talks from the very beginning. This could well be in the interest of the parties to the conflict, as they will need a third actor to arbitrate their relationship in the future. The German government should strive for stronger coordination of the inter­national mediation approaches under civilian leadership from Sudan, while the Euro­pean Union (EU) should initiate constrains on the financial leeway of Sudan’s violent actors.

Fierce fighting has rocked Sudan since 15 April 2023. The worst-case scenario that had long been feared has occurred: an open armed struggle between the SAF, led by Gen­eral Abdel Fattah al-Burhan, and the RSF, which is under the command of General Mo­hamed Hamdan Dagalo, known as Hemedti.

In contrast to previous wars, these clashes are not only taking place in Sudan’s long-suffering periphery, but also in the greater metropolitan area formed by the megacities of Khartoum, Omdurman, and Bahri. The fighting makes it difficult to supply the popu­lation and already led to massive price in­creases for everyday goods.

If the fighting continues, the dangers for the country and the region are immense. Hunger, a lack of basic services, and mas­sive refugee movements would be the result. The Islamist movement in Sudan could gain further influence. Civilians who feel threatened could arm themselves for self-protection, while the existing armed groups could join either side. The fragile neighbouring countries could be destabi­lised themselves, and provide space for jihadist actors.

Interests of the conflict parties

The long-standing rivalry between the SAF and the RSF has intensified with Hemedti’s political rise after the ouster of dictator Omar al-Bashir. Bashir deliberately created the RSF in 2013 as a counterweight to the SAF and the equally powerful National Intel­li­gence and Security Service (NISS, now Gen­eral Intelligence Service, GIS). Compe­tition in the security sector was meant to stabilise Bashir’s rule in one of the most coup-prone countries in the world. The com­plementary operational specialisation of the SAF and the RSF allowed the two military organisations to co-exist in the same state.

Bashir’s strategy of securing power failed because he ran out of resources to continue funding subsidies to the population and loyalty payments to the security sector. His closest allies turned against him in the face of nationwide protests that began in De­cem­ber 2018, not least because some SAF units also showed sympathy with the demonstrators (including children of influential SAF generals). Although the alleged architect of the plot, NISS chief Salah Gosh, went into exile, the Islamist loyalists of Bashir’s regime held Hemedti, in particular, respon­sible for the overthrow of the system, as he had made a 180-degree turn from being Bashir’s protector to his opponent.

In April 2019, the new Commander-in-Chief of the Armed Forces, Burhan – de­pend­ing on the battle-hardened and ruth­less RSF – made Hemedti the Vice-Chair­man of the Transitional Military Council. But the marriage of convenience between the two generals set the collision course between the SAF and the RSF.

For the SAF and Islamist forces among them especially, it is unacceptable that the RSF, as a de facto parallel army, can operate independently and with its own sources of income within the same state. The relative strength of the RSF also makes it difficult for the SAF to gain full control over the execu­tive, as Sudan’s previous authoritarian governments have been able to do. There­fore, the SAF’s goal is to dissolve the com­peting security force. Successfully integrat­ing the RSF would increase the military’s effectiveness and minimise coup risks.

Conversely, Hemedti wants to maintain the independence of his RSF for as long as possible and not be subordinated to a mili­tary that is riddled with officers who dislike him and his troops. After the military coup in October 2021, Burhan brought back thousands of civil servants who had pre­viously been dismissed for their loyalty to the Bashir regime. High-ranking represen­tatives of the former regime were released from prison. The Sudanese Islamist Move­ment under former Foreign Minister Ali Karti makes no secret of its support for the SAF.

Hemedti is said to have political ambitions for the highest state office. For this, he would have to considerably broaden his political base, which would become more difficult if his RSF were to be absorbed into the armed forces. Experts estimate that the economic empire of the RSF and the Dagalo family accounts for half of Sudan’s eco­nomic output. Hemedti thus benefits direct­ly from the RSF’s military capabilities and has de­ployed them in Darfur to forcibly capture gold mines.

The SAF and the RSF are equally concerned with preserving their privileges and achieving dominance in a future political order in Sudan. To that end, they are seek­ing legitimacy among the Sudanese public and international actors.

Strategic stalemate

Both the SAF and RSF will emerge from this war weakened even if one of the two par­ties should succeed. Presently, neither stands to win this conflict militarily or politically in the near future. The sooner they realise that they are in a strategic stalemate, the sooner they could gear up for serious peace talks.

Estimates for troop numbers in the SAF and RSF vary widely, especially as both have recruited heavily recently. However, the SAF and RSF control a comparable num­ber of troops, with the SAF additionally drawing on units from the GIS and the Cen­tral Reserve Police. The military specialisations of the SAF and RSF make it difficult for either force to gain the upper hand; the SAF is designed for conventional warfare with heavy weapons and the defence of fixed positions. The RSF, as a pure ground force, operates in a highly mobile manner with selective attacks that are often accom­panied by marauding.

Consequently, neither the SAF nor the RSF are adequately prepared for extended urban warfare in Greater Khartoum. The SAF is unable to chase the much more mobile RSF through the streets, whereas the SAF’s air superiority led the RSF to evacuate its bases in the capital and invade the pri­vate homes of civilians. The RSF, on the other hand, is having difficulty with their supply lines. In Khartoum, both are fiercely battling over strategic locations such as the presidential palace, the military head­quarters, and the bridges over the Nile.

The RSF and the SAF run the risk of frag­mentation due to the war and the possible involvement of other armed groups. Through recruitment and alliances, the RSF has troops from many parts of Sudan other than its area of origin in Darfur. RSF per­sonnel also includes members of third coun­tries, such as Chad and other Sahelian countries, who act primarily in an oppor­tunistic manner. Islamist forces within the SAF may operate on their own after a certain point. The battle of attrition is ruinous for the military capabilities of the two opponents.

Politically, the SAF and RSF will emerge weakened from the violent conflict in any case. Consolidating their coup attempt had already failed before because they did not succeed in co-opting civilian political par­ties, unlike military governments before them. Burhan did bring members of the banned National Congress Party back into public life, but he could not afford to pub­licise the partnership. For that, protests of Sudanese civil society against his actions were too strong. Moreover, an openly Islamist government would have led to fric­tion with Sudan’s most important partners in the region – such as Egypt, the United Arab Emirates (UAE), and Saudi Arabia. Although the UAE and Saudi Arabia had promised the military regime under Burhan and Hemedti a financial injection of $3 bil­lion after Bashir’s fall, donors are now show­ing more restraint. A multi-billion dollar in­vestment from the UAE in a port with sur­rounding industrial estate has been re­peat­ed­ly postponed and was only announced after an agreement in principle on a civil­ian government in December 2022.

The Gulf states know that the Sudanese economy will continue to deteriorate with­out continued macro-economic reform programmes from the International Mone­tary Fund, a reduction of Sudan’s foreign debt of more than $50 billion, and without support from the World Bank and Western governments – which would be bad for their investments.

These prospects were known long before the fighting broke out in Khartoum. A pro­longed war would not be in the interest of both, the SAF and the RSF. There are indi­cations that neither party to the conflict wanted this kind of confrontation, even though both mobilised and escalated the situation. It is likely that one side saw an opportunity for a decisive victory or to pre-empt a foreseeable attack by the other. Similar escalation dynamics have occurred in the past, most recently in February and early March. However, Sudanese and inter­national mediators had managed to defuse those situations before force was used. Some observers, such as Sudanese analyst Kholood Khair, suspected that this postur­ing of escalation and de-escalation was a tactic by the security sector to avoid un­welcome compromises in the negotiations for a civilian government. At the time, Khair also warned of an armed confrontation between the two forces with “disastrous consequences”.

Deals with violent actors have failed

The peace and transition processes that Sudan engaged in over the past decades have always given a disproportionate role to violent actors. The use of violence as a means of asserting interests is often rewarded within the logic of agreements that are initiated under such auspices and reached through international mediation. Rebel groups have long learnt this lesson: If you want attention and a place at the negotiating table, be as aggressive as pos­sible.

This dynamic is widespread in the Horn of Africa, and the SAF and RSF behave ac­cordingly. They are used to deploying brute force to deliberately violate the rules – and to get their way.

Diplomats usually justify their approach to these perpetrators with pragmatism and realpolitik, believing that any agreement is better than war and violence. Sudan is a good example of the flaws in this argu­ment. Conflict-related violence in Darfur increased after the Juba 2020 peace agree­ment; the deal revitalised rebel groups that no longer had troops or relevant constituencies in Sudan itself, and it brought them into the transitional government.

Sudanese security forces were able to gain more and more power during the interim civil–military government estab­lished in 2019, even as Sudanese civil society proved its organising power in spite of massive violence by security forces. This was partly due to the behaviour of the Forces of Freedom and Change, which could not agree on how to distribute seats in the new transitional legislative assembly. In­stead, they allowed Hemedti and Burhan to influence the day-to-day affairs of gov­ern­ment. The military not only co-wrote the rules, but interpreted them arbitrarily as well.

It is no wonder that former international diplomats, such as the former US special envoy to the Horn of Africa, Jeffrey Felt­man, now reject this supposedly pragmatic approach. It presumes that the generals are well-intentioned actors who abide by agree­ments. They are not.

Competition for mediation

The conflict parties will likely become more serious about peace talks when they realise that they can no longer make advances through military force.

The many regional and international actors pursuing interests in and with Sudan would therefore have to pursue a unified line. Above all, Egypt, the UAE, and Saudi Arabia should signal to the conflict parties that they should not expect any military support from them.

This is quite possible. No country in the region has stands to gain from a full-blown civil war in Sudan. Many foreign governments have sympathies for one side or the other, but none has yet officially expressed support for any party. On the contrary, at the initiative of the African Union (AU), neigh­bouring countries and relevant other governments – including all permanent members of the United Nations (UN) Secu­rity Council – condemned the war and opposed external interference.

Nevertheless, competition for the leadership of peace talks is already taking shape. In the end, that will only benefit the violent actors themselves who will choose the frame­work that preserves their greatest pos­sible freedom, whether individually or in relation to civilian parties.

The United States and Saudi Arabia suc­ceeded in convincing the SAF and the RSF to send delegations to Jeddah, where the opponents have been negotiating a humani­tarian ceasefire since 6 May 2023. Although the mediators are in contact with the civil­ian Forces of Freedom and Change, they are not directly involved in the talks, which are not supposed to be about ending the war. Washington and Riyadh ultimately rep­resent the same approach to elite deals that have failed time and again. The US govern­ment’s pressure on the military to stick to the timetable to establish a civilian gov­ern­ment contributed to the escalation, even though there was no full agreement on the core issue of security-sector reform before­hand. The United States’ Africa envoy and chief negotiator, Molly Phee, was partly responsible for the peace processes in South Sudan and Afghanistan that failed spec­tacularly.

From the perspective of the conflict par­ties, the invitation for talks in Juba by South Sudan’s president, Salva Kiir Mayar­dit, is even more attractive. Although Kiir is acting on behalf of the Intergovernmental Authority on Development (IGAD), he has his own interests; he is concerned about the security of oil exports via Port Sudan, on which South Sudan’s national budget depends almost exclusively. Sudan and South Sudan already negotiated several peace agreements. But since agreements were purely transactional power-sharing arrangements between violent entrepreneurs, civilian actors were, at most, mar­ginally involved.

IGAD mediations stand a better chance if Kenya’s president, William Ruto, were to become more involved. Together with the heads of government of South Sudan and Djibouti, Ruto was mandated by an IGAD summit for peace talks in Sudan, and he already spoke out against continued mili­tary rule in Sudan. Kenya also plays a con­structive mediation role in Ethiopia and eastern Congo.

The US-Saudi-led initiative at least brings together very influential countries. Other mediation offers from Turkey, Ethiopia, Israel, and AU Commission President Moussa Faki Mahamat would have less of a chance, especially because these actors are very close to the Sudanese security sector themselves.

It is, therefore, even more important that the EU and the German government ad­vocate a different approach to negotiations with the international partners men­tioned above. Germany could build on its leading role at the beginning of the Suda­nese transition process, when the German government helped establish the diplomatic contact group “Friends of Sudan”, organised the first partnership conference with and for Sudan, and, together with the United Kingdom, led the negotiations of the UN Mission in Sudan’s (UNITAMS) mandate in the UN Security Council. The “Friends of Sudan” bring together Sudan’s key Western and Arab partner countries in informal but regular exchanges.

