Machtbeziehungen in Sudan nach dem Fall Bashirs. Von der Revolution zum Krieg.

SWP-Studie 2024/S 10, 20.03.2024, doi:10.18449/2024S1

  • Seit April 2023 herrscht Krieg in Sudan. Er ist Ausdruck grundsätzlicher Veränderungen in den politischen Machtverhältnissen. Der vorher dominierende Sicherheitssektor ist tief gespalten und die ehemals schwach vernetzte Zivilgesellschaft hoch mobilisiert.
  • Einerseits ermöglichte die Konkurrenz innerhalb des Sicherheitssektors, eine zivil-militärische Übergangsregierung zu bilden. Andererseits erhöhte der weitere Aufstieg der Rapid Support Forces zur Macht das Risiko eines bewaffneten Konflikts, erst recht nach dem Putsch 2021.
  • Seit Bashirs Fall 2019 haben die Sicherheitskräfte zweimal vergeblich versucht, eine alleinige Militärherrschaft zu errichten. Gleichwohl scheiterte auch die zivil-militärische Übergangsregierung, weil das Militär nach wie vor über erhebliche Machtressourcen verfügte. Sudans politische Elite trug zu diesem Ausgang bei, indem sie sich zu wenig um den Aufbau rechtsstaatlicher Institutionen und zu viel um die eigene Sichtbarkeit kümmerte.
  • Internationale Akteure, die Sudans Übergangsprozess stärken wollten, hätten die Sicherheitskräfte entschiedener zurückdrängen können, statt sie reflexhaft einzubinden. Viele internationale und sudanesische Bemühungen krankten daran, dass sie entweder nur auf Einbindung oder nur auf Ausschluss der Sicherheitskräfte abstellten.
  • Ein neuer Elitendeal allein mit Sudans Gewaltunternehmern wird keinen Frieden bringen, solange keine zivilen Kräfte am Tisch sitzen. Sudans beste Chance liegt vielmehr im Sozialkapital des freiwilligen Engagements seiner Bürger:innen für humanitäre Versorgung, Demo­kratie und lokale Versöhnung.

Problemstellung und Empfehlungen

Der Ausbruch des Krieges zwischen den Sudanese Armed Forces (SAF) und den Rapid Support Forces (RSF) am 15. April 2023 hat Sudan in eine tiefe Krise gestürzt. Binnen kurzer Zeit wurden Millionen Menschen vertrieben, Infrastruktur und Wirtschaft zerstört, die Gesellschaft zunehmend polarisiert und militarisiert. Sudans Hauptstadt ist zum Schlachtfeld geworden, eine De-facto-Aufteilung des Territoriums unter den Kriegsparteien scheint möglich. In Darfur werden Massaker verübt und gezielte Gewalt gegen ethnische Gruppen eingesetzt.

Deutschland war einer der wichtigsten Unter­stützer der Transition in Sudan. Es investierte erheb­liches diplomatisches und finanzielles Kapital in deren Erfolg. Doch der Kriegsausbruch erwischte die Bundesregierung kalt, genau wie viele ihrer Partner. Sie evakuierte hunderte deutsche und andere aus­ländische Staatsbürger:innen. Seitdem sucht Deutsch­land vergeblich nach einem wirkungsvollen Umgang mit einem Krieg, der zur größten Vertreibungskrise weltweit geführt hat.

Dabei schienen die hohe Mobilisierung von Sudans gewaltfreier Protestbewegung und die verhandelte Übergangsverfassung 2019 vielversprechend zu sein. Grundsätzlich erhöhte die Mitwirkung von Teilen der (Sicherheits-)Elite des früheren Regimes die Chancen auf erfolgreiche Demokratisierung, auch wenn diese Machtteilung auf harsche Kritik aus der Zivilgesellschaft traf. Eine gut organisierte Zivilgesellschaft übte Druck auf die zivil-militärische Übergangsregierung aus, die Ziele der Transition auch tatsächlich umzu­setzen. Die zivilen Politiker:innen in der Übergangsregierung konnten in den Verhandlungen auf diesen Druck verweisen, sobald der Sicherheitsapparat Anstalten machte, die Transition zu blockieren.

Dennoch scheiterte der Übergangsprozess nach nur gut zwei Jahren mit dem Militärputsch vom Okto­ber 2021. Angesichts der vielen Putsche in Sudans Geschichte, zuletzt zum Sturz Bashirs, überraschte es nicht, dass die Militärs wieder die ganze Macht an sich rissen. Anders jedoch als bei früheren erzwungenen Beendigungen ziviler Regierungsführung in Sudan und bei Transitionsprozessen in der Nachbarschaft gelang es den Sicherheitskräften nicht, eine stabile Putschregierung zu bilden. Stattdessen ließen sie sich auf Verhandlungen über die Bildung einer zivilen Regierung ein, die im April 2023 kurz vor dem Abschluss standen. Ungewöhnlich war auch, dass der Krieg innerhalb des Sicherheitssektors ausbrach, zwischen zwei militärisch nahezu gleich starken, wenn auch in ihren Fähigkeiten komplementär auf­gestellten Sicherheitskräften. Der Krieg entsprang im Zentrum des repressiven Apparats, nicht in dessen Peripherie und auch nicht zwischen diesem und der Demokratiebewegung. Damit steht der Krieg zwischen SAF und RSF auch für grundsätzliche Ver­änderungen im politischen System Sudans.

In dieser Studie wird untersucht, wie die angedeuteten Verschiebungen politischer Macht zustande kamen und in einem Krieg gipfelten, der Sudans gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Inte­grität in Frage stellt. Der Schwerpunkt der Analyse liegt auf den Machtressourcen der wichtigsten Akteurs­gruppen und ihrem wechselseitigen Aushandlungsverhalten nach dem Sturz Bashirs im April 2019. Allerdings reichen die Wurzeln dieser Veränderungen in die Zeit vor Bashir zurück, als die sudanesische Regierung begann, die Bekämpfung von Aufständen bewaffneter Gruppen in der marginalisierten Peri­pherie an ethnische Milizen auszulagern. Zivile Oppo­sitionsgruppen wiederum üben sich schon seit rund einem Jahrzehnt in Techniken gewaltfreien Widerstands und organisieren sich auf Graswurzelebene. Mit der Entmachtung Bashirs und der Bildung einer Übergangsregierung im August 2019 kamen diese und weitere längerfristige Entwicklungen wie in einem Brennglas zusammen.

