Den Krieg in Sudan stoppen

Zivile Akteure, nicht allein die Konfliktparteien, sollten die Friedensverhandlungen führen

SWP-Aktuell zusammen mit Hager Ali (GIGA Institut), erschienen am 15.5.2023

In Sudan kämpfen die wichtigsten Sicherheitskräfte des Landes gegeneinander. Eine schnelle militärische Entscheidung ist angesichts des relativ ausgeglichenen Kräfteverhältnisses zwischen den Sudanesischen Streitkräften (SAF) und den Rapid Support Forces (RSF) nicht zu erwarten. Durch dieses strategische Patt sind die Chancen auf eine erfolgreiche Vermittlung nicht ausweglos. Dafür müssten Sudans internationale Partner aber von dem seit Jahrzehnten dominierenden Ansatz Abstand nehmen, Gewaltakteuren die Hauptrolle in Verhandlungen zuzugestehen. Zivile Akteure haben eine breite Anti-Kriegs-Koalition gebildet, die bei Friedensgesprächen von Anfang an den Ton angeben sollte. Dies könnte durchaus auch im Interesse der Konfliktparteien sein, denn diese brauchen einen dritten Akteur, der ihr Verhältnis in Zukunft mode­rieren kann. Die Bundesregierung sollte sich um eine stärkere Koordination inter­nationaler Vermittlungsansätze unter ziviler Führung aus Sudan bemühen. In der EU sollte sie eine Initiative zur Eingrenzung des finanziellen Spielraums der sudanesischen Gewaltakteure anstoßen.

Seit dem 15. April 2023 erschüttern heftige Kämpfe Sudan. Das schon lange befürchtete schlechteste Szenario ist eingetreten: ein offener bewaffneter Kampf zwischen den SAF unter Führung von General Abdel Fattah al-Burhan und den RSF, die unter dem Befehl von General Mohamed Hamdan Dagalo, genannt Hemedti, stehen.

Im Gegensatz zu früheren Kriegen finden diese Auseinandersetzungen nicht nur in Sudans leidgeplagter Peripherie statt, son­dern auch in der Agglomeration, die von den Millionenstädten Khartum, Omdurman und Bahri gebildet wird. Die Kämpfe er­schweren die Versorgung der Bevölkerung und haben bereits zu massiven Preisanstie­gen für Güter des täglichen Bedarfs geführt.

Falls die Kämpfe länger andauern sollten, sind die Gefahren für das Land und die Region immens. Hunger, Unterversorgung und massive Fluchtbewegungen sind zu befürchten. Die islamistische Bewegung in Sudan könnte weiter an Einfluss gewinnen. Zivilisten, die sich bedroht fühlen, könnten sich zum Selbstschutz bewaffnen, während die schon existierenden bewaffneten Grup­pen sich auf eine der beiden Seiten schlagen könnten. Die fragilen Nachbarländer könn­ten selbst destabilisiert werden und Raum bieten für jihadistische Akteure.

Interessen der Konfliktparteien

Die seit langem bestehende Konkurrenz zwischen den SAF und den RSF hat sich durch Hemedtis politischen Aufstieg nach dem Fall des Diktators Omar al-Bashir ver­schärft. Bashir hatte die RSF 2013 bewusst als Gegengewicht gegen die SAF und den ebenfalls mächtigen National Intelligence and Security Service (NISS, heute General Intelligence Service, GIS) aufgebaut. Der Wettbewerb im Sicherheitssektor sollte Bashirs Herrschaft in einem der putsch­anfälligsten Länder der Welt stabilisieren. Die komplementären Einsatzfelder der SAF und der RSF ermöglichten es den beiden Militärorganisationen, im selben Staat zu koexistieren.

Bashirs Strategie der Machtsicherung miss­lang, weil ihm die Ressourcen ausgingen, um weiter Subventionen an die Bevölkerung und Loyalitätszahlungen für den Sicherheitssektor zu finanzieren. Seine engsten Verbündeten wandten sich an­gesichts landesweiter Proteste seit Dezember 2018 gegen ihn, nicht zuletzt deshalb, weil auch einige SAF-Einheiten Sympathie mit den Demonstrierenden (darunter Kinder einfluss­reicher SAF-Generäle) zeigten. Wäh­rend sich der mutmaßliche Architekt des Kom­plotts, NISS-Chef Salah Gosh, ins Exil ab­setzte, machten die islamistischen Anhän­ger von Bashirs Regime insbesondere Hemedti, der eine 180-Grad-Volte von Bashirs Be­schützer zu dessen Gegner voll­zog, für den Sturz des Systems verantwortlich.

Angewiesen auf die kampferprobten und skrupellosen RSF machte Burhan als neuer Oberbefehlshaber der Streitkräfte Hemedti im April 2019 zum Stellvertretenden Vor­sitzenden des Übergangsmilitärrats. Doch die Zweck­gemeinschaft der beiden Generäle stellte bereits die Weichen für den Kolli­sionskurs zwischen den SAF und den RSF.

Für die SAF und vor allem für islamistische Kräfte in ihrer Mitte ist es nicht hin­nehmbar, dass mit der RSF eine De-facto-Parallelarmee unabhängig und mit eigenen Einkommensquellen im gleichen Staat ope­rieren kann. Die relative Stärke der RSF er­schwert es den SAF auch perspektivisch, die volle Kontrolle über die Exekutive auszuüben, wie die bisherigen autoritären Regie­rungen Sudans es vermochten. Daher ist es das Ziel der SAF, die konkurrierende Sicher­heitskraft aufzulösen. Eine erfolgreiche In­tegration der RSF würde die Effektivität des Militärs erhöhen und das Putschrisiko mini­mieren.

Umgekehrt will Hemedti die Unabhängig­keit seiner RSF so lange wie möglich erhal­ten und sich nicht einem Militär unterord­nen, das durchsetzt ist mit Offizieren, die ihn und seine Truppe ablehnen. Nach dem Militärputsch im Oktober 2021 hat Burhan Tausende Bedienstete zurück in den öffent­lichen Dienst geholt, die wegen ihrer Loya­lität zum Bashir-Regime vorher entlassen worden waren. Hochrangige Repräsentan­ten des früheren Regimes kamen aus dem Gefängnis frei. Die Sudanesische Islamisti­sche Bewegung unter dem früheren Außen­minister Ali Karti macht aus ihrer Unterstützung für die SAF keinen Hehl.