Putting civil actors in the lead

What could an alternative approach look like? It would have to start with a different attitude towards the instigators of violence. Mediators should not believe their promises. Instead, mediators should assume that they will use every opportunity to their own advantage and disregard the rules. The repeatedly broken ceasefires are an expres­sion of this dynamic.

From this stance, greater pressure would have to be exerted on the perpetrators of violence, also to limit their financial and diplomatic room for manoeuvre. The United States and the EU should impose financial and travel sanctions on selected individuals and institutions. However, they should be careful not to further complicate daily life for the citizens of Sudan. For exam­ple, civilians also have accounts in banks that are majority-owned by the security sector.

The parties to the conflict may well devel­op a vested interest in deferring to a civilian government. They cannot just go back to the status quo ante in which they shared power between themselves. Since no military victory is expected soon, they will need a third party to moderate their mutual relationship after the war. A civilian gov­ern­ment and unified international actors could play this mediating role. They could moderate a structured process that both frees the SAF from Islamist influence and integrates all militias, including the RSF, thus gradually dissolving them.

Germany should push for a leading role among the political parties and other civil society actors in possible peace talks. Major parties, trade unions, resistance commit­tees, women’s organisations, and other non-governmental initiatives and associations have already formed a broad anti-war coalition. This Civil Front offers a credible, constructive counterweight to the generals. Efforts by traditional leaders and local vol­unteer committees to negotiate and moni­tor geographically limited ceasefires are en­couraging, too. Volunteers also provide first aid to victims of armed confrontation, safe escape routes, and organise assistance.

Within the Friends of Sudan, which it co-initiated, the German government should argue against taking any side among the con­flict parties and work to ensure that the Sudanese anti-war coalition is quickly given the leading role in negotiations. International pressure should not exacerbate the confrontation between the violent actors any further, as it did in the weeks before the war broke out. Rather, the newly formed Civil Front should decide what kind of in­ter­national support it wants, and which form of support would be more detri­mental to its cause.

Conclusion

Undoing the influence of the security forces in the economy, politics, and society will take a long time. The minimum ambition of any civilian government should be to stop the growing hegemony of the security sector in the short term. The unity of the civilian anti-war coalition could easily falter in new negotiations if political parties try to outmanoeuvre each other again. The experi­ence of the massive fighting in recent weeks should therefore also lead to a re­think among Sudanese politicians.

Setbacks, including renewed coup attempts, are probable, given authoritarian instincts of violent actors. A new approach in Sudan would not immediately and fully lead to freedom, peace, and justice – the slogan of the 2018/19 revolution. But it offers the best hope that Sudan will take a more stable path towards it. Putting civilian actors at the centre is thus more “realistic” than any deal that only involves the generals.

Hager Ali is a Research Fellow at the GIGA Institute for Middle East Studies and in the GIGA PhD Programme. Dr Gerrit Kurtz is an Associate in the Africa and Middle East Research Division at SWP.

Den Krieg in Sudan stoppen

Zivile Akteure, nicht allein die Konfliktparteien, sollten die Friedensverhandlungen führen

SWP-Aktuell zusammen mit Hager Ali (GIGA Institut), erschienen am 15.5.2023

In Sudan kämpfen die wichtigsten Sicherheitskräfte des Landes gegeneinander. Eine schnelle militärische Entscheidung ist angesichts des relativ ausgeglichenen Kräfteverhältnisses zwischen den Sudanesischen Streitkräften (SAF) und den Rapid Support Forces (RSF) nicht zu erwarten. Durch dieses strategische Patt sind die Chancen auf eine erfolgreiche Vermittlung nicht ausweglos. Dafür müssten Sudans internationale Partner aber von dem seit Jahrzehnten dominierenden Ansatz Abstand nehmen, Gewaltakteuren die Hauptrolle in Verhandlungen zuzugestehen. Zivile Akteure haben eine breite Anti-Kriegs-Koalition gebildet, die bei Friedensgesprächen von Anfang an den Ton angeben sollte. Dies könnte durchaus auch im Interesse der Konfliktparteien sein, denn diese brauchen einen dritten Akteur, der ihr Verhältnis in Zukunft mode­rieren kann. Die Bundesregierung sollte sich um eine stärkere Koordination inter­nationaler Vermittlungsansätze unter ziviler Führung aus Sudan bemühen. In der EU sollte sie eine Initiative zur Eingrenzung des finanziellen Spielraums der sudanesischen Gewaltakteure anstoßen.

Seit dem 15. April 2023 erschüttern heftige Kämpfe Sudan. Das schon lange befürchtete schlechteste Szenario ist eingetreten: ein offener bewaffneter Kampf zwischen den SAF unter Führung von General Abdel Fattah al-Burhan und den RSF, die unter dem Befehl von General Mohamed Hamdan Dagalo, genannt Hemedti, stehen.

Im Gegensatz zu früheren Kriegen finden diese Auseinandersetzungen nicht nur in Sudans leidgeplagter Peripherie statt, son­dern auch in der Agglomeration, die von den Millionenstädten Khartum, Omdurman und Bahri gebildet wird. Die Kämpfe er­schweren die Versorgung der Bevölkerung und haben bereits zu massiven Preisanstie­gen für Güter des täglichen Bedarfs geführt.

Falls die Kämpfe länger andauern sollten, sind die Gefahren für das Land und die Region immens. Hunger, Unterversorgung und massive Fluchtbewegungen sind zu befürchten. Die islamistische Bewegung in Sudan könnte weiter an Einfluss gewinnen. Zivilisten, die sich bedroht fühlen, könnten sich zum Selbstschutz bewaffnen, während die schon existierenden bewaffneten Grup­pen sich auf eine der beiden Seiten schlagen könnten. Die fragilen Nachbarländer könn­ten selbst destabilisiert werden und Raum bieten für jihadistische Akteure.

Interessen der Konfliktparteien

Die seit langem bestehende Konkurrenz zwischen den SAF und den RSF hat sich durch Hemedtis politischen Aufstieg nach dem Fall des Diktators Omar al-Bashir ver­schärft. Bashir hatte die RSF 2013 bewusst als Gegengewicht gegen die SAF und den ebenfalls mächtigen National Intelligence and Security Service (NISS, heute General Intelligence Service, GIS) aufgebaut. Der Wettbewerb im Sicherheitssektor sollte Bashirs Herrschaft in einem der putsch­anfälligsten Länder der Welt stabilisieren. Die komplementären Einsatzfelder der SAF und der RSF ermöglichten es den beiden Militärorganisationen, im selben Staat zu koexistieren.

Bashirs Strategie der Machtsicherung miss­lang, weil ihm die Ressourcen ausgingen, um weiter Subventionen an die Bevölkerung und Loyalitätszahlungen für den Sicherheitssektor zu finanzieren. Seine engsten Verbündeten wandten sich an­gesichts landesweiter Proteste seit Dezember 2018 gegen ihn, nicht zuletzt deshalb, weil auch einige SAF-Einheiten Sympathie mit den Demonstrierenden (darunter Kinder einfluss­reicher SAF-Generäle) zeigten. Wäh­rend sich der mutmaßliche Architekt des Kom­plotts, NISS-Chef Salah Gosh, ins Exil ab­setzte, machten die islamistischen Anhän­ger von Bashirs Regime insbesondere Hemedti, der eine 180-Grad-Volte von Bashirs Be­schützer zu dessen Gegner voll­zog, für den Sturz des Systems verantwortlich.

Angewiesen auf die kampferprobten und skrupellosen RSF machte Burhan als neuer Oberbefehlshaber der Streitkräfte Hemedti im April 2019 zum Stellvertretenden Vor­sitzenden des Übergangsmilitärrats. Doch die Zweck­gemeinschaft der beiden Generäle stellte bereits die Weichen für den Kolli­sionskurs zwischen den SAF und den RSF.

Für die SAF und vor allem für islamistische Kräfte in ihrer Mitte ist es nicht hin­nehmbar, dass mit der RSF eine De-facto-Parallelarmee unabhängig und mit eigenen Einkommensquellen im gleichen Staat ope­rieren kann. Die relative Stärke der RSF er­schwert es den SAF auch perspektivisch, die volle Kontrolle über die Exekutive auszuüben, wie die bisherigen autoritären Regie­rungen Sudans es vermochten. Daher ist es das Ziel der SAF, die konkurrierende Sicher­heitskraft aufzulösen. Eine erfolgreiche In­tegration der RSF würde die Effektivität des Militärs erhöhen und das Putschrisiko mini­mieren.

Umgekehrt will Hemedti die Unabhängig­keit seiner RSF so lange wie möglich erhal­ten und sich nicht einem Militär unterord­nen, das durchsetzt ist mit Offizieren, die ihn und seine Truppe ablehnen. Nach dem Militärputsch im Oktober 2021 hat Burhan Tausende Bedienstete zurück in den öffent­lichen Dienst geholt, die wegen ihrer Loya­lität zum Bashir-Regime vorher entlassen worden waren. Hochrangige Repräsentan­ten des früheren Regimes kamen aus dem Gefängnis frei. Die Sudanesische Islamisti­sche Bewegung unter dem früheren Außen­minister Ali Karti macht aus ihrer Unterstützung für die SAF keinen Hehl.

Hemedti werden politische Ambitionen auf das höchste Staatsamt nachgesagt. Da­für müsste er seine politische Basis deutlich verbreitern, was schwieriger würde, wenn seine RSF in den Streitkräften aufgingen. Das ökonomische Imperium der RSF und der Familie Dagalo macht nach Schätzungen eines Experten die Hälfte der sudanesischen Wirtschaftsleistung aus. Hemedti pro­fitiert somit direkt von den militärischen Kapazitäten der RSF. In Darfur hat er sie zur gewaltsamen Einnahme von Gold­minen eingesetzt.

Sowohl den SAF als auch den RSF geht es also darum, ihre Privilegien zu wahren und Dominanz in einer zukünftigen politischen Ordnung in Sudan zu erlangen. Dafür stre­ben sie nach Legitimität in der sudanesischen Öffentlichkeit und bei internationalen Akteuren.

Strategisches Patt

Sowohl die SAF als auch die RSF werden aller Voraussicht nach geschwächt aus diesem Krieg hervorgehen, auch wenn eine der beiden Parteien Erfolge erzielen sollte. Derzeit ist es jedoch wahrscheinlich, dass beide diesen Konflikt weder militärisch noch politisch in nächster Zeit für sich ent­scheiden können. Je schneller sie einsehen, dass sie sich in einem strategischen Patt befinden, desto eher könnten sie bereit für ernsthafte Friedensgespräche sein.

Schätzungen über die genaue Truppengröße der SAF und der RSF gehen weit aus­einander, zumal beide Kampfverbände stark rekrutiert haben in letzter Zeit. SAF und RSF kontrollieren jedoch eine vergleichbare Größenordnung von Truppen, wobei die SAF noch auf Einheiten von GIS und der Central Reserve Police zurückgreifen. Die militärischen Spezialisierungen der SAF und der RSF erschweren es beiden Streit­kräften, die Oberhand zu gewinnen: Die SAF ist auf konventionelle Kriegsführung mit schweren Waffen und auf die Verteidigung von stationären Ein­richtungen aus­gelegt. Die RSF operiert als reine Boden­truppe hochmobil mit punk­tuellen An­griffen, die oft von Plünderungen begleitet werden.

Keiner der Kontrahenten ist damit auf urbane Kriegsführung im Großraum Khar­tum ausgerichtet. Die SAF tun sich schwer damit, die wesentlich beweglicheren RSF durch die Straßen zu verfolgen. Die Luft­überlegenheit der SAF hat die RSF dazu veranlasst, ihre Basen in der Hauptstadt zu räumen und sich in Wohn­gebieten und Privathäusern einzunisten. Sie hat Schwie­rigkeiten, ihre Versorgung sicherzustellen. In Khartum gibt es einen erbitterten Kampf um stra­tegische Orte wie den Präsidentenpalast, das Militärhauptquartier und die Brücken über den Nil.

Beide Parteien laufen Gefahr, durch den Krieg und die mögliche Beteiligung weiterer bewaffneter Gruppen zu zersplittern. Durch Rekrutierungen und Allianzen verfügen die RSF über Truppen aus vielen Teilen Sudans, nicht nur aus ihrem Ur­sprungsgebiet in Darfur. Dazu zählen auch Angehörige von Drittstaaten wie Tschad und anderen Sahel­ländern, die vor allem opportunistisch agie­ren. Islamistische Kräfte innerhalb der SAF könnten ab einem gewissen Punkt eigen­ständig handeln. Der Abnutzungskampf ist am Ende ruinös für die militärischen Fähig­keiten der beiden Kontrahenten.