Die gewaltsame Eskalation der Spannungen zwischen SAF und RSF war das Ergebnis zweier gescheiterter Prozesse: des demokratischen Übergangsprozesses und des auf ihn folgenden Putsches. Im ersten gelang es den demokratischen politischen Akteuren nicht, ihren Zusammenhalt zu wahren und die Macht des Sicherheitssektors substantiell zu reduzieren. Die Übergangsregierung unter Premierminister Hamdok setzte auf eine vertiefte Partnerschaft mit den Sicher­heitskräften, konnte dabei aber weder deren Unter­stützung noch die der demokratischen Protestbewegung gewinnen. Anstatt das Terrain für zivile Politik institutionell zu sichern, verfolgten die politischen Parteien eine Nullsummenpolitik, sowohl untereinander als auch zunehmend gegenüber dem Militär. Auf der anderen Seite misslang es den Sicherheitskräften, ihre Herrschaft zu festigen, nachdem sie die zivilen Mitglieder aus der Regierung entfernt hatten. Deshalb erklärten sich die Sicherheitskräfte ab Sommer 2022 bereit, die Regierungsgewalt an eine zivile Regierung abzutreten. Immerhin gab es keine geeinte politische Kraft, die als Steigbügelhalter für eine Militärregierung dienen wollte. Das war der fortwährenden zivilgesellschaftlichen Mobilisierung und internationalem Druck zu verdanken. Zudem vertiefte der Putsch die Differenz zwischen SAF und RSF, die auf unterschiedliche politische Partner setzten, welche einander wiederum als Hauptgegner sahen: Die SAF stützten sich auf die islamistischen Loyalisten des Bashir-Regimes, während die RSF versuchten, durch Übernahme einer demokratischen Rhetorik wichtige politische Parteien für sich zu gewinnen (welche sich freilich um Unabhängigkeit bemühten).

Dass nach Äthiopien ein weiterer Übergangs­prozess in der Region in massiver Gewalt endete, gibt Anlass dazu, den vorherrschenden internationalen Ansatz zur Förderung solcher Transitionen zu über­denken. Die Verantwortung für den Krieg tragen die Konfliktparteien, aber Sudans internationale Unter­stützer und seine politische Elite hätten mehr tun können, die Bedingungen zu entschärfen, die diese Eskalation ermöglichten. Sie hätten stärkere Anreize für die Etablierung demokratischer Institutionen setzen und mehr Druck auf die Sicherheitskräfte ausüben können, damit diese ihre wirtschaftlichen und finanziellen Ressourcen, auch im Ausland, in den Dienst des Gemeinwohls stellen.

Um Übergangsprozesse wie in Sudan effektiver voranzubringen, sollte ein veränderter internatio­naler Ansatz angewandt werden, der auch Orientierung für Friedensgespräche bietet. Nichtinklusive Abkommen in Sudans Geschichte bildeten immer wieder den Nährboden für Gewalt. Ein erneutes Machtteilungsabkommen, das die Sicherheitskräfte in die Politik einbindet, würde ein hohes Risiko bergen, diese Gewaltgeschichte fortzuschreiben. Stattdessen sollten internationale Akteure so weit wie möglich die internationalen Finanz- und Unter­stützungsnetzwerke der Sicherheitskräfte eindämmen, zivilgesellschaftlichen Akteuren flexibler Rück­halt gewähren und in einem künftigen Übergangsprozess größeren Wert darauf legen, dass demokratie­fördernde Veränderungen auf nationaler und lokaler Ebene institutionell verankert werden. Im Zentrum einer möglichen Nachkriegsordnung Sudans sollte eine umfassende Sicherheitssektorreform stehen.

Ausgangslage

Am 11. April 2019 endete die Herrschaft von Omar al‑Bashir, als ihn seine eigenen Sicherheitskräfte ent­machteten.1 Seit dem 30. Juni 1989 hatte er, gestützt auf die National Congress Party (NCP) als Teil einer islamistischen Bewegung, an der Spitze eines autori­tären Staates gestanden. Am Ende scheiterte sein Herrschaftssystem an seinen eigenen Widersprüchen. Die Bedingungen, die zu Bashirs Fall und dem Ende der NCP-Regierung geführt hatten, wirkten nach und erschwerten es deren ehemaligen Kräften später, wieder die Macht zu übernehmen.2

Zusammenbruch und Hinterlassenschaft der NCP-Herrschaft

Das NCP-Regime konnte nie auf eine breite Basis in der Gesellschaft bauen, sondern musste sich durch andere Mechanismen stabilisieren. Dazu zählten gewaltsame Repression, der Kauf der Loyalität von Oppositionsparteien und Teilen der Bevölkerung sowie internationale Unterstützung. Seine relative Blüte bestand während des Ölbooms von 1999 bis zur Sezession Südsudans 2011. Mit der friedlichen Abspaltung des Südens im Juli 2011 verlor Sudan 70 Prozent seiner Staatseinnahmen, da die meisten Ölquellen im Süden liegen. Eine wachsende Gold­produktion konnte diesen Einbruch nicht wett­machen, den die Regierung eine Zeitlang mit der Monetarisierung des aus ihm resultierenden Budgetdefizits auszugleichen versuchte, also einer massiven Erhöhung der im Umlauf befindlichen Geldmenge durch die Zentralbank.3 Diese Strategie trieb jedoch die Preise in die Höhe – und die Menschen bereits vor 2018 auf die Straße.

Die Fähigkeiten des NCP-Regimes zur Repression schwanden, weil sowohl die islamistische Bewegung als auch die Sicherheitskräfte aus jeweils unterschiedlichen Gründen auseinanderbrachen. Unzufrieden mit der Abspaltung Südsudans und der mangelnden Konsolidierung der islamistischen Herrschaft, wand­ten sich führende Mitglieder von der Bewegung ab und gründeten eigene islamistische Parteien.4

Bashir entglitt die Kontrolle über den Sicherheitssektor. SAF-Angehörige stellten sich 2019 auf die Seite der Demonstranten, ebenso wie Kinder hoch­rangiger SAF-Generäle. So verbündeten sich die SAF, der Geheim­dienst und paramilitärische Kräfte gegen Bashir, um eine offene Auseinandersetzung zwischen Teilen der Sicherheitskräfte zu verhindern. Diese hätte ihre jeweiligen politischen und wirtschaftlichen Privilegien gefährdet. Nicht zuletzt ent­fremdete die gewaltsame Repression wichtige Teile der sudanesischen Wirtschaftselite, die ihre lang­fristigen Interessen durch drohende Instabilität gefähr­det sahen und ebenfalls Söhne und Töchter in der Demokratiebewegung hatten.5

Schließlich konnte sich Bashir nicht mehr auf internationale Unterstützung verlassen. Er versuchte zwischen den beiden damaligen Blöcken in der arabi­schen Welt um Katar einerseits sowie um die Ver­einigten Arabischen Emirate (VAE) und Saudi-Arabien andererseits zu balancieren, war am Ende aber zu abhängig von der finanziellen Unterstützung durch die letzteren beiden. VAE und Saudi-Arabien waren enttäuscht, weil Bashir sich in der Katarkrise am Golf ab 2017 neutral verhalten und nicht von den heimischen Islamisten in der Regierung getrennt hatte. So entschieden sie, die Zahlungen an Bashir einzustellen, da sie ihn als unzuverlässig einstuften.6