Hemedti werden politische Ambitionen auf das höchste Staatsamt nachgesagt. Da­für müsste er seine politische Basis deutlich verbreitern, was schwieriger würde, wenn seine RSF in den Streitkräften aufgingen. Das ökonomische Imperium der RSF und der Familie Dagalo macht nach Schätzungen eines Experten die Hälfte der sudanesischen Wirtschaftsleistung aus. Hemedti pro­fitiert somit direkt von den militärischen Kapazitäten der RSF. In Darfur hat er sie zur gewaltsamen Einnahme von Gold­minen eingesetzt.

Sowohl den SAF als auch den RSF geht es also darum, ihre Privilegien zu wahren und Dominanz in einer zukünftigen politischen Ordnung in Sudan zu erlangen. Dafür stre­ben sie nach Legitimität in der sudanesischen Öffentlichkeit und bei internationalen Akteuren.

Strategisches Patt

Sowohl die SAF als auch die RSF werden aller Voraussicht nach geschwächt aus diesem Krieg hervorgehen, auch wenn eine der beiden Parteien Erfolge erzielen sollte. Derzeit ist es jedoch wahrscheinlich, dass beide diesen Konflikt weder militärisch noch politisch in nächster Zeit für sich ent­scheiden können. Je schneller sie einsehen, dass sie sich in einem strategischen Patt befinden, desto eher könnten sie bereit für ernsthafte Friedensgespräche sein.

Schätzungen über die genaue Truppengröße der SAF und der RSF gehen weit aus­einander, zumal beide Kampfverbände stark rekrutiert haben in letzter Zeit. SAF und RSF kontrollieren jedoch eine vergleichbare Größenordnung von Truppen, wobei die SAF noch auf Einheiten von GIS und der Central Reserve Police zurückgreifen. Die militärischen Spezialisierungen der SAF und der RSF erschweren es beiden Streit­kräften, die Oberhand zu gewinnen: Die SAF ist auf konventionelle Kriegsführung mit schweren Waffen und auf die Verteidigung von stationären Ein­richtungen aus­gelegt. Die RSF operiert als reine Boden­truppe hochmobil mit punk­tuellen An­griffen, die oft von Plünderungen begleitet werden.

Keiner der Kontrahenten ist damit auf urbane Kriegsführung im Großraum Khar­tum ausgerichtet. Die SAF tun sich schwer damit, die wesentlich beweglicheren RSF durch die Straßen zu verfolgen. Die Luft­überlegenheit der SAF hat die RSF dazu veranlasst, ihre Basen in der Hauptstadt zu räumen und sich in Wohn­gebieten und Privathäusern einzunisten. Sie hat Schwie­rigkeiten, ihre Versorgung sicherzustellen. In Khartum gibt es einen erbitterten Kampf um stra­tegische Orte wie den Präsidentenpalast, das Militärhauptquartier und die Brücken über den Nil.

Beide Parteien laufen Gefahr, durch den Krieg und die mögliche Beteiligung weiterer bewaffneter Gruppen zu zersplittern. Durch Rekrutierungen und Allianzen verfügen die RSF über Truppen aus vielen Teilen Sudans, nicht nur aus ihrem Ur­sprungsgebiet in Darfur. Dazu zählen auch Angehörige von Drittstaaten wie Tschad und anderen Sahel­ländern, die vor allem opportunistisch agie­ren. Islamistische Kräfte innerhalb der SAF könnten ab einem gewissen Punkt eigen­ständig handeln. Der Abnutzungskampf ist am Ende ruinös für die militärischen Fähig­keiten der beiden Kontrahenten.

Politisch werden SAF und RSF ohnehin geschwächt aus dem Gewaltkonflikt her­vor­gehen. Ihr Putsch war bereits vorher ge­scheitert, denn es war ihnen nicht wie anderen Militärregierungen vor ihnen ge­lungen, zivile politische Parteien zu koop­tieren. Burhan brachte zwar Angehörige der verbotenen National Congress Party (NCP) zurück ins öffentliche Leben, konnte es sich aber nicht leisten, die Partnerschaft publik zu machen. Dazu waren die Proteste der sudanesischen Zivilgesellschaft gegen sein Vorgehen zu groß. Außerdem hätte eine offen islamistische Regierung zu Reibungen mit den wichtigsten Partnern Sudans in der Region – wie Ägypten, den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Saudi-Ara­bien – geführt. Hatten die letzteren beiden nach dem Sturz Bashirs dem damaligen Militärregime unter Burhan und Hemedti noch eine Finanzspritze von drei Milliarden US-Dollar versprochen, zeigen sich die Geber mitt­lerweile zurückhaltender. Eine milliardenschwere Investition aus den VAE in einen Hafen mit umliegendem Gewerbegebiet wurde wiederholt auf­geschoben und erst verkündet nach der prinzipiellen Eini­gung auf eine zivile Regierung im Dezember 2022.

Die Golfstaaten wissen, dass ohne eine Fortsetzung eines IWF-Programms mit makro-ökonomischen Reformen, ohne den Abbau von Sudans Auslandsschulden von über 50 Milliarden Dollar und ohne die Wiederaufnahme der Unterstützung durch die Weltbank und westliche Regierungen die sudanesische Wirtschaft weiter abstür­zen dürfte. Das wäre schlecht für ihre ge­planten Investitionen.