Politisch werden SAF und RSF ohnehin geschwächt aus dem Gewaltkonflikt her­vor­gehen. Ihr Putsch war bereits vorher ge­scheitert, denn es war ihnen nicht wie anderen Militärregierungen vor ihnen ge­lungen, zivile politische Parteien zu koop­tieren. Burhan brachte zwar Angehörige der verbotenen National Congress Party (NCP) zurück ins öffentliche Leben, konnte es sich aber nicht leisten, die Partnerschaft publik zu machen. Dazu waren die Proteste der sudanesischen Zivilgesellschaft gegen sein Vorgehen zu groß. Außerdem hätte eine offen islamistische Regierung zu Reibungen mit den wichtigsten Partnern Sudans in der Region – wie Ägypten, den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Saudi-Ara­bien – geführt. Hatten die letzteren beiden nach dem Sturz Bashirs dem damaligen Militärregime unter Burhan und Hemedti noch eine Finanzspritze von drei Milliarden US-Dollar versprochen, zeigen sich die Geber mitt­lerweile zurückhaltender. Eine milliardenschwere Investition aus den VAE in einen Hafen mit umliegendem Gewerbegebiet wurde wiederholt auf­geschoben und erst verkündet nach der prinzipiellen Eini­gung auf eine zivile Regierung im Dezember 2022.

Die Golfstaaten wissen, dass ohne eine Fortsetzung eines IWF-Programms mit makro-ökonomischen Reformen, ohne den Abbau von Sudans Auslandsschulden von über 50 Milliarden Dollar und ohne die Wiederaufnahme der Unterstützung durch die Weltbank und westliche Regierungen die sudanesische Wirtschaft weiter abstür­zen dürfte. Das wäre schlecht für ihre ge­planten Investitionen.

Diese Aussichten waren lange vor dem Ausbruch der Kämpfe in Khartum bekannt. Ein lange anhaltender Krieg wäre weder im Interesse der SAF noch der RSF. Daher spricht einiges dafür, dass die Konflikt­parteien diese Art der Auseinandersetzung so nicht gewollt haben, auch wenn beide mobilisiert und eskaliert haben. Eine Seite hat vermutlich für sich die Chance einer schnellen Entscheidung gesehen oder einem befürchteten unmittelbar bevorstehenden Angriff der anderen zuvorkommen wollen. Ähnliche Eskalationsdynamiken hat es be­reits in der Vergangenheit gegeben, zuletzt im Februar und Anfang März. In diesen Phasen war es sudanesischen und inter­nationalen Vermittlern jedoch gelungen, die Lage vor der Anwendung von Gewalt zu entschärfen. Einige Beobachterinnen wie die sudanesische Analystin Kholood Khair vermuteten in diesem Gehabe von Eskala­tion und Deeskalation eine Taktik des Sicherheitssektors, um unliebsame Kom­promisse in den Verhandlungen für eine zivile Regierung zu vermeiden. Khair warnte zu der Zeit auch vor einer bewaffneten Aus­einandersetzung zwischen beiden Kräften mit »desaströsen Folgen«.

Deals mit Gewaltakteuren sind gescheitert

Die Friedens- und Übergangsprozesse, die Sudan in den letzten Jahrzehnten durchlaufen hat, haben den Gewaltakteuren immer eine überproportionale Rolle zugemessen. Es liegt in der Logik von Abkommen, die unter solchen Vorzeichen starten und in der Regel unter internationaler Vermittlung zustande kommen, dass sie die Anwendung von Gewalt als Mittel der Interessendurchsetzung belohnen. Rebellengruppen haben diese Lektion seit langem gelernt: Wer Auf­merksamkeit und einen Platz am Verhandlungstisch will, sollte möglichst aggressiv auftreten.

Die SAF und die RSF sind Teil dieser am Horn von Afrika verbreiteten Dynamik und verhalten sich entsprechend. Sie sind es gewohnt, bewaffnete Gewalt und bewusste Regelverletzungen als Mittel einzusetzen – und damit Erfolg zu haben.

Diplomatinnen und Diplomaten begründen ihren Umgang mit den Gewaltakteuren in der Regel mit Pragmatismus und Real­politik. Jedes Abkommen sei besser als Krieg und Gewalt. Sudan ist ein gutes Bei­spiel für die Fehlerhaftigkeit dieser Argu­mentation. So stieg die konfliktbezogene Gewalt in Darfur nach dem Friedensabkom­men von Juba 2020 an. Der Deal revitalisierte Rebellengruppen, die in Sudan selbst keine Truppen oder relevante Zustimmung mehr hatten, und verhalf diesen zu einer Beteiligung an der Übergangsregierung.

Obwohl die sudanesische Zivilgesellschaft gerade ihre Organisationskraft auch angesichts massiver Gewalt der Sicherheitskräfte bewiesen hatte, konnten sich letztere während der 2019 eingesetzten zivil-militä­rischen Interimsregierung immer mehr Macht verschaffen. Das lag auch am Verhal­ten der Parteien der Forces of Freedom and Change (FFC), die sich in der Frage der Ver­tei­lung von Sitzen für die Einsetzung eines Übergangsparlaments nicht einigen konn­ten. Stattdessen ließen sie es zu, dass Hemedti und Burhan Einfluss auf die täg­lichen Regierungsgeschäfte nahmen. Das Militär hatte nicht nur daran mitgewirkt die Regeln zu schreiben, sondern legte sie in der Praxis auch für sich aus.

Kein Wunder, dass eine Reihe von ehe­maligen internationalen Diplomaten wie der frühere US-Sondergesandte für das Horn von Afrika, Jeffrey Feltman, diesen mutmaßlich pragmatischen Ansatz mitt­ler­weile ablehnen. Denn er geht von der Prä­misse aus, die Generäle seien gutwillige Akteure, die sich an Abmachungen halten. Das sind sie nicht.

Wettbewerb um Vermittlung

Die Konfliktparteien werden sich wahrschein­lich dann ernsthaft zu Friedens­gesprächen bereiterklären, wenn sie erken­nen, dass sie mit militärischer Gewalt nicht mehr vorankommen können.

Die vielen regionalen und internatio­nalen Akteure, die Interessen in und mit Sudan verfolgen, müssten daher eine einheitliche Linie verfolgen. Vor allem Ägypten, die VAE und Saudi-Arabien sollten den Konflikt­parteien signalisieren, dass sie keine militä­rische Unterstützung zu erwarten haben.

Dies ist durchaus möglich. Kein Land in der Region hat ein Interesse an einem aus­geprägten Bürgerkrieg in Sudan. Auch wenn viele ausländische Regierungen Sympathien für die eine oder andere Seite hegen, hat bis­her keine einzige offiziell ihre Unter­stützung für eine Partei zum Ausdruck ge­bracht. Im Gegenteil haben sich die Nach­barstaaten und die wichtigsten anderen Regierungen einschließlich aller ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats auf Initiative der Afrikanischen Union zu einer Verurteilung des Krieges bekannt und gegen ex­terne Einmischung ausgesprochen.

Gleichwohl zeichnet sich bereits eine Konkurrenz um die Führung von Friedensgesprächen ab. Diese nutzt am Ende nur den Gewaltakteuren selbst, die sich den­jenigen Rahmen aussuchen werden, der ihnen den größtmöglichen Freiraum so­wohl individuell als auch im Verhältnis zu zivilen Parteien erlaubt.

Den USA und Saudi-Arabien gelang es, die SAF und die RSF davon zu überzeugen, Delegationen nach Jeddah zu entsenden, wo die Gegner seit dem 6. Mai 2023 über eine humanitäre Feuerpause verhandeln. Zwar stehen die Media­toren in Kontakt mit den zivilen Forces of Freedom and Change; beteiligt sind diese jedoch nicht direkt an den Gesprächen, bei denen es nicht um das Ende des Krieges gehen soll. Washington und Riad stehen letztlich genau für den Ansatz von Eliten-Deals, der immer wieder gescheitert ist. Schließlich hat der Druck der US-Regierung auf das Militär, den ein­mal festgelegten Zeitplan zur Einrichtung einer zivilen Regierung einzuhalten, ob­wohl es keine belastbare Einigung zum Kernthema Sicherheitssektorreform gab, zur Eskalation beigetragen. Die Afrika-Beauftragte und Verhandlungsführerin der USA, Molly Phee, ist mitverantwortlich für bereits spektakulär gescheiterte Friedensprozesse in Südsudan und Afghanistan.

Aus der Sicht der Konfliktparteien im Grunde noch attraktiver ist die Einladung von Südsudans Präsident Salva Kiir Mayar­dit für Gespräche in Juba. Kiir agiert zwar im Auftrag der Regionalorganisation Inter­governmental Authority on Development (IGAD), hat jedoch eigene Interessen. Er sorgt sich um die Sicherheit der Ölexporte über Port Sudan, von denen sein Staatshaushalt fast ausschließlich abhängt. Sudan und Südsudan haben bereits meh­rere Frie­densabkommen verhandelt. Zivile Akteure waren dabei stets höchstens am Rand be­teiligt, ging es doch um rein transaktionale Macht­teilungsvereinbarungen zwischen Gewaltunternehmern.

Größere Chancen könnte eine Vermittlung von IGAD haben, wenn sich Kenias Präsident William Ruto noch stärker ein­bringen sollte, der zusammen mit den Regierungschefs von Südsudan und Dschi­buti von einem IGAD-Gipfel für Friedens­gespräche in Sudan mandatiert wurde. Er hat sich bereits gegen eine Fortsetzung der Militärregierung in Sudan eingesetzt. Kenia spielt auch in Äthiopien und in Ostkongo eine konstruktive Vermittlerrolle.

Die US-saudisch geführte Initiative bringt zumindest sehr gewichtige Länder zusam­men. Andere Vermittlungsangebote aus der Türkei, Äthiopien, Israel oder vom Präsi­denten der AU-Kommission Moussa Faki Mahamat hätten weniger Chancen, zumal diese Akteure selbst eine große Nähe zum sudanesischen Sicherheitssektor aufweisen.

Umso wichtiger ist es daher, dass die EU und die Bundesregierung sich bei den ge­nannten internationalen Partnern für einen anderen Verhandlungsansatz einsetzen. Deutschland könnte dabei an seine führen­de Rolle zu Beginn des sudanesischen Über­gangsprozesses anknüpfen, als die Bundes­regierung die diplomatische Kontaktgruppe der Friends of Sudan mit ins Leben rief, die erste Partnerschaftskonferenz mit und für Sudan ausrichtete und, zusammen mit Großbritannien, federführend das Mandat der UN-Mission in Sudan (UNITAMS) im UN-Sicher­heits­rat aushandelte. Die Friends of Sudan brin­gen die wesentlichen westlichen und arabischen Partnerländer Sudans in einer losen, aber regelmäßigen Austauschrunde zusammen.

Zivile Akteure in die Führung bringen

Wie könnte ein alternativer Ansatz aus­sehen? Beginnen müsste er mit einer anderen Haltung gegenüber den Gewalt­akteuren. Vermittler sollten deren Ver­sprechungen keinen Glauben schenken, son­dern davon ausgehen, dass sie jede Gelegen­heit zu ihrem eigenen Vorteil nutzen werden und Regeln missachten. Die immer wieder gebrochenen Feuerpausen sind Ausdruck dieser Dynamik.

Aus dieser Haltung heraus müsste größerer Druck auf die Gewaltakteure ausgeübt werden, auch zur Einschränkung ihres finanziellen und diplomatischen Handlungs­spielraums. Die USA und die EU sollten Finanz- und Reise­sanktionen gegen aus­gesuchte Personen und Institutionen er­lassen. Dabei sollten sie aber darauf achten, das tägliche Leben für Bürgerinnen und Bürger in Sudan nicht weiter zu erschwe­ren. Auch Zivilisten haben beispielsweise Konten bei Banken, die mehrheitlich dem Sicherheitssektor gehören.