Auch ohne Bashir blieb das Patronagesystem der »Ermächtigung« (Tamkeen) bestehen, das er und seine Herrschaftselite geschaffen hatten. Das System hatte zur Folge, dass die Ministerien voller unqualifizierter Personen waren, während der Geheimdienst die eigentliche Regierungsmacht ausübte. Der Sicherheits­sektor kontrollierte einen großen Teil der Wirtschaft.7 Nach Jahrzehnten von US-Wirtschaftssanktionen lagen dessen Produktivkräfte weitgehend brach. Jahr­zehntelang hatte der Staat mit Hilfe von Milizen und Sicherheitskräften die Peripherien und ländliche Gebiete ausgepresst. Per Gesetz wurden Frauen diskriminiert und in ihrer persönlichen Bewe­gungs- und Handlungsfreiheit eingeschränkt. Obwohl Sudan sich um Annäherung sowohl an Golfstaaten als auch in jüngerer Zeit an westliche Staaten bemühte, verfügte das Land kaum über belastbare außenpoli­tische Partnerschaften.

Die Transition als Chance für den Beginn einer Transformation

Mit Bashirs Sturz ging auch eine Gelegenheit für tiefe­ren Wandel des militarisierten politischen Systems einher, das er entscheidend geprägt hatte. Forschungen zu Regimewandeln zeigen, dass gewaltfreie Bewegungen größere Erfolgschancen haben als gewalt­tätige Aufstände.8 »Erfolg« meint hier allerdings den Moment des Umsturzes, nicht notwendigerweise dauerhafte Demokratisierung. Die Forschung zu demokratischen Transitionen betont seit langem, dass die Beteiligung von Kräften des früheren Regimes im Sinne eines verhandelten Übergangs (»pacted transition«) die besten Aussichten für einen fried­lichen Wechsel eines politischen Regimes bietet.9

Soll ein verhandelter Übergang erfolgreich sein, muss der innen- und außenpolitische Druck auf die Übergangsregierung hoch bleiben.

Solche »verhandelten Revolutionen« folgen oft dann, wenn auf die Person eines Herrschers aus­gerichtete Regierungssysteme zusammenbrechen. Weitere begünstigende Faktoren sind die Spaltung und teilweise die Unterstützung für den Wandel durch den Sicherheitsapparat, die Ablehnung von Gewalt durch die Reformkräfte, verbunden mit expliziter Unterstützung für Gewaltfreiheit, die Offenheit gegenüber liberalen internationalen Akteuren sowie eine eher schwache Staatlichkeit.10 Diesen Übergangsprozessen zugrunde liegen oft Aus­handlungen zwischen Refor­mern des alten Systems und moderaten Kräften der Opposition. Dabei kommt es darauf an, dass der innere und äußere Druck auf die Kräfte des früheren Regimes auch nach Beginn der Transition bestehen bleibt, damit diese sich einem weiteren Verlust ihrer Macht im Zuge der Stärkung von Rechtsstaat, Mitbestimmung und wirt­schaftlicher Öffnung fügen. Gewaltfreie Transitionen führen dann eher zu Demokratie, wenn sie Protestbewegungen auch nach dem Wechsel einbinden bzw. jene die Betei­ligung aktiv einfordern und wenn die zivile politische Elite gemäßigte Ziele verfolgt und kompromissbereit ist.11

Im Falle Sudans war es das Zusammenwirken von vier Faktoren, welche eine verhandelte Transition begünstigten.12 Da war erstens die andauernde Mobi­lisierung einer breiten gesellschaftlichen Bewegung im ganzen Land, vor allem getragen von jungen Menschen. Die ersten Proteste tauchten im Dezember 2018 in der Peripherie auf, nämlich in Atbara im Norden und Ed-Damazin im Süden, bevor sie Khar­tum erreichten. Dabei war diese Bewegung resilient selbst gegenüber heftiger Repression. Ein Wendepunkt war der »Millionenmarsch« am 30. Juni 2019, bei dem trotz Internet- und Telefonsperren Hunderttausende auf die Straße gingen, nachdem die Sicher­heitskräfte am 3. Juni das zentrale Protestcamp vor dem Militärhauptquartier in Khartum gewaltsam aufgelöst hatten. Die Sicherheitskräfte hätten diese Bewegung nur mit dauerhafter und skrupelloser bewaffneter Gewalt unterdrücken können.

Diese Option stand ihnen wegen ihrer Spaltung – dies war der zweite entscheidende Faktor – nicht offen. Es blieb attraktiv für Teile der Sicherheitskräfte, sich als die wahren Vertreter der Revolution darzustellen und um die Gunst der Bevölkerung zu buhlen. Massive Gewaltanwendung gegen die Zivilbevölkerung hätte diesen Graben zwischen den Sicherheitskräften vertieft und das Risiko einer bewaffneten Auseinandersetzung im Sicherheitssektor erhöht, da sich möglicherweise eine Kraft, wenn auch nur rhe­torisch, auf die Seite der Zivilgesellschaft geschlagen hätte.

Drittens waren die Gegner des Sicherheitssektors zumindest Anfang 2019 noch gut organisiert. Mit der Erklärung für Freiheit und Wandel vom 1. Januar 2019 bildete sich eine gemeinsame zivile Front, die politische Parteien, Gewerkschaften, Graswurzel­bewegungen und bewaffnete Gruppen einschloss – die Forces of Freedom and Change (FFC). In Gestalt der Sudanese Professionals Association (SPA) gab es eine Organisation, die als Transmissionsriemen innerhalb der FFC zwischen der alten Garde der politischen Parteien13 und den jungen Aktivistinnen und Aktivi­sten der Straße agieren konnte. SPA und FFC konnten im Namen der Demokratiebewegung verhandeln, woraus die Übergangsverfassung vom 17. August 2019 entstand.

Schließlich waren die regionalen und internatio­nalen Akteure, die Einfluss in Sudan hatten, zu Anfang des Übergangsprozesses relativ geschlossen. Hatten arabische Mächte noch das Militär mit einer großzügigen Finanzspritze von drei Milliarden US-Dollar kurz nach dem Fall Bashirs bedacht,14 setzten sie sich nach dem Massaker vom 3. Juni 2019 für Verhandlungen zwischen Demokratiebewegung und Militär ein, weil sie massive Instabilität in Sudan fürchteten. Die USA, die Europäische Union (EU), die Afrikanische Union (AU) und die Vereinten Nationen (UN) unterstützten den demokratischen Übergangsprozess ebenfalls, nicht zuletzt weil seine tragenden Akteure in der zivilen politischen Szene Sudans im weiteren Sinne liberal waren. Sie richteten sich ausdrücklich gegen die gesellschaftliche Unter­drückung durch das islamistische Bashir-Regime mit seiner Kleiderordnung für Frauen, rückwärts­gewandten Scharia-Gesetzgebung und Sittenpolizei.