Diese Aussichten waren lange vor dem Ausbruch der Kämpfe in Khartum bekannt. Ein lange anhaltender Krieg wäre weder im Interesse der SAF noch der RSF. Daher spricht einiges dafür, dass die Konflikt­parteien diese Art der Auseinandersetzung so nicht gewollt haben, auch wenn beide mobilisiert und eskaliert haben. Eine Seite hat vermutlich für sich die Chance einer schnellen Entscheidung gesehen oder einem befürchteten unmittelbar bevorstehenden Angriff der anderen zuvorkommen wollen. Ähnliche Eskalationsdynamiken hat es be­reits in der Vergangenheit gegeben, zuletzt im Februar und Anfang März. In diesen Phasen war es sudanesischen und inter­nationalen Vermittlern jedoch gelungen, die Lage vor der Anwendung von Gewalt zu entschärfen. Einige Beobachterinnen wie die sudanesische Analystin Kholood Khair vermuteten in diesem Gehabe von Eskala­tion und Deeskalation eine Taktik des Sicherheitssektors, um unliebsame Kom­promisse in den Verhandlungen für eine zivile Regierung zu vermeiden. Khair warnte zu der Zeit auch vor einer bewaffneten Aus­einandersetzung zwischen beiden Kräften mit »desaströsen Folgen«.

Deals mit Gewaltakteuren sind gescheitert

Die Friedens- und Übergangsprozesse, die Sudan in den letzten Jahrzehnten durchlaufen hat, haben den Gewaltakteuren immer eine überproportionale Rolle zugemessen. Es liegt in der Logik von Abkommen, die unter solchen Vorzeichen starten und in der Regel unter internationaler Vermittlung zustande kommen, dass sie die Anwendung von Gewalt als Mittel der Interessendurchsetzung belohnen. Rebellengruppen haben diese Lektion seit langem gelernt: Wer Auf­merksamkeit und einen Platz am Verhandlungstisch will, sollte möglichst aggressiv auftreten.

Die SAF und die RSF sind Teil dieser am Horn von Afrika verbreiteten Dynamik und verhalten sich entsprechend. Sie sind es gewohnt, bewaffnete Gewalt und bewusste Regelverletzungen als Mittel einzusetzen – und damit Erfolg zu haben.

Diplomatinnen und Diplomaten begründen ihren Umgang mit den Gewaltakteuren in der Regel mit Pragmatismus und Real­politik. Jedes Abkommen sei besser als Krieg und Gewalt. Sudan ist ein gutes Bei­spiel für die Fehlerhaftigkeit dieser Argu­mentation. So stieg die konfliktbezogene Gewalt in Darfur nach dem Friedensabkom­men von Juba 2020 an. Der Deal revitalisierte Rebellengruppen, die in Sudan selbst keine Truppen oder relevante Zustimmung mehr hatten, und verhalf diesen zu einer Beteiligung an der Übergangsregierung.

Obwohl die sudanesische Zivilgesellschaft gerade ihre Organisationskraft auch angesichts massiver Gewalt der Sicherheitskräfte bewiesen hatte, konnten sich letztere während der 2019 eingesetzten zivil-militä­rischen Interimsregierung immer mehr Macht verschaffen. Das lag auch am Verhal­ten der Parteien der Forces of Freedom and Change (FFC), die sich in der Frage der Ver­tei­lung von Sitzen für die Einsetzung eines Übergangsparlaments nicht einigen konn­ten. Stattdessen ließen sie es zu, dass Hemedti und Burhan Einfluss auf die täg­lichen Regierungsgeschäfte nahmen. Das Militär hatte nicht nur daran mitgewirkt die Regeln zu schreiben, sondern legte sie in der Praxis auch für sich aus.

Kein Wunder, dass eine Reihe von ehe­maligen internationalen Diplomaten wie der frühere US-Sondergesandte für das Horn von Afrika, Jeffrey Feltman, diesen mutmaßlich pragmatischen Ansatz mitt­ler­weile ablehnen. Denn er geht von der Prä­misse aus, die Generäle seien gutwillige Akteure, die sich an Abmachungen halten. Das sind sie nicht.

Wettbewerb um Vermittlung

Die Konfliktparteien werden sich wahrschein­lich dann ernsthaft zu Friedens­gesprächen bereiterklären, wenn sie erken­nen, dass sie mit militärischer Gewalt nicht mehr vorankommen können.

Die vielen regionalen und internatio­nalen Akteure, die Interessen in und mit Sudan verfolgen, müssten daher eine einheitliche Linie verfolgen. Vor allem Ägypten, die VAE und Saudi-Arabien sollten den Konflikt­parteien signalisieren, dass sie keine militä­rische Unterstützung zu erwarten haben.

Dies ist durchaus möglich. Kein Land in der Region hat ein Interesse an einem aus­geprägten Bürgerkrieg in Sudan. Auch wenn viele ausländische Regierungen Sympathien für die eine oder andere Seite hegen, hat bis­her keine einzige offiziell ihre Unter­stützung für eine Partei zum Ausdruck ge­bracht. Im Gegenteil haben sich die Nach­barstaaten und die wichtigsten anderen Regierungen einschließlich aller ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats auf Initiative der Afrikanischen Union zu einer Verurteilung des Krieges bekannt und gegen ex­terne Einmischung ausgesprochen.

Gleichwohl zeichnet sich bereits eine Konkurrenz um die Führung von Friedensgesprächen ab. Diese nutzt am Ende nur den Gewaltakteuren selbst, die sich den­jenigen Rahmen aussuchen werden, der ihnen den größtmöglichen Freiraum so­wohl individuell als auch im Verhältnis zu zivilen Parteien erlaubt.

Den USA und Saudi-Arabien gelang es, die SAF und die RSF davon zu überzeugen, Delegationen nach Jeddah zu entsenden, wo die Gegner seit dem 6. Mai 2023 über eine humanitäre Feuerpause verhandeln. Zwar stehen die Media­toren in Kontakt mit den zivilen Forces of Freedom and Change; beteiligt sind diese jedoch nicht direkt an den Gesprächen, bei denen es nicht um das Ende des Krieges gehen soll. Washington und Riad stehen letztlich genau für den Ansatz von Eliten-Deals, der immer wieder gescheitert ist. Schließlich hat der Druck der US-Regierung auf das Militär, den ein­mal festgelegten Zeitplan zur Einrichtung einer zivilen Regierung einzuhalten, ob­wohl es keine belastbare Einigung zum Kernthema Sicherheitssektorreform gab, zur Eskalation beigetragen. Die Afrika-Beauftragte und Verhandlungsführerin der USA, Molly Phee, ist mitverantwortlich für bereits spektakulär gescheiterte Friedensprozesse in Südsudan und Afghanistan.