Die Konfliktparteien könnten durchaus ein Eigeninteresse entwickeln, sich einer zivilen Regierung zu unterwerfen. Da kein baldiger militärischer Sieg zu erwarten ist, werden sie einen Dritten brauchen, der ihr gegenseitiges Verhältnis nach dem Krieg moderiert. Eine zivile Regierung und ein­heitlich agierende internationale Akteure könn­ten diese vermittelnde Funktion überneh­men. Sie könnten einen strukturierten Prozess begleiten, der sowohl die SAF von islamistischen Einflüssen befreit als auch alle Milizen einschließlich der RSF inte­griert und damit schrittweise auflöst.

Deutschland sollte sich starkmachen für eine führende Rolle politischer Parteien und anderer zivilgesellschaftlicher Akteure in möglichen Friedensgesprächen. Wichtige Parteien, Gewerkschaften, Widerstands­komitees, Frauenorganisationen und andere nicht-staatliche Initiativen und Vereinigun­gen haben bereits eine breite Anti-Kriegs-Koalition gegründet. Diese Civil Front bietet ein glaubwürdiges, konstruktives Gegen­gewicht zu den Generälen. Ermutigend sind Anstrengungen traditioneller Führer und lokaler Freiwilligenkomitees, räumlich be­grenzte Waffenstillstände auszuhandeln und zu überwachen. Freiwillige kümmern sich auch um die Erstversorgung von Opfern der bewaffneten Konfrontation, um sichere Fluchtwege und die Organisation von Hilfe.

Die Bundesregierung sollte sich innerhalb der von ihr mitinitiierten Koordinierungs­runden der Friends of Sudan gegen jede Parteinahme in Sudan einsetzen und darauf hinwirken, dass der sudanesischen Anti-Kriegs-Koalition schnell die Führungsrolle in Verhandlungen zugemessen wird. Internationaler Druck sollte die Kon­fronta­tion der Gewaltakteure nicht verschärfen, wie in den Wochen vor Ausbruch des Krie­ges. Vielmehr sollte die neu gebildete Civil Front entscheiden, welche Art von inter­nationaler Unterstützung sie will und welche ihren Anliegen eher schaden würde.

Fazit

Den Einfluss der Sicherheitskräfte in Wirt­schaft, Politik und Gesellschaft zurück­zudrängen wird eine lange Zeit brauchen. Der Mindestanspruch jeder zivilen Regierung sollte sein, den bisherigen Bedeutungs­zuwachs des Sicherheitssektors zu stoppen. Die Einigkeit der zivilen Anti-Kriegs-Koali­tion könnte in neuen Verhandlungen leicht zerbrechen, wenn politische Parteien wie­der versuchen sollten, sich gegenseitig aus­zustechen. Die Erfahrung der massiven Kämpfe der letzten Wochen müsste also auch zu einem Umdenken bei sudanesischen Poli­tikerinnen und Politikern führen.

Rückschläge einschließlich erneuter Putschversuche sind angesichts der auto­ritä­ren Instinkte der Gewaltakteure wahr­scheinlich. Ein neuer Ansatz in Sudan würde nicht sofort und vollständig zu Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit, dem Slogan der Revolution von 2018/19, führen. Aber er bietet die beste Hoffnung, dass Sudan einen stabileren Weg dorthin einschlägt. Zivile Akteure in den Vordergrund zu stellen ist damit »realistischer« als ein Deal, der wieder nur mit den Generälen vorbereitet wird.

Outbreak of war in Sudan in April 2023: Interviews and other media appearances

Das Versagen der US-Diplomatie im Sudan, Echo der Zeit, SRF Radio, 12.05.2023

RSF will have to be integrated into a professional army: Gerrit Kurtz, Research Fellow, SWP, Deutsche Welle, 8 May 2023

Zitate in: Streit um die Beute: Warum im Sudan Militärs gegeneinander kämpfen, Berliner Kurier, 07.05.2023

Quotes in: „Zonder burgers aan tafel sneuvelt ieder bestand in Sudan”, Reformatorisch Dagblad, 06.05.2023

Experte zur humanitären Lage im Sudan, ORF III Aktuell, 05.05.2023

“Bei Afrika-Reise des Bundeskanzlers geht es vor allem um Frieden“, MDR Aktuell, 04.05.2023

The Sudan Crisis: Local and Global Perspectives on the New Instability in Africa, DGAP Morning Briefing, 04.05.2023

Politologe: Scholz sollte sich auf Afrika-Reise für Frieden einsetzen, NDR Info, 04.05.2023

Der Tag, HR2 Inforadio, 02.05.2023 (ab Minute 46:20).

Machtkampf im Sudan: Was steckt hinter dem blutigen Konflikt?, Die Presse Podcast, 01.05.2023

Politologe: Keine Kompromisse mit Autokraten machen, Information und Musik, Deutschlandfunk, 01.05.2023

«Der Konflikt zwischen dem Militär und der RSF-Miliz war bekannt. Es hatten nur alle gehofft, dass er nicht in Gewalt umschlagen würde,” Das war eine Fehleinschätzung,“, Zitate in: Der Sahel versinkt im blutigen Chaos – und Deutschland zieht sich zurück, Neue Zürcher Zeitung, 29.04.2023

„Die RSF haben politisch an Einfluss gewonnen durch die EU und ihre Politik der Migrationsabwehr”, Zitate in: Sudan: Welche Fehler auch die EU gemacht hat, heute.de, ZDF, 29.04.2023

Politologe: Zivile Kräfte in Sudan brauchen internationale Unterstützung, NDR Info, 29.4.2023

„Es fehlte dann nur noch das Streichholz, um dieses Pulverfass zu entzünden.“, DGVN.de, 27.04.2023

Interview, MDR Aktuell, 27.04.2023

“Es bringt nichts, einen neuen Ausgleich allein zwischen den beiden autoritär gesinnten Gegnern zu suchen.« Nur unter einer zivilen Regierung könne das Verhältnis der beiden Militärs dauerhaft geklärt warden“, Zitate in: Sudan: Ein Land als Beute, DIE ZEIT, 27.04.2023

Machtkampf im Sudan: Wird der Konflikt zum Flächenbrand in Afrika?, Tagesspiegel, 27.04.2023

Zitate in: Sudan: Das bedeuten die Machtkämpfe für die jungen Menschen im Land, watson.de, 26.04.2023

Gerrit Kurtz, Stiftung Wissenschaft und Politik, bewertet die derzeitige Feuerpause im Sudan, Tagesschau24, 25.04.2023

Radio Bremen, 25.04.2023

Kämpfe in Sudan – Welche Ziele verfolgt die russische Söldnergruppe Wagner?, FAZ Podcast, 24.04.2023

Gefährliche Rettungsmission im Sudan, Thema des Tages, BR24, 24.04.2023

„Der aktuelle Konflikt hat sich lange angekündigt. Die Streitkräfte und die Rapid Support Forces blicken auf eine jahrelange Rivalität zurück“, Zitate in: Frankfurter Rundschau, 24.04.2023

Zitate in: ProSiebenSat1 Nachrichten, 24.4.2023

Zitate in: MDR Nachrichten, 24.04.2023

Zitate in: Droht im Sudan ein neuer Bürgerkrieg?, t-online.de, 24.4.2023

NDR Info, 23.04.2023

Wer kann die Gewalt im Sudan stoppen?, Informationen am Morgen, Deutschlandfunk, 22.April 2023

Wenn sich „auch die südsudanesischen Parteien versuchen zu positionieren, was den Konflikt im Norden betrifft, könnte das jetzt halt auch zu Gewaltexplosionen in Südsudan führen”, Zitate in: Sudans Nachbarn in großer Sorge, Deutsche Welle, 21.04.2023

“The SAF and the RSF can’t just go back to the status quo ante, because this was not working”, quotes in Newshour, BBC World Service, 20 April 2023 (from 37:00 minutes).

„Je länger die Kämpfe andauern, umso schwieriger wird es zu Verhandlungen über eine zivile Regierung zurückzukehren“, Zitate in: ZEIT Online Erklärvideo, 20.04.2023

„Derzeit verhalten sich die regionalen Partner der Konfliktparteien in Sudan eher abwartend und versuchen zu vermitteln“, Zitate in: ARTE Journal, 20.04.2023

»Ich kann keine konkrete Rolle Russlands erkennen«, Spiegel Online, 19.04.2023

Machtkampf im Sudan. Konflikt mit Außenwirkung, Zur Diskussion, Deutschlandfunk, 19.04.2023

Gerrit Kurtz: «Gewalt in Sudan ist Folge von Eskalationsspirale», Tagesgespräch, SRF, 19.04.2023

Konflikt in Sudan: Ein Land am Rande des Bürgerkriegs, Auf den Punkt, Podcast der Süddeutschen Zeitung, 18.04.2023

Sudan: “Konflikt war Vereinten Nationen sehr bewusst”, Mittagsecho, WDR5, 18.04.2023

Blutiger Machtkampf im Sudan, Deutsche Welle, 18.04.2023

Die beiden Konfliktparteien seien die “mit Abstand mächtigsten, größten und am besten bewaffneten Kräfte des Landes”, Zitate in: evangelischer Pressedienst, 18.04.2023

“For now, there is unlikely to be a reliable truce until one of the parties is in firm control of key state and military institutions in Khartoum,” quotes in: What’s behind the fighting in Sudan, and what is at stake?, Washington Post, 18.04.2023

Machtkampf im Sudan: „Das Ganze könnte in einem Bürgerkrieg münden“, Tagesspiegel, 17.04.2023

Kampf um die Dominanz im Staat, Phoenix, 17.04.2023

Kampf um Gold, Macht und Einfluss – und wie Russland dabei mitmischt, Südwest Presse, 17.04.2023

Experte zu den Kämpfen im Sudan: Große Gefahr eines Bürgerkriegs, rbb inforadio, 17.04.2023

Sudan Chaos escalates, The World, ABC Australia, 17.04.2023

Sudan: Hintergründe des Konflikts – Droht ein Bürgerkrieg?, Studio 9, Deutschlandfunk Kultur, 17.04.2023

„Entscheidend ist die Entwicklung der kommenden Tage. Dazu zählt, wer von den beiden Parteien Kontrolle über die Staatsinstitutionen im Zentrum Khartums erlangt und wer den Kampf um innenpolitische und internationale Legitimität gewinnt.“ Zitate in: DPA, 17.04.2023

HR2 Inforadio, 17.04.2023

Machtkampf in Sudan, Was jetzt Podcast, Die Zeit, 17.04.2023

“Weitere Kämpfe zwischen den Parteien erscheinen derzeit wahrscheinlich, trotz kurzfristiger Feuerpause heute Nachmittag. Ein Bürgerkrieg ist möglich.”, Zitate in: Droht Sudan ein Bürgerkrieg?, ZDF heute.de, 16.04.2023

Konflikt zwischen Militärmachthabern im Sudan, Echo der Zeit, SRF, 16.04.2023

Note: Links are provided where they are available.

The Spoilers of Darfur

Sudan’s protracted political crisis and the intensifying violence in Darfur are closely connected

SWP Comment 2022/C 53, 07.09.2022

The Juba Peace Agreement of October 2020 has not pacified conflicts in Sudan, and has instead actually created new alliances between armed groups and security forces. After decades of marginalisation, conflict entrepreneurs from the periphery are now shaping Sudan’s national politics and undermining the country’s potential to return to democratic transition. Insecurity in Darfur could escalate and contribute to fur­ther destabilisation of the country. International donors should pressure these con­flict entrepreneurs to relinquish power. They should also prudently promote projects to foster peace in Darfur at the same time.

Sudan’s political crisis continues. In July 2022, both the leader of the Sudanese Armed Forces (SAF) General Abdel Fattah al‑Burhan and the leader of the paramilitary Rapid Support Forces (RSF) Lieutenant General Mohamed Hamdan Dagalo, known as Hemedti, promised to hand over power to a civilian government if the political parties and social movements reached an agree­ment. But Sudan is still far from being able to transition to functioning, broadly popular non-military leadership. Thus, the country remains in limbo. Since the Octo­ber 2021 coup, security forces rule and they have only appointed a caretaker govern­ment.

Representatives of armed groups that supported the coup are a major obstacle to ending the political crisis (see below info box “Sudan’s conflict entrepreneurs”). They have become part of the government over the course of implementing the October 2020 Juba Peace Agreement (JPA).

Their inclusion in the government has not pacified Sudan’s conflicts in the periph­eral regions of the country, but rather fuels them. As is often the case in Sudan, armed violence in rural regions is exceedingly worse than in the political centre that is the area in and around the capital. While around 120 people have died in Khartoum since the coup at the hand of security forces during demonstrations, around ten times as many have died in attacks and armed con­frontations outside the capital during the same period – most notably in the five states of the western Darfur region.