Machtressourcen und Herausforderungen der zentralen Akteure

Jeder Übergangsprozess ist, vereinfacht gesagt, von einem Tauziehen zwischen Kräften des (fortschritt­lichen) Wandels und Beharrungskräften des ancien régime gekennzeichnet. Tatsächlich ziehen die wich­tigsten Akteure einer Tran­sition sogar oft in mehr als zwei Richtungen, so auch in Sudan. Dabei bringen alle Akteure unterschiedliche Machtressourcen zur Geltung, über die sie auf­grund ihrer Organisation und Ausrichtung verfügen. Solche Ressourcen betref­fen vier grundsätzliche Felder politischer Ausein­andersetzung in jedem Staatswesen: Sicher­heit, Wirt­schaft, Legitimität sowie internationale Beziehungen. Die Verteilung dieser Machtressourcen bildet den strukturellen Rahmen, in dem der politische Wett­bewerb eines Übergangsprozesses stattfindet. Für die Handlungsmacht der politischen Akteure spielen dazu Faktoren wie ihre Fachexpertise, ihre Erfahrung und ihre organisatorischen Fähig­keiten im Verhältnis zu den anderen Akteuren eine Rolle, sowie ihre Bereitschaft, Koalitionen einzugehen und Kompromisse zu schließen.15

Konstitutiv für einen Übergangsprozess nach Jahr­zehnten autoritärer Herrschaft ist der Wandel der Machtverhältnisse. Im Gegensatz zu stabilen autori­tären oder demokratischen Regimen besteht erheb­liche Unsicherheit darüber, welche »Spielregeln« im politischen Raum noch gelten, und daher auch, wer welche Ressourcen wie einsetzen kann.16 Der Sturz Bashirs und die Unfähigkeit des Militärs, angesichts fortwährender Proteste allein zu regieren, wirbelten die politischen Beziehungen in Sudan durcheinander.

Im Wettbewerb dieser Kräfte ist entscheidend, »wer schneller lernen kann und diese Lernerfolge erfolgreicher einsetzen kann«.17 Die handelnden Akteure interpretieren jede Maßnahme oder politische Aus­sage als eine Runde in einem Spiel, das die Macht der ein­zelnen Spieler definiert. Dieses Spiel bedeutet, dass die jeweiligen Akteure stets versuchen, ihren Hand­lungsspielraum zu erweitern, dabei aber nie genau wissen, wie weit sie gehen können, ohne dass es zu einer Zerreißprobe kommt. Zwar bietet die Fluidität eines Übergangsprozess die Chance für tiefgreifendere Veränderungen am politischen System als sonst. Aber ein zu schneller Wandel macht auch einen Rückfall in den Autoritarismus wahrscheinlicher, weil die demokratischen Kräfte noch nicht abgesichert und ihre Vorstellungen noch nicht ausreichend institutio­nell verankert sind. Zu vorsichtiger oder zu lang­samer Wandel beinhaltet gleichwohl das Risiko, dass dieselben oder neue Eliten die auf Ausbeutung gerich­teten Institutionen des Staates für sich nutzen (»state capture«)18 oder erneute Protestwellen einer mobilisierten Zivilgesellschaft einen Umsturz herbeiführen. Eine Balance zwischen diesen beiden Kräften, die einen wirklich nachhaltigen Wandel hin zu einer

stabilen liberalen Demokratie ermöglicht, erreichen auf Anhieb nur sehr wenige Übergangsprozesse.19

Zentral für den Ausgang von Übergangsprozessen sind daher sowohl die Machtressourcen als auch die Dynamik, die aus dem Lern- und Anpassungs­verhalten und den Strategien der wichtigsten Akteure entsteht. Nach dem Fall Bashirs waren dies vor allem die politischen Parteien, die Demokratiebewegung in der Zivilgesellschaft, die Sicherheitskräfte und die bewaffneten Gruppen. Im Hintergrund wirkten darüber hinaus wirtschaftliche Eliten und Angehörige des früheren Regimes mit, deren Rolle im Einzelnen jedoch schwer zu durchschauen ist.

Vertrauensverlust gegenüber politischen Parteien

In einem Übergangsprozess von einem autokratischen zu einem demokratischen System kommt poli­tischen Parteien eine entscheidende Rolle zu. Mit ihrem Personal und ihrer Programmatik bilden sie eine Alternative zur bisherigen Regierungspartei sowie einen Transmissionsriemen zur sozialen Bewe­gung, welche den Übergangsprozess angestoßen hat. Gleichwohl sind sie selbst geschwächt von der auto­ritären Herrschaft. Ihnen mangelt es an Regierungs­erfahrung, sie verfügen nur über eingeschränkten Rückhalt in der Bevölkerung und sind möglicher­weise in einem Nullsummenverständnis von Politik gefangen, was Kooperation erschwert. Diese Probleme sind allesamt in Sudan sichtbar.

Die Nullsummenpolitik der politischen Parteien beförderte die Polarisierung des zivilen Sektors.

Sudan weist ein vielfältiges Spektrum politischer Parteien auf. Dazu gehören die beiden »traditionellen« Parteien und ihre Abspaltungen, die National Umma Party (NUP) und die Democratic Unionist Party (DUP). Beide sind aus Verbindungen islamischer Orden mit der aufstrebenden handeltreibenden Klasse entstanden, die bis in die britische Kolonialzeit zurückreichen.20 Daneben gab es früher die »modernen« Parteien an den jeweiligen Rändern des politi­schen Spektrums: die Sudanese Communist Party (SCP) und die National Islamic Front (NIF, später National Congress Party, NCP) mit ihren jeweiligen Ablegern. Die NCP wurde nach Präsident Bashirs Sturz verboten. Schließlich existiert eine Reihe kleinerer, aber durchaus einflussreicher Parteien, welche aus Universitätspolitik (wie die Sudanese Congress Party) oder panarabischen Verbindungen (Baath Party) entstanden sind.