Aus der Sicht der Konfliktparteien im Grunde noch attraktiver ist die Einladung von Südsudans Präsident Salva Kiir Mayar­dit für Gespräche in Juba. Kiir agiert zwar im Auftrag der Regionalorganisation Inter­governmental Authority on Development (IGAD), hat jedoch eigene Interessen. Er sorgt sich um die Sicherheit der Ölexporte über Port Sudan, von denen sein Staatshaushalt fast ausschließlich abhängt. Sudan und Südsudan haben bereits meh­rere Frie­densabkommen verhandelt. Zivile Akteure waren dabei stets höchstens am Rand be­teiligt, ging es doch um rein transaktionale Macht­teilungsvereinbarungen zwischen Gewaltunternehmern.

Größere Chancen könnte eine Vermittlung von IGAD haben, wenn sich Kenias Präsident William Ruto noch stärker ein­bringen sollte, der zusammen mit den Regierungschefs von Südsudan und Dschi­buti von einem IGAD-Gipfel für Friedens­gespräche in Sudan mandatiert wurde. Er hat sich bereits gegen eine Fortsetzung der Militärregierung in Sudan eingesetzt. Kenia spielt auch in Äthiopien und in Ostkongo eine konstruktive Vermittlerrolle.

Die US-saudisch geführte Initiative bringt zumindest sehr gewichtige Länder zusam­men. Andere Vermittlungsangebote aus der Türkei, Äthiopien, Israel oder vom Präsi­denten der AU-Kommission Moussa Faki Mahamat hätten weniger Chancen, zumal diese Akteure selbst eine große Nähe zum sudanesischen Sicherheitssektor aufweisen.

Umso wichtiger ist es daher, dass die EU und die Bundesregierung sich bei den ge­nannten internationalen Partnern für einen anderen Verhandlungsansatz einsetzen. Deutschland könnte dabei an seine führen­de Rolle zu Beginn des sudanesischen Über­gangsprozesses anknüpfen, als die Bundes­regierung die diplomatische Kontaktgruppe der Friends of Sudan mit ins Leben rief, die erste Partnerschaftskonferenz mit und für Sudan ausrichtete und, zusammen mit Großbritannien, federführend das Mandat der UN-Mission in Sudan (UNITAMS) im UN-Sicher­heits­rat aushandelte. Die Friends of Sudan brin­gen die wesentlichen westlichen und arabischen Partnerländer Sudans in einer losen, aber regelmäßigen Austauschrunde zusammen.

Zivile Akteure in die Führung bringen

Wie könnte ein alternativer Ansatz aus­sehen? Beginnen müsste er mit einer anderen Haltung gegenüber den Gewalt­akteuren. Vermittler sollten deren Ver­sprechungen keinen Glauben schenken, son­dern davon ausgehen, dass sie jede Gelegen­heit zu ihrem eigenen Vorteil nutzen werden und Regeln missachten. Die immer wieder gebrochenen Feuerpausen sind Ausdruck dieser Dynamik.

Aus dieser Haltung heraus müsste größerer Druck auf die Gewaltakteure ausgeübt werden, auch zur Einschränkung ihres finanziellen und diplomatischen Handlungs­spielraums. Die USA und die EU sollten Finanz- und Reise­sanktionen gegen aus­gesuchte Personen und Institutionen er­lassen. Dabei sollten sie aber darauf achten, das tägliche Leben für Bürgerinnen und Bürger in Sudan nicht weiter zu erschwe­ren. Auch Zivilisten haben beispielsweise Konten bei Banken, die mehrheitlich dem Sicherheitssektor gehören.

Die Konfliktparteien könnten durchaus ein Eigeninteresse entwickeln, sich einer zivilen Regierung zu unterwerfen. Da kein baldiger militärischer Sieg zu erwarten ist, werden sie einen Dritten brauchen, der ihr gegenseitiges Verhältnis nach dem Krieg moderiert. Eine zivile Regierung und ein­heitlich agierende internationale Akteure könn­ten diese vermittelnde Funktion überneh­men. Sie könnten einen strukturierten Prozess begleiten, der sowohl die SAF von islamistischen Einflüssen befreit als auch alle Milizen einschließlich der RSF inte­griert und damit schrittweise auflöst.

Deutschland sollte sich starkmachen für eine führende Rolle politischer Parteien und anderer zivilgesellschaftlicher Akteure in möglichen Friedensgesprächen. Wichtige Parteien, Gewerkschaften, Widerstands­komitees, Frauenorganisationen und andere nicht-staatliche Initiativen und Vereinigun­gen haben bereits eine breite Anti-Kriegs-Koalition gegründet. Diese Civil Front bietet ein glaubwürdiges, konstruktives Gegen­gewicht zu den Generälen. Ermutigend sind Anstrengungen traditioneller Führer und lokaler Freiwilligenkomitees, räumlich be­grenzte Waffenstillstände auszuhandeln und zu überwachen. Freiwillige kümmern sich auch um die Erstversorgung von Opfern der bewaffneten Konfrontation, um sichere Fluchtwege und die Organisation von Hilfe.

Die Bundesregierung sollte sich innerhalb der von ihr mitinitiierten Koordinierungs­runden der Friends of Sudan gegen jede Parteinahme in Sudan einsetzen und darauf hinwirken, dass der sudanesischen Anti-Kriegs-Koalition schnell die Führungsrolle in Verhandlungen zugemessen wird. Internationaler Druck sollte die Kon­fronta­tion der Gewaltakteure nicht verschärfen, wie in den Wochen vor Ausbruch des Krie­ges. Vielmehr sollte die neu gebildete Civil Front entscheiden, welche Art von inter­nationaler Unterstützung sie will und welche ihren Anliegen eher schaden würde.