The Sudanese government is trying to depoliticise the violence in Darfur, por­traying it as purely “tribal conflicts”. In reality, however, the conflicts occurring there have complex causes. The volatile political situation in Khartoum is exacer­bating local tensions in the periphery, while the peace process for the conflicts in Darfur and other peripheral regions of Sudan is shifting the balance of power in Khartoum in favour of conflict entrepreneurs who are not known to be friends of democracy.

Conflict dynamics in flux

Sudan’s conflict entrepreneurs State security forces whose organisation is regulated by law:
■ Sudanese Armed Forces (SAF; led by General Abdel Fattah al-Burhan) ■ Rapid Support Forces (RSF; emerged from Darfur’s Janjaweed militias; led by Lieutenant General Mohamed Hamdan Dagalo – who is also called Hemedti)
■ Police, Central Reserve Police, and the Gen­eral Intelligence Service (GIS)

13 armed groups from across Sudan that are signatories to the Juba Peace Agreement, including:
■ Justice and Equality Movement (JEM; Islamist; from Darfur; led by Sudanese Finance Minis­ter Gebreil Ibrahim)
■ Sudan Liberation Army – Minni Minawi (SLA-MM; from Darfur; led by Governor of the Darfur region Minni Minawi)
■ Sudan People’s Liberation Movement – North/Revolutionary (SPLM-N [Agar]; from the Blue Nile state; led by Member of the Sovereign Council Malik Agar)

Groups and ethnic/tribal militias that are not signatories to the Juba Peace Agreement, some based in Libya, including:
■ Sudan Liberation Army – Abdel Wahid (SLA‑AW; based in Jebel Marra/Darfur; led by Abdel Wahid al-Nur; most influential rebel group in Darfur)
■ Sudan People’s Liberation Movement-North (SPLM-N (al-Hilu); based in the Nuba Mountains; led by Abdel Aziz al-Hilu; controls the most territory in Sudan)
Most of the signatory groups were originally part of the Forces of Freedom and Change (FFC), but split from them in October 2021 and named themselves the FFC-National Accord (FFC-2); from August 2022 they rebranded as the National Con­sensus Forces. SAF leader Burhan is chair­man of Sudan’s governing Sovereign Council, and Hemedti describes himself as his deputy even though the constitutional document of 2019 does not include a deputy position.

Internationally, the Darfur region is mostly known for the mass atrocities against civil­ians in 2003/04, which then-US Secretary of State Colin Powell described as genocide. The Janjaweed (militias armed and sup­ported by the Sudanese government) ter­rorised the civilian population, leading to hundreds of thousands of deaths.

The current violence in Sudan is not as intense. According to a database main­tained by the Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), over 2,600 people have died as a result of armed vio­lence in the five states within the Darfur region since the beginning of the Sudanese revolution in December 2018. Still, the num­ber of internally displaced people in Sudan (largely concentrated in Darfur) increased from 2.3 to 3.2 million between 2020 and 2021.

The main parties to the conflict have also changed. By the time Omar al-Bashir was ousted in April 2019, most armed groups from Darfur had already shifted their focus to Libya, mainly by offering mercenary ser­vices to Khalifa Haftar paid for by the United Arab Emirates (UAE).

In 2018, clashes between rebels (especially the SLA-AW) and security forces were respon­­sible for most of the victims of organised violence in Darfur. Nowadays, however, clashes with and among ethnically grouped, irregular militias claim the highest number of lives, especially when members of the Arab Rizeigat are involved. The change in conflict dynamics is also reflected in the shift of geographical hotspots: there are now fewer incidents in Central Darfur (the base of the SLA-AW) but more in South and West Darfur (see Map below).

The outbreaks of violence in Darfur follow a pattern. They are often triggered by individual disputes and criminal incidents with members of one ethnic group some­times holding entire other groups accountable for the misconduct of just one or a few antagonists. The attacked group is often armed and fights back. State security forces hold back, intervening belatedly or even retreating because they are no match for the attackers. Such violent clashes can some­times involve up to 3,000 fighters with vehicles on one side alone, as has been ob­served with the Rizeigat. Some members of the Rizeigat militia reportedly wear official RSF insignia during their attacks.

Old and new causes of conflict

The current conflict dynamics in Darfur can be traced back to both the long impact of past violence and the influences of the power struggle in Khartoum.

First, competition between groups pur­suing different types of livelihoods is inten­sifying due to desertification and erratic rainfall. Farmers may come into conflict with nomads with livestock, as conflicts often erupt over the use of arable or pas­ture land and water.

Second, socioeconomic inequalities and high youth unemployment contribute to conflict. Darfur’s nomadic communities have the least access to health and edu­cation, with only 9 per cent of 9 to 13-year-old girls and 17 per cent of boys of the same age attending school; compare this to the 50 per cent of internally displaced children who attend school. This remarkable finding also seems to be the result of one-sided inter­national support that has focused on internally displaced people (IDPs).

Third, traditional conflict management mechanisms have been weakened by dec­ades of civil war, local government reforms and the arming of ethnic militias. When marginalised groups rebelled against the government in the early 2000s, Khartoum armed and supported Arab militias loyal to the government to fight the uprisings. In doing so, the Sudanese government of the time also instrumentalised the widespread notion among the Arab population that they were superior to the non-Arab popu­lation and thus the rebels. As a result of this outsourcing of counterinsurgency, formal rule-of-law mechanisms have been eroded and police forces undermined. They are often unable to solve criminal incidents and small arms are widely used in Darfur.

During the civil war, Sudan developed into a “militarised political marketplace”. Armed attacks serve as a tool for political conflict entrepreneurs to make their pres­ence felt and raise the price of their loyalty in negotiations with government represen­tatives. The 2019 Sudanese transition and the 2021 military coup have brought a new dynamic to this marketplace. Both (Arab) nomadic tribes and (non-Arab) displaced groups in Darfur felt empowered by the new arrangement in Khartoum. The for­mer counted on support from the rise of Hemedti, who himself belongs to a Rizeigat tribe; and IDPs’ hopes grew that they would benefit from a peace process that would, among other things, allow them to per­ma­nently return to their fields. However, re­turn­ing IDPs now often come into conflict with the current users of the land.

The violence in Darfur is exacerbated by rivalries between armed movements seek­ing to gain greater influence in Khartoum. Some Arab groups feel set back by the re­cruitment of non-Arab RSF members and Hemedti’s alliance with the signatories of the JPA. Their desire for attention and pat­ron­age manifests itself in recurrent attacks on villages and IDP camps. They succeed with such efforts. Hemedti spent more than a month in the summer of 2022 in West Dar­fur attending tribal reconciliation confer­ences and building alliances with local elites.

Meanwhile, tribal self-defence units, such as that of the Masalit in West Darfur, are increasingly organising themselves. They are often well-armed and sometimes able to inflict heavy losses on attacking Rizeigat militias.

Hemedti himself blames Islamist forces loyal to the old Bashir government for the outbreaks of violence in Darfur as they strive to tie down his RSF forces in the periph­ery. The exact role of the Islamists remains unclear, but it is clear that they have gained momentum in the shadow of the coup. Their representatives are back in the civil service and Bashir’s former foreign minister Ali Karti was recently appointed secretary-general of the Sudanese Islamic Move­ment. The Movement continues to wield influence in the SAF, which Islamists see as a competitor to Hemedti’s more diffi­cult-to-control RSF.

Peace agreement with weaknesses

The current violence in Darfur also reveals the weaknesses of the JPA and its implemen­tation. These exacerbate Sudan’s politi­cal crisis.

The main armed groups (including JEM, SLA-MM and SPLM-N; see above info box “Sudan’s conflict entrepreneurs”) showed solidarity with the civilian actors even before the JPA, with whom they signed the Declaration for Freedom and Change in January 2019 – which is the founding docu­ment of the Forces of Freedom and Change (FFC). However, over the course of the revolution these armed groups were marginalised. It was ultimately the non-violent methods of civil society that brought down Bashir and renewed military rule, not the decades of rebels’ armed struggle. For the FFC representatives, the installation of a civilian-led transitional government was the top priority. They did not want to delay this with peace negotiations, and therefore they tasked the transitional government with these negotiations instead.

Peace negotiations began in October 2019 in Juba with South Sudan as the mediator. The civilian components of the transitional government left the talks pre­dominantly to representatives of the secu­rity agencies. The outcome, which was solemnly signed in October 2020, has so far mainly served to provide the signatory actors opportunities to enrich themselves and access government positions. It has hardly contributed to the pacification of the region. For at the time of the signing, the parties involved hardly had any troops of their own left in Darfur or other parts of Sudan (with the exception of the Blue Nile state in the South). At the same time, those actors who played the most important roles in conflicts in Darfur were not adequately represented. Hemedti himself could not speak for all Arab groups, and neither IDPs, women nor young people were sufficiently included. One of the most influential groups in Darfur, the SLA-AW, rejected the talks.

Of the many promises that the JPA made to marginalised segments of the Sudanese periphery, hardly any were fulfilled. It was already clear at the time of signing that the government would need to rely on inter­national donors to implement the agreement. However, these donors showed little willingness to provide substantial support to a peace agreement that they had hardly been involved in drafting. Anyways, the JPA had left the clarification of many details to implementation commissions.

The agreement does not specify how many fighters are to be demobilised or in­tegrated into state security forces. The gov­ernment has not yet appointed a de­mobili­sation commission for Darfur. Contrary to the expectations of the armed groups, Hemedti made it clear that he only wanted to integrate a small part of Darfur’s fighters into the RSF.

The JPA provides for the formation of a joint protection force numbering 20,000 soldiers, half of whom would come from government troops and the other half from armed movements. This force was a key argu­ment used by the transitional government to justify its push for the UN-AU Mis­sion in Darfur (UNAMID) to withdraw from the region after its mandate expired at the end of 2020.

However, with considerable delay, the government only just reported the com­pletion of training for the first 2,000 mem­bers of the joint protection force in the end of June 2022. Moreover, it is unclear why this force should be better able to protect the civilian population from violence than the individual units that are to be absorbed into it. After the withdrawal of UNAMID however, the prospect of a renewed inter­national peacekeeping mission is extremely slim. Therefore, only Sudanese units can make up a protection force.

Even the Permanent Ceasefire Commis­sion, which was established with the JPA, can only make a modest contribution to the implementation of the JPA. The United Nations Integrated Transition Assistance Mission in Sudan (UNITAMS) chairs the Com­mission and its sectoral sub-units, which consist of representatives of the sig­na­tories to the JPA. The Commission sup­ports the demobilisation or training of mem­bers of the armed groups and can in­vestigate violations of the ceasefire at the request of one of the parties. However, those involved in today’s conflicts often do not belong to one of the signatory groups.

New players in Khartoum

The dynamics of conflict in Darfur are also having a significant impact on Sudan’s national politics. Hemedti’s rise to become the country’s most important political actor is shaking the traditional foundations of Khartoum politics. Darfur serves as a source of income, a recruitment pool for the RSF and a base for Hemedti’s political ambitions at the national level.

Hemedti thereby operates on both the demand and supply side of security in Dar­fur. Although major acts of violence are a challenge to his authority, they allow the RSF leader to present himself as a peacemaker at tribal reconciliation conferences. However, the agreements reached at these conferences do not address the roots of the conflicts. His own RSF’s attacks on villages and IDP camps usually go unpunished, creat­ing a climate of impunity. An example of this can be seen in allegations that the chairman of the Peace and Reconciliation Committee and commander of the RSF in West Darfur, Mousa Ambeilo, led an attack against civilian populations in late 2019.

The Juba peace process also allowed Hemedti to forge alliances with his former opponents. Like the rebels, he did not trust the Sudanese armed forces under Burhan’s leadership. He resisted attempts to integrate the RSF into the regular army. Through cooperation with armed groups, Hemedti was able to build a “counterweight to the transition at the centre” and thus to the sphere of influence of the SAF and the civilian parties of the FFC.

In fact, the Juba peace process undermined democratisation from the beginning. The transitional government assured the armed groups that a transitional parliament would not be convened so long as peace negotiations were ongoing. Even after the Juba Peace Agreement was signed, differ­ences within the FFC blocked the formation of the transitional parliament, which could have formed a counterpart to the security sector and thus a safeguard against military takeover. The JPA gave the militias impor­tant government positions, and the influ­ence they were able to exert therefrom spanned far beyond their actual political significance. For example, Gebreil Ibrahim, the leader of JEM, became Sudan’s Minister of Finance, and Minni Minawi, leader of the SLA-MM, became Governor of the Darfur region. The SLA-MM had not fought against the armed forces in Sudan since 2014, JEM since 2015.