Die Parteien leiden unter erheblichem Vertrauensverlust in der Bevölkerung und besonders im gewalt­freien Widerstand. Aktivist:innen werfen ihnen vor allem die wiederholte Kooperation mit dem Militär und Militärregierungen vor. Kooption gibt es seit langem. Alle Phasen ziviler Herrschaft wurden durch Putsche beendet, bei denen das Militär mit einzelnen politischen Parteien zusammenarbeitete: Die NUP (1958), die SCP (1969) und die NIF (1989) sahen es jeweils als opportun an, sich mit dem Militär gegen ihre innenpolitischen Gegner zu verbünden.21 Die Nullsummenmentalität vieler politischer Führer beförderte die Polarisierung und führte dazu, dass sie sich vor allem um ihr politisches Überleben kümmerten und Eliten sich »wie Diktaturen« verhielten, wenn sie an die Regierung kamen.22 Außerdem entstammt das politische Führungspersonal einer dünnen sozia­len Schicht, die weniger unter den Folgen ihrer Fehler leiden musste als die Gesamtbevölkerung.23

Eine besondere Schwierigkeit für die Zusammenarbeit der politischen Parteien untereinander wäh­rend der Übergangsregierung 2019–2021 lag darin, dass völlig unklar war, wie viel Rückhalt die einzelnen Parteien in der Bevölkerung hatten. Meinungsumfragen gab es nicht. Bevölkerungs- und Wirtschaftsdaten waren überwiegend veraltet oder lücken­haft. Die letzten demokratischen Wahlen hatten 1986 stattgefunden,24 als die Mehrheit der Bevölkerung von heute noch gar nicht geboren war. Damals hatte die NUP die meisten Stimmen erhalten. Unter der NIF/NCP-Herrschaft galt die NUP auch als wichtig­ste Oppositionspartei. Bereits in den Oppositions­koalitionen gegen Bashir war die NUP daher unzufrie­den, wenn sie auf einer Stufe mit kleinen Kader-parteien wie der Baath-Partei in den jeweiligen Ent­scheidungsgremien vertreten war, »die es nie in ein gewähltes Parlament geschafft hatten«.25

Führende Vertreter der politischen Parteien sprachen offen über ihre strukturellen Schwächen, ihre mangelnde Erfahrung und unzulängliche politische Ausbildung. »Wir waren nicht vorbereitet, als Bashir gestürzt wurde. Wir hatten den Wandel nicht so schnell erwartet«, sagte ein NUP-Vertreter.26 Ein Mit­glied des Politbüros der Sudanese Congress Party meinte, politische Parteien seien zwar nicht reif, aber sie würden auch nicht reifer, wenn sie nicht Teil der Regierung seien.27

Dennoch brachten die politischen Parteien Macht­ressourcen ein, über die andere Akteure in dieser Form (bis dato) nicht verfügten. Die jeweiligen Partei­führungen waren Ansprechpartner für nationale und internationale Konsultationen. Auch verfügten die Parteien über ein gewisses Maß an politischer Organisation, die es ihnen ermöglichte, an Wahlen und Verhandlungen teilzunehmen. Schließlich besaßen sie politisch-taktische Expertise, die sie in Verhandlungen mit anderen Stakeholdern, besonders dem Militär, einbrachten.

Gewaltfreier Widerstand

Sudan besitzt eine lange Tradition gewaltfreier Pro­teste. 1964, 1985 und 2019 mündeten gewaltfreie Protestbewegungen in den Sturz von Militärregierungen. Die Organisationen des zivilen Widerstands entwickelten sich in einem Kontext extremer autori­tärer Repression unter dem NCP-Regime. Dieses verbot Gewerkschaften und Berufsverbände, welche zusammen mit Universitäten führende Rollen bei den früheren Aufständen gespielt hatten, und etab­lierte regimetreue Gewerkschaften. Der Geheimdienst (National Intelligence and Security Service, NISS) knüpfte ein dichtes Überwachungsnetz, das es demo­kratisch orientierten Akteuren erschwerte, sich effek­tiv zu organisieren. Fragmentierung und Kooption bildeten daher beträchtliche Herausforderungen für zivile Akteure. So erhoben sich zwar immer wieder Proteste gegen das NCP-Regime, beispielsweise inspi­riert von den Erfolgen in Ägypten und Tunesien 2011 oder aufgrund steigender Preise 2013, aber es fehlte an der Organisation, »welche in der Lage war, die Proteste anzuführen und ihnen eine Richtung zu geben«.28 Angesichts von bewaffneter Gewalt, Verhaf­tungen und Infiltrationsversuchen galt es, resilient zu sein.

Anfangs spielte die SPA eine wichtige Vermittlerrolle zwischen Protestbewegung und Parteien.

Das Verhältnis zwischen der Demokratiebewegung, in Sudan oft schlicht als »die Straße« bekannt, und der politischen Elite ist ausschlaggebend für die Erfolgs­aussichten zivilen Widerstands.29 Eine zentrale Rolle nahm dabei die Sudanese Professionals Asso­ciation (SPA) ein, ein Zusammenschluss inoffizieller Gewerkschaften und Berufsverbände, gegründet im Juli 2018. Als sich im Dezember 2018 landesweit Wut gegen die NCP-Regierung wegen der Erhöhung von Brotpreisen breit machte, sprang die SPA darauf an. Sie stellte das gesuchte Bindeglied zwischen den protestierenden Massen und den existierenden, elitär ausgerichteten Parteien her.

Eine Lehre aus früheren Protesten sowie den Erfah­rungen des arabischen Frühlings bestand darin, eine möglichst breite Koalition aufzustellen.30 Diese würde, so hoffte man, es den Behörden erschweren, den Protest zu brechen. Daher verfasste die SPA eine Grundsatzerklärung, der sich alle relevanten oppo­sitionellen Kräfte im Land anschlossen. Ausdrück­liches Ziel dieser Erklärung für Freiheit und Wandel war es, »politische Rückendeckung« für die Protestierenden zu schaffen.31

Die breite Mobilisierung ist vor allem ein Erfolg dezentraler, informeller Zusammenschlüsse, der lokalen Widerstandskomitees (Local Resistance Com­mittees). Deren Anfänge liegen etwa um 2013. Beson­dere Verbreitung fanden sie im Zuge der Proteste seit Dezember 2018, weswegen einige sie auch als »Hauptinnovation der Dezemberrevolution« bezeichnen.32 Vor allem junge Menschen finden sich in den lokalen Widerstandskomitees wieder. Jugend­aktivist:innen profitierten von jahrelangem Training in gewaltfreien Taktiken, Organisation, Genderfragen und Führungsqualitäten nach den Protesten von 2013. Deren Taktiken machten es den umfangreichen Überwachungsnetzwerken des Regimes schwer, diese Gruppen zu infiltrieren.33

Gerade bei jungen Menschen, die in einem Klima gesellschaftlicher und politischer Repression und wirtschaftlichen Niedergangs groß geworden waren, erzeugte die Zusammenarbeit in den Widerstandskomitees ein enormes Gefühl der Selbstermächtigung angesichts patriarchaler Machtstrukturen.34 Dieses ermöglichte es der revolutionären Bewegung, Mobili­sierung trotz massiver Gewalt und eigener Not auf­rechtzuerhalten. Freiwillige engagierten sich auch in der Basisversorgung, beispielsweise im Rahmen von »Emergency Response Rooms« nach Ausbruch des Kriegs, die sich um die humanitäre Versorgung der lokalen Bevölkerung beispielsweise mit Gemeinschaftsküchen und medizinischer Koordination kümmern.35

Die lokalen Widerstandskomitees besitzen erheb­liche Machtressourcen in der innenpolitischen Aus­einandersetzung. Sie verfügen über hohe Legitimität in ihren Nachbarschaften und sind dort fest ver­ankert. Es gibt sie im ganzen Land, in Städten und länd­lichen Gegenden. In einem von der sudanesischen Übergangsregierung in Auftrag gegebenen Mapping kam das Carter Center für das Jahr 2021 auf 7.238 Jugendorganisationen, darunter 5.289 Widerstandskomitees36 – eine Verbreitung, mit der keine politi­sche Partei Schritt halten kann.37 Die Gewaltfreiheit der Komitees setzt sie von anderen jungen Menschen ab, die bewaffneten Gruppen, Milizen und Sicherheitskräften beitreten. Der wirtschaftlichen Macht des Sicherheitssektors stellte die zivile Bewegung Streiks und Blockaden entgegen.