Fazit

Den Einfluss der Sicherheitskräfte in Wirt­schaft, Politik und Gesellschaft zurück­zudrängen wird eine lange Zeit brauchen. Der Mindestanspruch jeder zivilen Regierung sollte sein, den bisherigen Bedeutungs­zuwachs des Sicherheitssektors zu stoppen. Die Einigkeit der zivilen Anti-Kriegs-Koali­tion könnte in neuen Verhandlungen leicht zerbrechen, wenn politische Parteien wie­der versuchen sollten, sich gegenseitig aus­zustechen. Die Erfahrung der massiven Kämpfe der letzten Wochen müsste also auch zu einem Umdenken bei sudanesischen Poli­tikerinnen und Politikern führen.

Rückschläge einschließlich erneuter Putschversuche sind angesichts der auto­ritä­ren Instinkte der Gewaltakteure wahr­scheinlich. Ein neuer Ansatz in Sudan würde nicht sofort und vollständig zu Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit, dem Slogan der Revolution von 2018/19, führen. Aber er bietet die beste Hoffnung, dass Sudan einen stabileren Weg dorthin einschlägt. Zivile Akteure in den Vordergrund zu stellen ist damit »realistischer« als ein Deal, der wieder nur mit den Generälen vorbereitet wird.

Friedensabkommen in Sudan: Der Ertrag von Juba

Dieser Beitrag erschien am 16. Oktober 2020 bei Zenith.

Das Abkommen von Juba soll dem Krieg in Darfur und anderen Regionen Sudans ein Ende setzen. Die Aussicht auf Frieden bleibt trotzdem unsicher – doch die Machtverhältnisse in Khartum werden neu gemischt.

Ein Friedensvertrag zwischen Rebellengruppen und einer Regierung setzt der organisierten politischen Gewalt ein Ende und verbessert so die Leben jener Menschen, die von dem Konflikt betroffen sind – soweit die Theorie. Diese Hoffnung äußerten auch die sudanesischen Konfliktparteien und internationalen Beobachter, als sie das Friedensabkommen von Juba am 3. Oktober 2020 unterschrieben. Die Stimmung war emotional. Während der Zeremonie in Südsudans Hauptstadt, dessen Regierung das Abkommen vermittelt hatte, verkündete Abdel Fattah Al-Burhan, der Vorsitzende des Souveränitätsrats, feierlich: »Sudan ist unser Land und wir sind alle Brüder.«

Worte der Aussöhnung sind schön, dürfen aber nicht von den Schwächen des Abkommens und von drohenden Unruhen ablenken. Immerhin: Verglichen mit früheren Abkommen ist das Vertrauen zwischen Regierung und Rebellen deutlich größer, nach der Revolution im letzten Jahr. Trotzdem wird das Juba-Abkommen allein nicht die allgegenwärtige Gewalt in Regionen wie Darfur oder Ost-Sudan beenden.

Denn: Die Unterzeichner repräsentieren nur einen Bruchteil der Bevölkerung, einige marginalisierte Gruppen waren nicht an den Verhandlungen beteiligt, die Ursachen der Spannungen wurden nicht ausreichend behandelt und die im Abkommen festgelegten Sicherheitsmaßnahmen könnten zu erneuten Gewaltausbrüchen führen. Dennoch ist das Abkommen wichtig, denn es verändert die Machtverhältnisse in Khartum und wird sich somit maßgeblich auf den politischen Übergangsprozess auswirken.

Hohe Ziele und neue Spannungen

Das Friedensabkommen beinhaltet mehrere Protokolle, die sich auf fünf geographische Schwerpunkte und verschiedene Mitgliedsgruppen der »Sudanesischen Revolutionsfront« (SRF) beziehen. Neben Vereinbarungen zum Osten, Norden und Zentrum Sudans betreffen die detailliertesten Vereinbarungen mit der Übergangsregierung in Khartum Darfur, Süd-Kordofan und den Blauen Nil – Gebiete, die in den letzten zwei Jahrzehnten unter verheerenden Kriegen litten.

Die Inhalte der Protokolle erinnern an frühere Vereinbarungen zu Macht- und Vermögensteilungen, jedoch beinhalten sie auch Verpflichtungen zur Übergangsjustiz (wie beispielsweise die Kooperation mit dem Internationalen Strafgerichtshof), Reparationszahlungen, Land- und Weiderechte sowie zur Rückkehr von Geflüchteten und Binnenvertriebenen.

Die Vereinbarungen umfassen somit mögliche Lösungen für einige der vielen Missstände in Sudan. Doch die mangelnde Einbeziehung lokaler Gruppen könnte erneut Ängste und Spannungen verursachen, etwa bei der Landverteilung. Solche Auswirkungen werden im Osten Sudans bereits sichtbar, wo Demonstranten Teile der Hafenstadt Port Sudan für mehrere Tage blockierten, um gegen die Bedingungen des Friedensabkommens in der Region zu protestieren.

In Darfur gehen die Kriegshandlungen weiter

Die zwei wichtigsten Rebellengruppen Sudans, die nach wie vor relevante Gebiete im Süden und Westen des Landes kontrollieren, haben das Abkommen nicht unterschrieben. Allerdings wächst nun der Druck auf diese Gruppen, sich an Friedensverhandlungen zu beteiligen.

Im Jebel Marra-Plateau in Zentral-Darfur bleibt die »Sudanesische Befreiungsarmee« unter Abdelwahid Al-Nur, kurz SLA-AW, der hartnäckigste Gegner der Friedensverhandlungen. Die Rebellengruppe befindet sich in einem Konflikt mit den sudanesischen Streitkräften, noch Ende September wurde gekämpft. In ihrem aktuellen Bericht identifizierte die gemeinsame Mission der Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union in Darfur (UNAMID) 48 Sicherheitsvorkommnisse und 115 Tote allein zwischen Juni und August.

Da sie kaum Zugriff auf das Mobilfunk- oder Satellitennetz haben, sind die von Rebellen kontrollierten Gebiete in Jebel Marra fast vollkommen vom Rest des Landes abgeschnitten. Abdelwahid Al-Nur hat immer wieder eine eigene Friedensinitiative und eine Rückkehr aus seinem Exil in Paris nach Sudan angekündigt. Genauere Einzelheiten zu diesem Vorhaben bleiben jedoch vorerst im Unklaren.