As members of armed groups became members of Prime Minister Abdalla Ham­dok’s cabinet in February 2021, the FFC parties also insisted on assuming government posts for which they had previously only nominated experts. However, the “political cabinet” entered into an increasingly open conflict with the representatives of the security sector. Here, representatives of the armed groups acted as allies of the military. They expanded the military’s political base to include signatories of the Declaration for Freedom and Change and thus the original opposition to the Bashir regime. In early October 2021, 16 armed groups, led by JEM and SLA-MM, split from the FFC forming the “FFC National Accord” or FFC-2. Shortly afterwards, they organised a sit-in in Khartoum and demanded that the other FFC parties leave the government. Consequently, the armed groups included the only non-military ministers and repre­sentatives in the Sovereign Council who retained their positions after the coup of 25 October 2021.

Finally, in the spring and summer of 2022, the FFC-2 representatives hampered the facilitation of the of AU-UNITAMS-IGAD (Intergovernmental Authority on Development) Trilateral Mechanism. They insisted on an “inclusive” round that included Islamist representatives (and themselves), while the remaining representatives of the groups now called the FFC-Central Com­mittee, or FFC-1, rejected the participation of “pro-coup parties”. The conflict between the FFC-1 and FFC-2 provided the military with the pretext to blame the “civilian” camp for the political crisis.

Current security risks

The rise of conflict entrepreneurs from Dar­fur and the lack of implementation of the JPA pose significant risks to security and stability in the region. After all, there are consequences if the state does not have the monopoly on the use of force. Stronger self-defence groups could develop into rebel groups – as they did 20 years ago – and conflicts between farmers and nomadic Rizeigat could escalate further.

Thousands of fighters from the signatory groups who have returned from Libya pose a risk to the population in Darfur as they often turn to criminal activities. At the same time, JPA signatories recruited new mem­bers en masse in Darfur to strengthen their following. One signatory group alone claimed to have already recruited 11,000 new fighters in the region. However, the groups have little to offer the recruits other than the tenuous promise of future posts in the state security forces.

Tensions are also arising from the possibly divided loyalties of the security forces in Darfur, which are officially under the high command of Governor of Darfur Minni Minawi, whose SLA-MM creates insecurity at the same time.

Moreover, the armed groups may lack credibility in the eyes of their members and supporters due to their involvement in the coup in Khartoum. The first members of the signatory groups have already turned their backs on their leaders and are now walking their own paths.

In addition, the SLA-AW under Abdel Wahid al-Nur is gaining popularity, as his notorious refusal to negotiate provides him with an image of trustworthiness. However, an attempt by the Sudanese Communist Party to persuade him to form a political alliance failed. The ceasefire between SLA‑AW and SAF is currently holding.

Historically, albeit with few exceptions, conflicts of the periphery have rarely directly affected the population in Sudan’s centre. With the presence of the leaders of the Darfur groups and some of their fighters in Khartoum, this could change. Crime is also said to have increased in the capital – in part due to triple-digit infla­tion and the growing supply crisis. The greatest potential for escalation would be a direct military confrontation between the SAF and RSF. Even if this is unlikely at present, the question remains how long their leaders will manage to keep the fight­ing between these rival security forces con­fined to Darfur. Violent conflict between and with their respective allied militias such as the Tamazuj, a signatory group said to have links to military intelligence, would also be possible. Indeed, in late July 2022, Hemedti blamed the Tamazuj for recent attacks in Darfur.

For Sudan’s neighbouring states, there is a risk that armed groups will continue to retreat to their border regions or directly join parties to the conflict there. This ap­plies particularly to Libya, where some Sudanese fighters are still present, but also to South Sudan, Chad and the Central African Republic (CAR).

Entry points for international peacebuilding

The international community should not wait until there is a new country-wide tran­sition process in place to address the con­flicts in Darfur. Rivalries between conflict entrepreneurs jostling for influence and access to patronage and resources will continue.

The UN is right to call on international donors to support peace projects in Darfur. Effective programmes at the local level may be able to reduce some of the security risks. After all, Darfur is also an arena for the power struggle in the centre of the country.

Germany can promote these efforts as the largest donor to the UN Peacebuilding Fund, and it can also provide direct assis­tance to local civil society organisations where possible.

Effective peacebuilding requires a comprehensive and conflict-sensitive approach that addresses the needs of all groups, in­clud­ing nomadic pastoralists and settled or displaced farmers. Members of signatory groups who were recruited after the con­clu­sion of the JPA should not receive greater benefits than those afforded to mem­bers of other groups, including infor­mal ones. When it comes to peacebuilding measures, the conflict hotspots in Darfur should be prioritised. Conceivable activities include supporting community programmes for vocational training, nurturing basic ser­vices in the fields of education and health, and strengthening local conflict management committees. The latter should prior­itise the inclusion of young people and women, not only tribal elders – as was the case with the agreements brokered by Hemedti.

The short-term goal of these measures should be to prevent the escalation of inter­personal disputes into larger conflicts that lead to the deaths of dozens or even hun­dreds. As long as the establishment of reli­able and legitimate state structures and basic services remains a distant goal, the main focus – within the framework of hu­manitarian aid – should be to strengthen individual resilience.

More intensive peacebuilding efforts on the part of the EU and Germany should go hand in hand with deeper diplomatic engage­ment. Their pressure should not just focus on the military, but also on the armed movements that support the coup. Even if it may not be feasible to exclude them from power completely (partly because of their post-JPA recruitment), leaders of the National Consensus Forces should demonstrate their readiness to nominate experts for a new cabinet instead of vehemently holding on to their ministerial positions by threat of renewed war. After all, they are demanding that the FFC-1 member groups agree to a so‑called technocratic transitional government as well. The Europeans and their transatlantic partners retain some leverage through the continued suspension of bi­lateral and multilateral financial assis­tance, amounting to several billion Euro, which clearly irritates the junta. Instead of generi­cally calling for all political actors to find common ground, Sudan’s international interlocutors should highlight the role that Darfur’s conflict entrepreneurs are playing in standing in the way of the country’s democratic progress.

Die Spoiler von Darfur

Im Schatten des gescheiterten Übergangsprozesses verschärft sich die Konfliktsituation in Sudans Westen

SWP-Aktuell 2022/A 54, 26.08.2022

Das Juba-Friedensabkommen von Oktober 2020 hat nicht zu einer Befriedung der sudanesischen Konflikte geführt. Stattdessen hat es vor allem neue Allianzen zwi­schen bewaffneten Gruppen und Sicherheitskräften geschaffen. Nach ihrer jahr­zehntelangen Marginalisierung prägen nun Gewaltunternehmer aus der Peripherie die nationale Politik Sudans und unterminieren eine mögliche Rückkehr zu einem demokratischen Übergangsprozess. Die Unsicherheit in Darfur könnte eskalieren und zu einer weiteren Destabilisierung des Landes beitragen. Internationale Geber sollten einerseits Druck auf diese Gewaltunternehmer ausüben, damit sie die Macht abgeben, und andererseits umsichtig Friedensprojekte in Darfur fördern.

Sudans politische Krise hält an. Im Juli 2022 haben zwar sowohl General Abdel Fattah al-Burhan, der Führer der Sudanesischen Streitkräfte (SAF), als auch Generalleutnant Mohamed Hamdan Dagalo, genannt Hemedti, der Führer der paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF), versprochen, die Macht an eine zivile Regierung abzugeben, sofern die politischen Parteien und gesell­schaftlichen Bewegungen zu einer ent­sprechenden Einigung kämen. Doch von einem neuen Übergangsprozess unter einer funktionierenden nicht-militärischen Füh­rung mit breitem Rückhalt in der Bevölkerung ist Sudan nach wie vor weit entfernt. Die Sicherheitskräfte üben seit ihrem Putsch im Oktober 2021 faktisch die Herrschaft aus und haben lediglich eine geschäftsführende Regierung ernannt.

Ein Haupthindernis für ein Ende der politischen Krise sind Vertreter bewaffneter Gruppen, die den Putsch unterstützten (siehe Infokasten). Diese wurden im Zuge der Umsetzung des Juba-Friedensabkom­mens (JPA) vom Oktober 2020 Teil der Regierung.

Ihre Machtbeteiligung hat Sudans Peripheriekonflikte nicht befriedet, sondern heizt diese eher an. Wie so oft in Sudan übersteigt die bewaffnete Gewalt in den Regionen diejenige im Zentrum um ein Vielfaches. Während in Khartum seit dem Putsch bislang rund 120 Menschen durch das gewaltsame Vorgehen der Sicherheitskräfte bei Demonstrationen ums Leben kamen, starben im gleichen Zeitraum etwa zehnmal so viele Menschen bei Angriffen und bewaffneten Auseinandersetzungen außerhalb der Hauptstadt – besonders viele in den fünf Bundesstaaten der west­lichen Darfur-Region.

Sudans Gewaltunternehmer

Staatliche Sicherheitskräfte, deren Organisa­tion gesetzlich geregelt ist:
■ Sudanesische Streitkräfte (SAF, geführt von General Abdel Fattah al-Burhan)
■ Rapid Support Forces (RSF, hervorgegangen aus Janjaweed-Milizen aus Darfur, geführt von Generalleutnant Mohamed Hamdan Dagalo, genannt Hemedti)
■ Polizei, Central Reserve Police, General Intelligence Service (GIS)

Bewaffnete Gruppen: 13 Unterzeichnergruppen des Juba-Friedensabkommens vom 3.10.2020 aus ganz Sudan, darunter :
■ Justice and Equality Movement (JEM, isla­mistisch, Darfur, geführt von Finanzminister Gebreil Ibrahim)
■ Sudan Liberation Army – Minni Minawi
(SLA-MM, Darfur, geführt von Minni Minawi, Gouverneur der Region Darfur)
■ Sudan People’s Liberation Movement North/ Revolutionary (SPLM-N, Blue Nile, geführt von Malik Agar, Mitglied des Übergangsrats)
Nicht-Unterzeichnergruppen und ethnisch/ tribale Milizen, teilweise in Libyen ansässig, darunter :

■ Sudan Liberation Army – Abdel Wahid (SLA-AW, Jebel Marra/Darfur, geführt von Abdel Wahid al-Nur, wichtigste Gruppe in Darfur)
■ Sudan People’s Liberation Movement-North (SPLM-N (al-Hilu), Nubaberge, geführt von Abdel Aziz al-Hilu, Gruppe mit der größten territorialen Kontrolle in Sudan).

Die meisten Unterzeichnergruppen waren ursprünglich Teil der politischen Gruppe der Forces of Freedom and Change (FFC), spalteten sich im Oktober 2021 jedoch ab und nannten sich fortan FFC-National Accord (FFC-2), ab August 2022 National Consensus Forces. Burhan ist der Vorsitzende des Übergangsrats, Hemedti bezeichnet sich als dessen Stellvertreter, auch wenn diese Position offiziell nicht vorgese
Sudans Gewaltunternehmer

Die sudanesische Regierung versucht, die Gewalt in Darfur zu entpolitisieren und als reine »Stammeskonflikte« darzustellen. Tat­sächlich haben die Auseinandersetzungen dort jedoch komplexe Ursachen. Die vola­tile politische Situation in Khartum ver­schärft die lokalen Spannungen in der Peri­pherie, während der Prozess zur Beilegung der Konflikte in Darfur und den anderen Randregionen Sudans die Machtverhält­nisse in Khartum zugunsten von wenig demokratiefreundlichen Gewaltunter­nehmern verschiebt.

Konfliktdynamik im Wandel

International hat die Region Darfur vor allem wegen der Gewaltexzesse gegen die Zivilbevölkerung in den Jahren 2003/04 traurige Berühmtheit erlangt, Massen­verbrechen, die der zu jener Zeit amtier­ende US-Außenminister Powell als Völker­mord bezeichnete. Damals terrorisierten von der sudanesischen Regierung bewaff­nete und unterstützte Milizen (Janjaweed) die Zivilbevölkerung.