Die lokalen Widerstandskomitees sind kein einheitlicher Akteur, der ohne Weiteres in Verhand­lungen eingebunden werden könnte. Ihre Mitglieder vertreten unterschiedliche politische Positionen. Um in einem repräsentativen System konkret Einfluss zu nehmen, sind sie daher auf einen Transmissionsriemen angewiesen, wie ihn politische Parteien grund­sätzlich darstellen. Später entwickelten die Widerstandskomitees ihre eigenen Koordinationsmechanis­men auf bundesstaatlicher Ebene, um ihre politi­schen Vorstellungen zu artikulieren.

Spaltung der Sicherheitskräfte

Das Militär ist so eng mit Staat und Gesellschaft in Sudan verbunden, dass es nicht nur ihm gefällige Regierungen durch Putsche an die Macht brachte, sondern Teile des Militärs revolutionären Bewegungen auch dabei halfen, diese Regierungen wieder zu stürzen. Dies hatte vor allem mit der gesellschaft­lichen Nähe von Polizei- und Militärkräften zu den Führern der jeweiligen Aufstände zu tun, die in der Regel aus der oberen Mittelschicht im Zentrum Sudans stammten.38

Die Spaltung des Sicherheitssektors hat tiefe Wurzeln. Immer wieder gab es eine Entfremdung zwischen der Regierungsspitze, die durch einen Putsch ins Amt gekommen war, und dem restlichen Militär.39 So begann bereits Jafa’ar Nimeiri nach seinem Putsch 1969 mit dem Aufbau konkurrierender Sicherheitsorgane, um sein Regime vor einem Staats­streich zu schützen (»coup proofing«).40 Daneben lagerten Regierungen seit den 1980er Jahren, zuerst unter Premierminister Sadiq al-Mahdi (NUP), die Aufstandsbekämpfung in diversen Konflikten an parastaatliche, oft ethnisch oder religiös definierte Milizen aus.41

So entstanden neben den regulären Streitkräften (SAF) und der Polizei unter anderem die Rapid Support Forces (RSF), der General Intelligence Service (GIS, früher NISS) mit seinen Operationseinheiten sowie die Popular Defense Forces. Aufgrund ihrer Größe, ihrer politischen Rolle seit dem Sturz Bashirs und schließlich dem Kriegsausbruch im April 2023 sind die RSF von besonderer Bedeutung.

Die RSF gingen aus arabischen Milizen der Region Darfur im Westen Sudans hervor, welche die Bashir-Regierung dort zur Aufstandsbekämpfung einsetzte, oft verbunden mit gezielter Gewalt gegen die Zivil­bevölkerung. Dort waren sie als »Janjaweed« bekannt. RSF-Führer Mohamed Hamdan Dagalo, genannt Hemedti, gehört den Mahariya an, einem Stamm der nördlichen Reizegat-Nomaden aus Darfur. Während des vorläufigen Höhepunkts der Gewalt in Darfur 2003/04 stieg Hemedti zu einem wichtigen Milizenführer auf. Nach einer kurzen Phase der Rebellion gegen den Staat wurde er 2008 Sicherheitsberater des Gouverneurs des Bundesstaats Süd-Darfur.42 2013 schuf Präsident Bashir die RSF, zunächst unter der Kontrolle des NISS. In zwei Großoffensiven 2014 und 2015 besiegten und vertrieben die RSF in Koordi­nation mit regulären Armee-Einheiten bewaffnete Gruppen aus Darfur. Während der Folgejahre stiegen die RSF in den Schmuggel von Migranten und in die Goldproduktion ein. Außerdem wurden RSF-Truppen in großer Zahl im Jemenkrieg unter Führung der VAE und Saudi-Arabiens eingesetzt (neben einem kleine­ren SAF-Kontingent).43 Aus diesen Quellen wuchs die Finanzkraft der RSF und ihres Führers stark an.44 2017 war ein wichtiges Jahr für die RSF: Hemedtis Konkurrent Musa Hilal wurde verhaftet, und die RSF wurden auf der Basis eines eigenen Gesetzes in eine »reguläre Streitkraft« unter der Hoheit des Ober­kommandierenden der Sicherheitskräfte, das heißt Präsident Bashir, verwandelt. In der Folge wurden die RSF de facto zu Bashirs persönlicher Schutzgarde.

SAF und RSF verbindet das Ziel, Dominanz über den sudanesischen Staat zu behalten bzw. vollständig zu erlangen. Ihre Vorstellungen vom Staat unterscheiden sich jedoch. Das SAF-Offizierskorps sieht die Streitkräfte als einzige wirklich »nationale«, gesamtgesellschaftliche Institution an (obgleich die SAF-Führung überwiegend aus den arabischen Stämmen Zentralsudans kommt). Ihr strategisches Interesse besteht darin, die Fragmentierung des Sicherheits­sektors sowie des Staates und der Gesellschaft wieder zurückzudrängen. Plurale zivile Politik, geprägt von demokratischen Auseinandersetzungen, sehen sie als Rezept für Fragilität und einen Staatszusammenbruch, wie ihn mehrere Länder in der weiteren Nachbarschaft Sudans (Jemen, Libyen, Somalia) erlebten.45

Die SAF und die RSF unterscheiden sich in ihren Vorstellungen vom Staat.

Die RSF sind weitaus weniger institutionalisiert als die SAF. Ihre Führung besteht größtenteils aus Mitgliedern der Dagalo-Familie. Hemedtis Stellvertreter ist sein Bruder Abdel Rahim Dagalo, der auch das wichtigste mit den RSF verbundene Unternehmen, Al‑Junaid, leitet. Es ist vor allem in der Förderung und dem Export von Gold aktiv. Angehörige des Stamms der Reizegat bilden den Kern der RSF und stellen die meisten ihrer Kommandeure. In den Rängen finden sich Kämpfer aus vielen anderen Ethnien aus Sudans Peripherie sowie Staatsangehörige der Länder des zentralen Sahel. Viele junge Männer schlossen sich, überwiegend aus finanziellen Gründen, den RSF an, denn diese zahlen vergleichsweise hohe Gehälter.46 Allerdings gibt es weiterhin Kräfte in den RSF, die eine Ideologie von »arabischer Vorherrschaft« ver­folgen. Diese motivierte die »Janjaweed«-Milizen bereits in den 2000er Jahren, genozidale Gewalt gegen nichtarabische Gruppen aus den Stämmen der Fur, Zaghawa und Masalit auszuüben.47 Die RSF streben Dominanz über den Sicherheitssektor an und wollen dazu eine neue Armee aufbauen, welche die alten SAF-Strukturen ersetzen würde. Insgesamt nutzen die RSF stärker informelle und persönliche Beziehungen als die SAF und versuchen vor allem mit Hilfe materi­eller Ressourcen und ethnischer Verbindungen Ein­fluss zu nehmen, während die SAF auch ihren Zugang zu öffentlichen Institutionen nutzen. Diese verschiedenen Vorgehensweisen erklären auch die unterschiedlichen Haltungen der SAF und der RSF zu einer zivilen Regierung. Setzen die RSF in erster Linie auf einen schwachen Staat mit geringer Regulierung, wollen die SAF eher den Staat unter ihrer autoritären Kontrolle behalten.