Die andere der beiden Gruppen, die Fraktion der »Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung – Nord« unter der Führung von Abdel-Aziz Al-Hilu, kurz SPLM-Nord (al-Hilu), kontrolliert Teile der Bundesstaaten Süd-Kordofan und Blauer Nil. Mögliche Spannungen ergeben sich unter anderem durch den Anspruch einer anderen Fraktion der SPLM-Nord unter der Führung von Malig Agar, die Gebiete in den Friedensverhandlungen zu vertreten, obwohl sie selbst praktisch keine Truppen dort unterhält.

Al-Hilu zweifelt an der Aufrichtigkeit der an der Übergangsregierung beteiligten Sicherheitskräfte, echten Wandel in Sudan einzuleiten. Dennoch unterzeichnete er am 3. September 2020 eine gesonderte Grundsatzerklärung mit Premierminister Abdalla Hamdok in Addis Abeba. Das Übereinkommen verlängert den Waffenstillstand in Süd-Kordofan und dem Blauen Nil und erlaubt der SPLM-Nord (al-Hilu) vorübergehend den Besitz ihrer Waffen.

Als wichtigster Erfolg gilt die in der Erklärung festgelegte Trennung von Religion und Staat. Diese Formulierung ist als Kompromissformel gedacht, um den umstrittenen Fokus auf einen säkularen Staat, den al-Hilu anstrebt, zu vermeiden. Am Tag vor der Unterzeichnung des Friedensabkommens trafen sich Hamdok und al-Hilu nochmals und beschlossen, die genaue Bedeutung dieses Kompromisses als Vorbereitung für offizielle Friedensverhandlungen weiter auszuhandeln.

Die Konfliktlage hat sich seit der Revolution gewandelt

Seit dem Sturz von Präsident Omar Al-Baschir im April 2019 ist die Anzahl der gewalttätigen Auseinandersetzungen in Darfur und Süd-Kordofan wieder deutlich gestiegen. Die bewaffneten Bewegungen, die das Juba-Friedensabkommen unterzeichneten, wie die SLA-Fraktion unter Führung von Minni Minawi, die »Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit« (JEM) unter Jibril Ibrahim oder die SPLM-Nord-Fraktion unter Malik Agar, sind jedoch nicht für diese Entwicklung verantwortlich.

Vielmehr treiben irreguläre Milizgruppen und paramilitärische Gruppen die Gewalt an. Sie sind ein Nebenprodukt der staatlichen Aufstandsbekämpfung, die jahrzehntelang auf die Bewaffnung von Hirten setzte. Obwohl die bewaffneten Milizen in Darfur oft als Kollektiv mit dem Sammelbegriff »Dschandschawid« beschrieben werden, agieren diese Einheiten oft autonom und teilweise auch gegen staatliche Sicherheitskräfte.

Eine Analyse des »Armed Conflict Location Event Data Projects« (ACLED) kam im August zu dem Schluss, dass das Konfliktumfeld in Sudan in den letzten Jahren vielschichtige Veränderungen durchlaufen hat. Zwischen 2014 und 2016 vertrieb die Baschir-Regierung einen Großteil der Rebellengruppen im Rahmen ihrer Aufstandsbekämpfung. Zeitgleich nahmen jedoch die Konflikte zwischen Bauern und Hirten zu und halten immer noch an.

Binnenflüchtlinge, die zu ihren Feldern zurückkehren, treffen auf bewaffnete Viehhüter auf ihrem Land. Verhandlungen zwischen diesen Gruppen zum Schutz von Feldern können gelingen, aber ohne funktionierende staatliche Mechanismen und effektive Sicherheitskräfte sind gewalttätige Auseinandersetzungen zu häufig das Ergebnis. Die Viehhirten fürchten den Verlust ihres privilegierten Status, den sie durch die neue Machtverteilung in Khartum in Gefahr sehen, und reagieren daher oft gewaltsam.

Zunehmend finden Auseinandersetzungen in dicht bevölkerten städtischen Regionen statt, da Flüchtlingscamps oft in der Nähe von Städten errichtet wurden. Angesichts scharfer ethnischer Identitätsunterschiede als Ergebnis von Baschirs Politik eskalieren kleinere Streitigkeiten leicht.

Wie die nun verabschiedeten Protokolle für Landnutzung und Weiderechte belegen, spielte diese Konfliktdynamik durchaus eine Rolle in den Verhandlungen in Juba. Dennoch könnten die für Darfur vorgesehenen Sicherheitsmaßnahmen den Boden für neue Gewalt bereiten. Die Unterzeichner vereinbarten die Gründung eines gemeinsamen Einsatzverbands mit 12.000 Soldaten, bestehend aus Truppen der staatlichen Sicherheitskräfte und Rebellengruppen.

In Darfur verfügen die Unterzeichner jedoch über keine eigenen Kämpfer. Berichten zufolge werben sie nun neue Mitglieder für den gemeinsamen Einsatzverband sowie den Abrüstungs-, Demobilisierungs- und Reintegrationsprozess an. Das ist nicht nur teuer, sondern verfehlt auch den Zweck des Abkommens. Die zusätzliche Rekrutierung fördert politische Patronage und die Militarisierung der Konfliktregion.

Ein weiteres Problem ist, dass die sudanesische Regierung die Umsetzung des Friedensabkommens nicht bezahlen kann, und auch keine internationale finanzielle Unterstützung in Aussicht hat. Im Unterschied zu früheren Abkommen vermittelte nicht das reiche Katar, sondern der arme Südsudan. Die sudanesische Regierung hat Darfur zwar jährlich 750 Millionen US-Dollar zugesagt, angesichts seiner Schwierigkeiten für andere Ausgaben wie Nahrungsmittelimporte oder Gehälter im öffentlichen Dienst aufzukommen, ist jedoch unklar, wo diese Summe herkommen soll. Ohne Friedensdividende und Entwicklungsfonds werden die Ursachen des Konflikts weiter schwelen.