Die aktuellen Ereignisse erreichen diese Dimension nicht. Seit Beginn der sudanesischen Revolution im Dezember 2018 sind laut einer Datenbank (ACLED) über 2.600 Menschen in den fünf Darfur-Bundesstaaten durch bewaffnete Gewalt umgekommen. Die Zahl der Binnenvertriebenen in Sudan (die sich in Darfur konzentrieren) stieg zwi­schen 2020 und 2021 von 2,3 auf 3,2 Mil­lionen.

Die wichtigsten Konfliktparteien haben sich verändert. Bereits zum Zeitpunkt des Sturzes von Omar al-Bashir im April 2019 hatten die meisten bewaffneten Gruppen aus Darfur den Schwerpunkt ihrer Aktivi­täten und Truppen nach Libyen verlagert, vor allem in Form von Söldnerdiensten im Auftrag Khalifa Haftars und bezahlt von den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE).

Noch 2018 waren Zusammenstöße zwi­schen Rebellen (vor allem der SLA-AW) und Sicherheitskräften für die meisten Opfer organisierter Gewalt verantwortlich. Mitt­lerweile fordern Auseinandersetzungen mit und unter ethnisch gruppierten, irregulären Milizen die höchste Zahl an Menschenleben, insbesondere wenn Angehörige der arabischen Rizeigat beteiligt sind. Der Wan­del der Konfliktdynamik zeigt sich auch an der Verlagerung der geographischen Hot­spots: weniger Vorfälle in Zentral-Darfur, der Basis der SLA-AW, und mehr in Süd- und West-Darfur (siehe Karte, S. 4).

Die Gewaltausbrüche in Darfur folgen einem Muster. Auslöser sind häufig indivi­duelle Streitigkeiten und kriminelle Vor­fälle. Angehörige unterschiedlicher ethni­scher Gruppen ziehen teilweise gleich die gesamte Gruppe eines Antagonisten für die Wiedergutmachung von dessen Fehlverhalten zur Rechenschaft. Die angegriffene Bevölkerungsgruppe ist oft auch bewaffnet und setzt sich zur Wehr. Staatliche Sicher­heitskräfte halten sich zurück, greifen ver­spätet ein oder räumen gar das Feld, weil sie der angreifenden Übermacht nicht ge­wachsen sind. In solche gewaltsamen Zu­sam­menstöße können schon mal bis zu 3.000 Kämpfer mit Fahrzeugen auf Seiten der Rizeigat involviert sein. Berichten zu­folge tragen manche von ihnen bei ihren Angriffen Abzeichen der offiziellen RSF.

Alte und neue Konfliktursachen

Die aktuelle Konfliktdynamik in Darfur lässt sich sowohl auf die lange Wirkung früherer Gewalt zurückführen als auch auf Einflüsse des Machtkampfs in Khartum.

Zum einen verschärft sich wegen einer klimatischen Verschiebung die Konkurrenz von Gruppen, die unterschiedlichen Erwerbs­formen nachgehen. Die Wüste breitet sich aus und Regenfälle werden erratischer. Menschen, die vorwiegend Ackerbau be­treiben, geraten mit Gruppen in Konflikt, die überwiegend nomadisch von Viehzucht leben. Oft geht es um die Nutzung von Acker- bzw. Weideland und Wasser.

Zweitens gibt es sozio-ökonomische Un­gleichheiten und eine hohe Jugendarbeitslosigkeit. Am schlechtesten ist der Zugang zu Gesundheit und Bildung in der nomadischen Gemeinschaft in Darfur. Nur 9 Pro­zent der 9–13-jährigen Mädchen und 17 Prozent der Jungen gehen zur Schule, während immerhin jedes zweite binnen­vertriebene Kind eine Schule besucht. Die­ser bemerkenswerte Befund scheint auch die Folge einer einseitigen internationalen Unterstützung zu sein, die sich auf die Ver­triebenen konzentriert hat.

Drittens sind traditionelle Konfliktbearbeitungsmechanismen durch Jahrzehnte des Bürgerkriegs, Reformen der kommunalen Verwaltung und die Aufrüstung ethni­scher Milizen geschwächt. Als marginalisierte Gruppen gegen die damalige Regie­rung aufbegehrten, bewaffnete und unter­stützte Khartum arabische, regierungstreue Milizen, damit diese die Aufstände bekämpf­ten. Dabei instrumentalisierte die damalige sudanesische Regierung auch die unter der arabischen Bevölkerung verbreitete Vor­stellung einer Vorherrschaft gegenüber den nicht-arabischen Bevölkerungsteilen und damit auch gegenüber den Rebellen, die sich aus diesen überwiegend rekrutierten. In der Folge dieser Auslagerung der Auf­stands­bekämpfung sind formelle rechtsstaatliche Mechanismen ausgehöhlt und Polizeikräfte unterminiert worden. Letztere sind oft nicht in der Lage, kriminelle Vor­fälle aufzuklären. Kleinwaffen sind in Darfur weit verbreitet.

Während des Bürgerkriegs entwickelte sich Sudan zu einem »militarisierten poli­tischen Marktplatz«. Gewaltsame Ausein­andersetzungen dienen politischen Gewalt­unternehmern als Instrument, um sich bemerkbar zu machen und den Preis für ihre Loyalität in Verhandlungen mit Regie­rungsrepräsentanten zu erhöhen. Der suda­nesische Übergangsprozess 2019 und der Militärputsch 2021 haben eine neue Dyna­mik in diesen Marktplatz gebracht. Sowohl (arabische) nomadische Stämme als auch (nicht-arabische) Vertriebenengruppen in Darfur fühlten sich durch das neue Arrange­ment in Khartum gestärkt. Erstere rechneten auf Unterstützung durch den Aufstieg Hemedtis, der selbst einem Rizeigat-Stamm angehört. Und unter den Binnenvertriebenen wuchs die Hoffnung, von einem Friedensprozess zu profitieren, der ihnen unter anderem eine dauerhafte Rückkehr zu ihren Feldern ermöglichen würde. Wo immer dies geschieht, geraten sie dabei allerdings in der Regel in Konflikt mit den aktuellen Nutzern der Böden.

Verschärft wird die Gewalt in Darfur durch Rivalitäten zwischen bewaffneten Milizen um Einfluss in Khartum. Einige arabische Gruppen fühlen sich durch die Rekrutierung von nicht-arabischen RSF-Mitgliedern und Hemedtis Bündnis mit den Unterzeichnern des JPA zurückgesetzt. Ihr Verlangen nach Aufmerksamkeit und Patronage äußert sich in wiederkehrenden Angriffen auf Dörfer und Vertriebenen-Camps. Durchaus mit Erfolg: Im Sommer 2022 verbrachte Hemedti mehr als einen Monat in West-Darfur.

Derweil organisieren sich wieder vermehrt Selbstverteidigungseinheiten, wie die der Masalit in West-Darfur. Mit ihrer hoch­wertigen Bewaffnung sind diese in der Lage, den angreifenden Rizeigat-Milizen mitunter hohe Verluste zu bescheren.

Hemedti selbst macht islamistische Kräfte, die loyal zur alten Bashir-Regierung sind, für die Gewaltausbrüche in Darfur verantwortlich. Diese verfolgten das Ziel, seine RSF-Kräfte in der Peripherie zu binden. Die genaue Rolle der Islamisten bleibt unklar, doch ist deutlich, dass sie im Schatten des Putschs Aufwind bekommen haben. Ihre Vertreter sind zurück im öffentlichen Dienst und Bashirs früherer Außenminister Ali Karti wurde kürzlich zum Generalsekre­tär der Sudanesischen Islamischen Bewegung ernannt. In den SAF verfügt die Bewegung weiterhin über Einfluss. Die Islamisten sehen Hemedtis RSF als schwer zu kontrollierende Konkurrenz zu den SAF.

Friedensabkommen mit Schwachstellen

Die aktuelle Gewalt in Darfur offenbart auch die Schwächen des JPA und seiner Umsetzung. Diese verschärfen Sudans politische Krise.

Die wichtigsten bewaffneten Gruppen (u.a. JEM, SLA-MM, SPLM-N, siehe Infokasten) solidarisierten sich noch vor dem JPA mit den zivilen Akteuren, mit denen sie im Januar 2019 die »Erklärung für Frieden und Wandel« unterschrieben, das Gründungsdokument der »Kräfte für Frieden und Wan­del« (Forces of Freedom and Change, FFC). Im Laufe der Revolution wurden sie jedoch marginalisiert. Es waren schließlich die ge­waltfreien Methoden der Zivilgesellschaft, die Bashir und eine erneute Militärherr­schaft zu Fall brachten, nicht der jahrzehn­telange bewaffnete Kampf der Rebellen. Für die FFC-Vertreter hatte die Einsetzung einer zivil geführten Übergangsregierung oberste Priorität. Deren Installation wollten sie nicht durch Friedensverhandlungen ver­zögern, die stattdessen eine der Aufgaben ebenjener Übergangsregierung sein sollten.

Die Friedensverhandlungen begannen im Oktober 2019 in Juba mit Südsudan als Mediator. Die zivilen Teile der Übergangsregierung überließen die Gespräche über­wiegend Vertretern der Sicherheitsorgane. Das Ergebnis, das im Oktober 2020 feierlich signiert wurde, bot den unterzeichnenden Akteuren bisher vor allem Gelegenheit, sich zu bereichern und mit politischen Posten zu versorgen. Zur Befriedung der Region hat es kaum beigetragen. Denn zum Zeitpunkt der Unterzeichnung hatten die Beteiligten kaum noch eigene Truppen in Darfur oder anderen Teilen Sudans (mit Ausnahme von Blue Nile im Süden). Gleichzeitig waren die­jenigen Player, die für die Konfliktdynamik in Darfur die wichtigste Rolle spielten, nicht adäquat vertreten. Hemedti selbst konnte nicht für alle arabischen Gruppen sprechen. Schließlich waren weder Vertriebene, Frauen oder junge Menschen ausreichend be­teiligt. Die SLA-AW lehnte die Gespräche ab.

Von den vielen Versprechen, die das JPA für marginalisierte Bevölkerungsteile in der sudanesischen Peripherie enthält, konnten kaum welche eingelöst werden. Denn be­reits bei der Unterzeichnung war abzusehen, dass die Regierung für die Umsetzung des Abkommens auf internationale Geber an­gewiesen sein würde. Diese zeigten sich je­doch wenig bereit, ein Friedensabkommen substanziell zu unterstützen, in dessen Zu­standekommen sie kaum eingebunden waren. Die Klärung vieler Details hatte das JPA zudem Umsetzungskommissionen überlassen.

So legt das Abkommen nicht fest, wie viele Kämpfer demobilisiert oder in regu­läre Truppen integriert werden sollen. Die Regierung ernannte bisher keine Demobilisierungskommission für Darfur. Entgegen den Erwartungen der bewaffneten Gruppen machte Hemedti deutlich, dass er nur einen kleinen Teil ihrer Kämpfer in die RSF inte­grieren wolle.

Das JPA sieht die Bildung einer gemeinsamen Schutztruppe vor, die zur Hälfte aus Regierungstruppen und zur anderen Hälfte aus bewaffneten Gruppen gebildet werden soll, mit einer Gesamtstärke von 20.000. Diese Truppe war ein wesentliches Argu­ment der Übergangsregierung, sich für den Abzug der hybriden Friedensmission UNAMID der UN und der Afrikanischen Union (AU) in Darfur einzusetzen, deren Mandat Ende 2020 auslief.

Mit erheblicher Verspätung meldete die Regierung jedoch erst Ende Juni 2022 den Abschluss der Ausbildung der ersten 2.000 Mitglieder der gemeinsamen Schutztruppe. Es ist im Übrigen unklar, warum diese bes­ser in der Lage sein soll, die Zivilbevölkerung vor Gewaltexzessen zu schützen, als die ein­zelnen Verbände, die in ihr aufgehen. Nach dem Abzug von UNAMID ist die Aussicht auf eine erneute internationale Friedens­mission jedoch äußerst gering, so dass nur sudanesische Einheiten in Frage kommen.

Auch die Ständige Waffenstillstandskommission, die mit dem JPA ins Leben gerufen wurde, kann nur einen bescheidenen Beitrag leisten. Die United Nations Integrated Transition Assistance Mission in Sudan (UNITAMS) sitzt der Kommission und ihren sektoralen Untereinheiten vor, die aus Vertretern der Unterzeichner des JPA bestehen. Die Kommission unterstützt die Demobilisierung bzw. das Training von An­gehörigen der bewaffneten Gruppen und kann auf Antrag einer der Vertragsparteien Verletzungen des Waffenstillstands unter­suchen. Allerdings zählen diejenigen, die an Konflikten beteiligt sind, häufig nicht zu einer der Unterzeichnergruppen.