Die jeweiligen Sicherheitskräfte verfügen über beträchtliche Machtressourcen, die sie nicht nur gegen zivile Akteure, sondern auch gegeneinander einsetzen können. Am offensichtlichsten ist die Rolle der Sicherheitskräfte für die Sicherheit des Landes, denn sie können zu ihr beitragen, sie aber auch beeinträchtigen. Darüber hinaus besitzen sie große wirtschaftliche und finanzielle Macht.48 Die SAF kontrollieren etwa ein Viertel der Wirtschaft, die RSF gar die Hälfte.49 Weitere Machtressourcen bestehen in ihren privilegierten, oft personalisierten Außen­beziehungen. Die SAF pflegen enge Beziehungen mit Ägypten, RSF-Führer Hemedti hat intensive Verbindungen zu den VAE. Sowohl SAF als auch RSF arbei-teten mit der Wagner-Gruppe und der russischen Regierung zusammen und hatten ein gutes Verhältnis zu Saudi-Arabien.

Den Sicherheitskräften fehlen jedoch drei wichtige Ressourcen: ein ziviler Unterstützungsapparat nach dem Wegfall der NCP sowie innenpolitische Legitimität und westliche Unterstützung. Die Stellung der RSF ist prekärer als die der SAF, da sie als paramilitärische Einheit erhebliche Gewalt gegen die Zivilbevölkerung ausgeübt hat. Dagegen wird die Existenz der SAF von Parteien und Demokratiebewegung zumindest nicht in Frage gestellt.

Opportunistische Führer bewaffneter Gruppen

Als Begleiterscheinung von Sudans anderen bewaffneten Konflikten und als Folge des Umgangs sudane­sischer Regierungen mit Aufständen existieren zahl­reiche bewaffnete Gruppen im Land. Grob lassen sich hierbei Gruppen aus dem westlichen Darfur von solchen aus dem Kontext des Nord-Süd-Konflikts sowie aus dem Osten Sudans unterscheiden. Wichtige Gruppen schlossen sich nach der Unabhängigkeit Südsudans 2011 zur Sudan Revolutionary Front (SRF) zusammen, deren Mitglieder jedoch weitgehend eigenständig blieben.50 2014 trat die SRF dem Bündnis Sudan Call bei, das sowohl Oppositionsparteien als auch bewaffnete Bewegungen umfasste und sich gegen die NCP-Herrschaft wandte.

Ein wichtiger Unterschied bestand zwischen den Gruppen, die zum Zeitpunkt der Proteste 2018/19 noch substantielle Truppen in Sudan hatten, und denen, die de facto militärisch besiegt waren und lediglich über einige versprengte Einheiten in Libyen und Südsudan verfügten. Territorium kontrollierten insbesondere die Sudan People’s Liberation Army/ Movement-North (SPLA/M-N) unter Führung von Abdel-aziz al-Hilu sowie die Sudan Liberation Army (SLA-AW) mit Abdel Wahid al-Nur an ihrer Spitze. Die SPLA/M-N beherrscht Gebiete in den Nuba-Bergen und in Blue Nile, die SLA-AW das Territorium um den Berg Jebel Marra in Darfur. Ihre lokal verankerte Macht erlaubte ihnen, sich zurückhaltend gegenüber Verhandlungen mit der neuen zivil-militärischen Regierung in Khartum zu verhalten, zumal sie keine größeren Kämpfe mit den Sicherheitskräften mehr ausfechten mussten.

Grafik 1

Anders war die Situation bei Gruppen aus Darfur wie der Fraktion der SLA, geführt von Mini Minawi (SLA-MM), und dem Justice and Equality Movement (JEM) unter Gebreil Ibrahim. Zum Zeitpunkt von Bashirs Fall verfügten sie in Sudan über keine eige­nen Truppen mehr und in Libyen und Südsudan lediglich über Einheiten, die oft für andere bewaff­nete Akteure tätig waren, wenn es ihnen opportun erschien.51 Zudem besaßen sie anscheinend nur wenig Rückhalt in der Bevölkerung. Umso mehr waren sie daher an Verhandlungen mit den neuen Autoritäten interessiert, um Zugang zu Posten und Renten zu erhalten, die ihnen wiederum ermöglichen würden, ihre stark dezimierten Bewegungen zu ver­größern. Ihre Machtressourcen bestanden in ihrem transaktionalen Verhandlungsgeschick aus früheren Gesprächen, worin sie Hemedti ähnelten, und den Renten, die sie für ihre teils neu rekrutierten Mit­glieder in den Friedensverhandlungen vereinbaren konnten. Sowohl die Sicherheitskräfte als auch die zivilen Kräfte in den FFC bemühten sich, die Vertreter der bewaffneten Gruppen für ihre jeweilige Sache einzubinden.

Zwischenfazit

Keine Akteursgruppe verfügte nach dem Sturz Bashirs allein über ausreichend Machtressourcen, um sich gegen alle anderen durchzusetzen. Die Sicherheitskräfte (allen voran SAF und RSF) kontrollierten einen Großteil der sudanesischen Wirtschaft sowie militä­rische und polizeiliche Zwangsmittel. Auf diese Weise sorgten sie dafür, dass die zivilen Akteure sie nicht ignorieren konnten. Ihre Spaltung schwächte sie gleichwohl entscheidend, zumal sie nach dem Sturz der NCP kein ziviles Vehikel mehr für die Ausübung von Regierungsgeschäften besaßen. Ihnen fehlte es an Legitimität in der Bevölkerung, die große Ausdauer und Kreativität bei der Selbstorganisation bewies. Die Demokratiebewegung konnte zwar Proteste organisieren und auf der lokalen Ebene zur Grundversorgung der Bevölkerung beitragen. Für Verhandlungen mit dem mächtigen Sicherheitssektor und mit internationalen Akteuren zur Unterstützung der Transition war sie jedoch auf politische Parteien angewiesen, die ihre jeweils eigenen Interessen verfolgten. Der Übergangsprozess fußte somit auf einem äußerst fragilen und gleichzeitig dynamischen Verhältnis dieser Akteurs­gruppen, das sich aus der unterschiedlichen Verteilung von Machtressourcen ergab. Die daraus ent­stehende Ungewissheit eröffnete gleichzeitig einen Raum, in dem es besonders auf die Entscheidungen der beteiligten Akteure ankam.