Der Einzug der bewaffneten Gruppen stärkt Sicherheitsakteure in der Regierung

Es wird deutlich: Die Hauptwirkung des Juba-Friedensabkommens ist nicht, nachhaltigen Frieden in den von Konflikt zerrütteten Gebieten Sudans zu bringen. Vielmehr zielt es auf den Übergangsprozess in Khartum. Das Abkommen wird in die Verfassungserklärung integriert, die den Übergangsprozess im August 2019 einleitete.

Zudem wird der Übergangsprozess um ein Jahr verlängert und die Vertreter der SRF werden den Übergangsinstitutionen beitreten. Sie erhalten drei zusätzliche Sitze im bisher elf Mitglieder umfassenden Souveränitätsrat (Sudans kollektiver Präsidentschaft während des Übergangsprozesses), sowie 25 Prozent der Sitze im Übergangsparlament, sobald dieses eingerichtet wird.

Fünf Sitze stehen den Rebellengruppen in einem erweiterten Kabinett von insgesamt 25 Ministerposten zu. Zudem dürfen die Vertreterinnen und Vertreter der Unterzeichner des Friedensabkommens bei zukünftigen Wahlen antreten, anders als noch in der Verfassungserklärung vorgesehen.

Die Integration bewaffneter Gruppen in die Politik wird die Machtverhältnisse in Khartum maßgeblich verändern. Es ist anzunehmen, dass Vertreter der bewaffneten Gruppen mit den Sicherheitskräften zusammenarbeiten werden, die sie als die wahren Machthaber ansehen. Dies wird zulasten der zivilen » Kräfte der Freiheit und des Wandels« (FFC) gehen. Die FFC als Koalition politischer Parteien und zivilgesellschaftlicher Organisationen sind ohnehin geschwächt und verlieren immer mehr ihren Anschluss an die Widerstandskomitees, die die Revolutionsbewegung 2018/2019 anführten.

Auch das Verhältnis zwischen den FFC, dem zivilen Kabinett und den Sicherheitskräften ist angespannt. Angesichts breiter Demonstrationen wegen der anhaltenden Wirtschaftskrise und fehlender Fortschritte des Reformprozesses deutete Burhan bereits Ende August eine vollständige Machtübernahme durch das Militär an. Diese Befürchtung äußerte damals auch ein Kontakt vor Ort mir gegenüber.

Die bevorstehende Eröffnung des Übergangsparlaments, die bislang aufgrund der Friedensverhandlungen aufgeschoben worden war, ist ein positiver Schritt für Partizipation während des Übergangsprozesses. Idealerweise wird sie Transparenz, Rechenschaft und Inklusion stärken. Die FFC haben versprochen, Abgeordnete aus allen Teilen Sudans zu ernennen. Öffentliche Beratungen im Übergangsparlament könnten ein Gegenmodel bilden zu den Ad-hoc-Kommissionen, welche die FFC, der Souveränitätsrat und das Kabinett in den letzten Monaten gegründet haben.

Außerdem haben die bewaffneten Gruppen und die FFC sich dazu verpflichtet, mindestens 40 Prozent weibliche Abgeordnete zu ernennen. Dies wäre ein wichtiger Schritt weg von der männlicher Dominanz im Friedens- und Übergangsprozess. Insgesamt muss das Übergangsparlament ein Ort werden, an dem die Übergangsregierung wieder Anschluss an die Widerstandskomitees und die Zivilgesellschaft findet, bevor diese sich ganz von dem Übergangsprozess verabschieden.

Internationale Partner sollten ihre finanzielle Unterstützung umsichtig anpassen

Die internationalen Partners Sudans sollten ihre Unterstützung bei der Umsetzung des Friedensabkommens gewissenhaft ausrichten. Obwohl das Abkommen alles andere als perfekt ist, stellt es doch einen wichtigen Meilenstein in Sudans Übergangsprozess dar. Finanzielle Förderungen dürfen keine Anreize für Neuanwerbungen seitens der Rebellen schaffen und sollten sich stattdessen auf die Fortbildung der bewaffneten Gruppen in demokratischen Prozessen, lokale Friedenskonsolidierung und Versöhnungsmaßnahmen konzentrieren.

Zusätzlich sollten die internationalen Partner ihre Zusagen für humanitäre Hilfe erhöhen. Momentan sind nur 47 Prozent des humanitären Plans der Vereinten Nationen für Sudan für das Jahr 2020 gedeckt.

Obwohl der Einfluss der Friedensmission von AU und UN auf die Sicherheitslage begrenzt ist, bleibt sie zumindest in den nächsten Monaten ein wichtiger Akteur für den Schutz der Zivilbevölkerung, die Sicherung humanitären Zugangs und die Umsetzung des Friedensabkommens. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen sollte sein Mandat für UNAMID über den 31. Dezember 2020, dem momentan geplanten Missionsende, verlängern.

Den seit Jahren eingeleiteten UNAMID-Rückzug in dieser Situation zu vollenden würde die von Ungewissheit und Ängsten lokaler Gruppen geprägte Situation in Darfur noch verschärfen. Die sudanesische Regierung hat sich zwar zu dem Schutz der Zivilbevölkerung verpflichtet, schafft es derzeit jedoch nicht, dem ausreichend nachzukommen, wie die Vorfälle der letzten Monate zeigen. Die UN Integrated Transition Assistance Mission in Sudan (UNITAMS), welche die Umsetzung des Friedensabkommens unterstützen soll, befindet sich derzeit noch in der Planungsphase und wird erst allmählich seine Arbeit im Januar 2021 aufnehmen.

Die UN-Mitgliedstaaten sollten eine ausreichende Ausstattung der neuen Mission mit genügend Expertinnen und Experten in den laufenden Haushaltsverhandlungen in New York sicherstellen. UNITAMS sollte die sudanesische Regierung unterstützen, auch lokale Friedensinitiativen in den peripheren Gebieten des Landes im Westen, Süden und Osten voranzutreiben.