Neue Spieler in Khartum

Die Konfliktdynamik in Darfur hat erheb­liche Auswirkungen auf die nationale Poli­tik Sudans. Hemedtis Aufstieg zum bedeu­tendsten politischen Unter­nehmer des Lan­des erschüttert die hergebrachten Fun­da­mente der Politik in Khartum. Darfur dient ihm gleichermaßen als Einnahmequelle, Rekrutierungsbasis für die RSF wie auch zum Aufbau einer Basis für seine politischen Ambitionen auf nationaler Ebene.

Hemedti agiert dabei sowohl auf der Nachfrage- als auch auf der Angebotsseite von Sicherheit in Darfur. Wenngleich grö­ßere Gewaltakte eine Herausforderung für seine Autorität bedeuten, erlauben sie es dem RSF-Führer, sich als Friedensstifter bei tribalen Versöhnungskonferenzen zu prä­sentieren. Die dort getroffenen Verein­barun­gen rühren allerdings nicht an den Wurzeln der Konflikte. Übergriffe seiner eigenen RSF auf Dörfer und Vertriebenenlager bleiben in der Regel ungeahndet, was ein Klima der Straflosigkeit erzeugt. So soll der Vorsitzende des Friedens- und Versöhnungskomitees und Kommandeur der RSF in West-Darfur, Mousa Ambeilo, Ende 2019 selbst einen Angriff gegen die Zivilbevölkerung angeführt haben.

Der Friedensprozess von Juba erlaubte es Hemedti überdies, Allianzen mit seinen früheren Gegnern zu schmieden. Wie die Rebellen traute er den sudanesischen Streit­kräften unter der Führung Burhans nicht. Versuchen, die RSF in die reguläre Armee zu integrieren, widersetzt er sich. Hemedti konnte über die Zusammenarbeit mit den bewaffneten Gruppen ein »Gegengewicht zur Transition im Zentrum« und damit zum Einflussbereich der SAF und der zivilen Parteien des FFC aufbauen.

So unterminierte der Friedensprozess von Juba von Anfang an demokratische Prozesse. Die Übergangsregierung sicherte den bewaffneten Gruppen zu, dass ein Über­gangsparlament so lange nicht einberufen werde, wie die Verhandlungen liefen. Dif­ferenzen innerhalb der FFC blockierten auch nach dem Friedensabschluss die Bil­dung des Übergangsparlaments, das einen Gegenpol zum Sicherheitssektor hätte bil­den können. Das JPA bescherte den Milizen wichtige Regierungspositionen. Der Ein­fluss, den sie von dort ausüben konnten, ging weit über ihre tatsächliche politische Bedeutung hinaus. So wurden Gebreil Ibra­him, der Führer des JEM, Finanzminister, und Minni Minawi, Führer der SLA-MM, Gouverneur der Region Darfur. Die SLA-MM hatte schon seit 2014 nicht mehr in Sudan gegen die Streitkräfte gekämpft, die JEM seit 2015 nicht mehr.

Mit dem Eintritt von Mitgliedern der be­waffneten Gruppen in das Kabinett von Pre­mierminister Abdalla Hamdok im Februar 2021 bestanden auch die FFC-Parteien auf einer direkten Beteiligung an Regierungsposten, für die sie vorher nur Experten nominiert hatten. Das »politischere Kabi­nett« geriet jedoch in einen zunehmend offen ausgetragenen Konflikt mit den Repräsentanten des Sicherheitssektors. Die Vertreter der bewaffneten Gruppen agier­ten dabei als Verbündete des Militärs. Sie erweiterten die politische Basis des Militärs um Unterzeichner der FFC-Erklärung und damit der ursprünglichen Opposition zum Bashir-Regime. Anfang Oktober 2021 spalte­ten sich 16 bewaffnete Gruppen, angeführt von JEM und SLA-MM, von den FFC als »FFC National Accord« bzw. FFC-2 ab. Kurz darauf organisierten sie eine Sitzblockade in Khartum und forderten die anderen FFC-Parteien auf, die Regierung zu verlassen. Konsequenterweise stellten die bewaffneten Gruppen praktisch die einzigen Minister und Vertreter im Übergangsrat, die nach dem Putsch vom 25. Oktober 2021 ihre Positionen behielten.

Schließlich erschwerten die FFC-2-Ver­treter die Vermittlungen des Trilateralen Mechanismus von UNITAMS, AU und der Intergovernmental Authority on Development (IGAD) im Frühjahr und Sommer 2022. Sie bestanden auf einer »inklusiven« Runde, die islamistische Vertreter (und sie selbst) einschloss, während die verbliebenen Vertreter der mittlerweile FFC-Central Committee oder FFC-1 genannten Gruppierungen die Beteiligung von »Pro-Putsch Parteien« ablehnten. Der Konflikt zwischen FFC-1 und FFC-2 bot dem Militär einen Vor­wand, das »zivile« Lager für die politische Krise verantwortlich zu machen.

Aktuelle Sicherheitsrisiken

Der Aufstieg von Gewaltunternehmern aus Darfur und die mangelnde Umsetzung des JPA bringen erhebliche Risiken für die Sicherheit und Stabilität in der Region mit sich. Ein nicht vorhandenes staatliches Ge­waltmonopol hat Folgen. Erstarkte Selbst­verteidigungsgruppen könnten sich zu Rebellengruppen entwickeln – wie bereits vor 20 Jahren. Konflikte zwischen Bauern und nomadischen Rizeigat könnten weiter eskalieren.

Tausende aus Libyen zurückgekehrte Kämpfer der Unterzeichnergruppen stellen ein Risiko für die Bevölkerung in Darfur dar. Häufig wenden sie sich kriminellen Aktivitäten zu. Gleichzeitig rekrutierten die Signatoren des JPA massenhaft neue Mit­glieder in Darfur, um ihre Gefolgschaft zu stärken. Allein eine Unterzeichnergruppe gab an, bereits 11.000 neue Kämpfer in Darfur angeworben zu haben. Allerdings haben die Gruppen den Rekruten außer dem Versprechen zukünftiger Posten in den staatlichen Sicherheitskräften kaum etwas zu bieten.

Ein Spannungsfaktor ergibt sich aus der möglicherweise gespaltenen Loyalität der Sicher­heitskräfte in Darfur, die offiziell dem Oberkommando von Minni Minawi als Gouverneur von Darfur unterstehen, dessen SLA-MM gleichzeitig für Unsicherheit sorgen.

Überdies haben die bewaffneten Gruppen durch ihre Beteiligung am Putsch in Khartum ein Glaubwürdigkeitsproblem bei ihren Mitgliedern und Unterstützern. Erste Angehörige der Unterzeichnergruppen haben sich bereits von ihren Führern ab­gewandt und verfolgen eigene Ziele.

Darüber hinaus gewinnt die SLA-AW von Abdel Wahid al-Nur an Zulauf, dessen notorische Ablehnung von Verhandlungen ihm ein Image von Vertrauenswürdigkeit verleiht. Ein Versuch der Sudanesischen Kommunistischen Partei, ihn zu einer politischen Allianz zu bewegen, scheiterte jedoch. Der Waffenstillstand zwischen SLA‑AW und SAF hält derzeit.

Historisch gesehen haben die Konflikte der Peripherie – bis auf seltene Aus­nahmen – die Bevölkerung im Zentrum Sudans kaum berührt. Mit der Präsenz der Führer der Darfur-Gruppen und einiger ihrer Kämpfer in Khartum könnte sich das nun ändern. Die Kriminalität soll auch in der Hauptstadt zugenommen haben (die Inflation im dreistelligen Prozentbereich und die wachsende Versorgungskrise tragen ihren Teil dazu bei). Das größte Eskalations­potential hätte eine direkte militärische Konfrontation zwischen den SAF und den RSF. Auch wenn eine offene Auseinandersetzung derzeit unwahrscheinlich ist, stellt sich die Frage, wie lange ihre Führer es schaffen, dass die Kämpfe zwischen den rivalisierenden Sicher­heitskräften auf Darfur beschränkt bleiben. Möglich wären auch gewaltsame Konflikte zwischen und mit ihren jeweiligen verbündeten Milizen wie der Tamazuj, einer Unterzeichner­gruppe, der Verbindungen zum Militär­geheimdienst nachgesagt werden.

Für Sudans Nachbarstaaten besteht das Risiko, dass bewaffnete Gruppen ihre Grenzregionen weiter als Rückzugsräume nutzen oder sich direkt dortigen Konfliktparteien anschließen. Dies betrifft ins­besondere Libyen, wo einige sudanesische Kämpfer weiterhin präsent sind, aber auch Südsudan, Tschad und die Zentralafrika­nische Republik (ZAR).

Ansatzpunkte für internationale Friedensförderung

Die internationale Gemeinschaft kann mit der Bearbeitung der Konflikte in Darfur nicht warten, bis es einen neuen Übergangs­prozess für das ganze Land gibt. Rivalitäten zwischen Gewaltunternehmern um Einfluss und Zugang zu Patronage und Ressourcen werden ohnehin anhalten.

Die Vereinten Nationen rufen zu Recht internationale Geber dazu auf, Friedens­projekte in Darfur zu unterstützen. Effek­tive Programme auf lokaler Ebene können unter Umständen einige der Sicherheits­risiken reduzieren. Denn Darfur ist auch eine Arena für den Machtkampf im Zen­trum des Landes.

Deutschland kann diese Bemühungen im Rahmen seiner Unterstützung für den UN Peacebuilding Fund, bei dem es der größte Geber ist, fördern und nach Möglich­keit lokalen zivilgesellschaftlichen Organi­sationen auch direkt Hilfe leisten.

Für eine effektive Friedensförderung braucht es ein umfassendes und konfliktsensibles Vorgehen, bei dem auf die Bedürf­nisse aller Gruppen eingegangen wird, auch auf jene der nomadischen Viehhirten und sesshafter bzw. vertriebener Bauern. Mit­glieder von Unterzeichnergruppen, die erst nach Abschluss des JPA rekrutiert wurden, sollten nicht mehr von Unterstützungs­angeboten profitieren als Angehörige ande­rer, auch informeller Gruppen. Bei den Maßnahmen zur Friedensförderung sollten die Gewalt-Hotspots in Darfur priorisiert werden. Denkbar sind Programme zur Berufsförderung, Angebote von Grund­versorgungs­leistungen wie Bildung und Gesundheit und Maßnahmen zur Stärkung von lokalen Konfliktbearbeitungskomitees. Letztere sollten nicht nur Stammesältere einbeziehen, wie bei den von Hemedti ver­mittelten Vereinbarungen geschehen, son­dern un­bedingt auch junge Menschen und Frauen.

Das kurzfristige Ziel dieser Maßnahmen sollte sein, die Eskalation von interpersonalen Auseinandersetzungen in größere Kon­flikte mit Dutzenden oder gar Hunderten Toten zu verhindern. Solange der Aufbau von verlässlichen und legitimen staatlichen Strukturen und Basisdienstleistungen nur ein Fernziel bleibt, sollte das Hauptaugenmerk –im Rahmen der humanitären Unterstützung – auf der Stärkung der in­dividuellen Resilienz liegen.

Eine intensivere Friedensförderung von Seiten der EU und Deutschlands sollte ein­hergehen mit einem vertieften diplomatischen Engagement. Die Europäer können sich bei ihren Partnern am Arabischen Golf dafür einsetzen, dass diese einen neuen Übergangsprozess in Sudan unterstützen. Saudi-Arabien und die VAE sind zwar keine Anhänger einer sudanesischen Demokratie, bevorzugen aber Stabilität und Sicherheit in ihrer Nachbarschaft. Dafür bedürfte es einer Fortsetzung der multilateralen Finanz­hilfen. Die Spannungen innerhalb des Sicherheitssektors in Darfur und die tiefe wirtschaftliche Krise Sudans bieten An­knüpfungspunkte für einen entsprechen­den Dialog. Die Aussetzung internationaler Finanzhilfen schwächt die Junta sichtlich. Im Zentrum des internationalen Drucks sollten somit die Gewaltunternehmer aus Darfur stehen, die demokratischen Pro­zessen im Wege stehen.