Zuletzt bietet der Abschluss der aufwändigen Friedensverhandlungen in Juba eine Chance für die sudanesische Regierung und ihre internationalen Partner, die letztes Jahr vereinbarten Regierungs- und Wirtschaftsreformen mit neuem Schwung zu verfolgen. Denn nur wenn der Übergangsprozess einen Weg hin zu mehr Stabilität und Legitimität zeichnen kann, wird Sudan nachhaltigen Frieden finden.

South Sudan’s Peace Process Needs New Thinking

This piece originally appeared on the Global Observatory that is run by the International Peace Institute.

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Today marks the end of the fourth year of civil war in the youngest state on earth, South Sudan. Over the years, attempts to build a lasting peace agreement have faltered. The Agreement on the Resolution of the Conflict in South Sudan (ARCSS)—facilitated by the Intergovernmental Authority on Development (IGAD)—was signed by President Salva Kiir Mayardit and former Vice President Riek Machar Teny in August 2015, but by July 2016 the deal broke apart after several days of heavy fighting between Kiir’s and Machar’s troops in Juba. Current attempts to revitalize the ARCSS, although welcome, face an array of obstacles. To overcome these and to avoid repeating the same mistakes that led to the demise of the ARCSS, new thinking and approaches are needed.

Obstacles to a Lasting Peace Agreement

The model of peacemaking thus far has been characterized as “big tent”: after several rounds of fighting lead to a stalemate, the government provides rebel leaders with an opportunity to control and disperse resources, and to integrate their militia into the national army. This policy formed the basis of the ARCSS. In June 2017, the IGAD council of ministers called for a “high-level revitalization forum” of the ARCSS. The initiative has support within the government and from all major opposition groups who have expressed their readiness to participate in the negotiations. However, IGAD diplomats face a delicate balancing act. Some provisions of the peace agreement, including the security arrangements, are clearly obsolete and need to be reviewed. At the same time, opening the whole agreement for renegotiation risks drawing out the process and potentially losing some of the commitments to constitutional reform, economic management, and transitional justice that are included.

More importantly, it is fundamentally unclear how “revitalization” will look. Since the July 2016 crisis, political and military realities have changed considerably. After Riek Machar fled the country, President Kiir appointed the opposition politician Taban Deng Gai to replace him. Yet the government’s expectation that he would be able to bring along opposition fighters with him has not been met. Most of Riek Machar’s troops remain loyal to him. His involvement in the process remains a major stumbling block for the negotiations. No one in the diplomatic community in Juba that I spoke to during a recent research trip expects Machar to return to Juba, after SPLA units tried to kill him twice, in 2013 and 2016. Accommodating Machar in the government thus seems impossible, though marginalizing him has also not worked.

The underlying problem remains the logic of dividing the spoils. Positions of authority in South Sudan have served the self-enrichment of office-holders and the accumulation of political budgets. As a result of the insecurity in the country and the macroeconomic crisis, the resources that could be allocated are becoming smaller. Moreover, the lack of accountability of officials and politicians is a core challenge that contributed to the outbreak of the civil war in the first place. If there is no overarching political vision for South Sudan, another purely transactional power-sharing deal will inevitably result in dissent and confrontation just as in 2016.

No Easy Solutions

The last few years have made clear that there are no quick fixes in South Sudan. No single process will be able to bring a comprehensive peace to the country in the foreseeable future. For the time being, a number of measures can be taken that may mitigate and contain the scale and brutality of the violence, and even create space for a long-term peace agreement.

The first is for IGAD mediators and international interlocutors to make clear that perpetrators will face justice. Looting, sexual violence, and mass atrocities need to have consequences. Regional support for asset freezes and anti-money laundering measures, for example, is growing. In September, the African Union Peace and Security Council warned that the revitalization process represented “a last chance for the Parties” and threatened unspecified sanctions against spoilers. After the United States strengthened its unilateral sanctions regime, the Kenyan Central Bank instructed its banks to implement asset freezes that the UN Security Council had passed in 2015.

Second, international actors, such as the Troika—the three-nation group supporting negotiations consisting of Norway, the UK, and the US—but also Germany and the EU, could lobby other countries for an informal arms embargo on South Sudan. US pressure has already stopped Sudanese arms deliveries for Machar’s troops. Engaging with Ukraine, Uganda, and Egypt, which the UN Panel of Experts sees as the government’s arms dealers, would be crucial as well. A commitment to a ceasefire at the beginning of the revitalization forum could provide the diplomatic backing for those states to reconsider their covert arms shipments.

Third, empowering civil society and other constructive forces will be crucial. The churches play a very important role in peacemaking and reconciliation as they are the only institutions with a reach in all corners of the country. They also have the patience and stamina to stay engaged when national and international actors have long left. Their biggest advantage is also a challenge though. Part and parcel of South Sudanese society, they are not immune to the polarization that has divided the country. Work on intercommunal conflicts by the churches, the UN mission, and non-governmental organizations needs donor support, including for targeted early recovery measures.

A Need for International Introspection

Finally, Western countries, and in particular the Troika, will contribute more positively to negotiations if they are aware of their own impact on the conflict and the peace process. For example, Troika acceptance of the replacement of Riek Machar with Taban Deng Gai lent legitimacy to the process. On the other hand, the rushed and failed effort of the US to expand the UN sanctions regime and create an arms embargo “gave Juba a degree of increased confidence,” in one Western diplomat’s perception. The government then continued its operations in Equatoria that displaced hundreds of thousands of civilians, and obstructed humanitarian access. Another example is the disappointment of South Sudanese civil society organizations when German foreign minister Sigmar Gabriel stood them up during a visit in August 2017.

Ultimately, there is no silver bullet to ending the civil war in South Sudan. At the very least, international actors should ensure that their actions and omissions do not prolong the suffering, however unintentionally. Overcoming the tendency to broker conventional transactional power-sharing agreements would be an important start.

Gerrit Kurtz is a PhD candidate at King’s College London and a non-resident fellow with the Global Public Policy Institute in Berlin. His research focuses on conflict prevention diplomacy in South Sudan and Sri Lanka.