Scheitern der zivil-militärischen Transition

Die Erfolgschancen der Transition, die 2019 begann und 2021 jäh gestoppt wurde, hingen maßgeblich von zwei Aushandlungsprozessen ab: Es ging darum, das Verhältnis zwischen den zivilen und militärischen Teilen der Übergangsregierung sowie das Ver­hältnis der zivilen Akteure untereinander zu klären (siehe Grafik 1, S. 17). Die Verantwortung für das vorzeitige Ende der Transition liegt bei den putschenden Sicher­heitskräften. Allerdings hätten die zivilen Akteure die Gefahr eines erneuten Putsches zumindest verringern können.

Partnerschaft statt Distanz zum Sicherheitssektor

In der sudanesischen Zivilgesellschaft wurde intensiv diskutiert, ob bereits die Verfassungserklärung von August 2019, die eine Beteiligung des Sicherheits­sektors an der Übergangsregierung vorsah, die Chan­cen für echte Veränderungen unterminierte, und ob andere Regelungen möglich gewesen wären. Schließ­lich hatten die Menschen beim zentralen Protestcamp vor dem Militärhauptquartier eine »Madaniya« gefor­dert, eine zivile Herrschaft, und sich nicht mit dem Austausch des Präsidenten durch das Militär zufrieden­gegeben. Einige Beobachter:in­nen glauben, der hohe interne und internationale Druck auf die zivilen Ver­handler habe dazu geführt, dass sie einem »unreifen Deal« zustimmten, der viele Widersprüche, Unklarheiten und Lücken ent­hielt.52 Ein zentrales Problem war in jedem Fall, dass das Militär diese Schwächen der Übergangs­verfassung für sich auszunutzen wuss­te, während die zivile Seite selbst diejenigen Gelegenheiten unzureichend ergriff, die sie dem Dokument zufolge gehabt hätte.

Die Übergangsregierung entschied sich, die notwendige Zusammenarbeit mit dem Sicherheitssektor zur Partnerschaft aufzuwerten. »The Sudanese model is based on a partnership between civilians and the military to build a democratic state and the rule of law«, sagte Premierminister Abdalla Hamdok im Dezember 2019.53

Eigentlich sah die Übergangsverfassung von 2019 eine begrenzte Rolle des Militärs vor. Es stellte fünf von elf Mitgliedern des Souveränitätsrats sowie dessen Vorsitz für die ersten 21 Monate der Übergangszeit. Außerdem wurden die Minister für Verteidigung und Inneres vom Militär nominiert. Laut Übergangsverfassung sollte der Souveränitätsrat vordringlich formelle Aufgaben übernehmen, welche früher dem Präsi­denten oblagen, beispielsweise die Bestätigung von Minister:innen, Gouverneuren und Mitgliedern des Übergangsparlaments sowie die Ausfertigung von Gesetzen. In der Übergangsverfassung war ausdrücklich festgelegt, dass »bestätigen« sich lediglich auf die »formell notwendige Unterschrift« beziehe, damit eine Entscheidung in Kraft treten könne. Falls der Rat sich nicht innerhalb von 15 Tagen äußerte, würde die Entscheidung bzw. das Gesetz auch so in Kraft treten.54 Die eigentliche exekutive Gewalt sollte beim Premierminister liegen.55

Zudem wurden die Aufgaben der Übergangsregierung mangelhaft gewichtet. Die Liste in der Übergangsverfassung und ihre Konkretisierung durch Premierminister Hamdok suggerierten, dass alle Ziele einander ergänzen könnten. Anhänger:innen dieses impliziten Verständnisses einer »liberalen Transi­tion«, in der Frieden, Demokratie, Menschenrechte und marktwirtschaftliche Reformen zusammen­kommen sollten, vernachlässigten jedoch die bedeut­samen Zielkonflikte bei der Verwirklichung eines solchen Übergangs.56 Hamdok sprach zwar stets davon, dass die Transition »nichtlinear« und »un­ordentlich« sei, präzisierte aber nicht, wie er mit den sich daraus ergebenden Rückschlägen umzugehen gedachte.

Viele politische Fragen des Übergangsprozesses ließen sich nicht an Technokraten delegieren.

Als »technokratische« Regierung sollte Hamdoks erstes Kabinett eigentlich die Auseinandersetzungen vermeiden, welche bisherige Koalitionen geplagt hatten. Doch viele grundsätzliche Fragen des Über­gangsprozesses waren elementar politischer Natur, betrafen also die Verteilung von Werten, prinzipielle Zielkonflikte und das ständige Tauziehen der Ver­treter:innen entgegengesetzter Interessen. Wie sollte das Verhältnis von Staat und Markt bei der Stabili­sierung der Wirtschaft aussehen? Welches Gewicht sollten Gewaltunternehmer im Friedensprozess und über diesen hinaus in den Institutionen der Übergangsregierung erhalten? Welche Kompromisse sollten bei der Aufarbeitung von Verbrechen und der Entflechtung der Wirtschaft von den alten Sicher­heitseliten im Interesse der Stabilität des Übergangsprozesses geschlossen werden? Antworten auf diese Fragen ließen sich nicht an mutmaßliche Techno­kraten delegieren, sondern erforderten eine breite und intensive öffentliche Debatte.

Diskussionen über die Zusammenarbeit mit dem Sicherheitssektor nahmen oft eine polarisierte Form an, so als gäbe es nur die Wahl zwischen enger Part­nerschaft und vollständiger Loslösung des Militärs von allen zivilen Bereichen. Die FFC waren in zwei Lager gespalten. Das eine wurde von den Kommunisten geführt und wollte das Momentum der Mobilisierung nutzen, um das politische System zu trans­formieren und eine rein zivile Regierung zu bilden. Das andere Lager unter Führung der NUP, der Suda­nese Congress Party und weiterer Parteien setzte sich für eine Regierung mit Beteiligung des Militärs ein. Das Ziel lautete, die Machtbalance während der Tran-sition allmählich zugunsten der zivilen Seite zu verändern. Die kommunistische Strategie, das Militär komplett von der Macht auszuschließen, bezeichnete ein führender Vertreter der FFC bereits im Dezember 2019 als »eine sehr gefährliche Strategie, die zu einem Bürgerkrieg in Sudan führen wird, weil es riesige Dif­fe­renzen innerhalb des Militärs gibt«. Wenn die zivile Seite mehr einfordere, könnte der Druck diese Diffe­renzen zwischen SAF und RSF verstärken. Dies würde zu einem »Kampf sogar hier in Khartum führen«. Danach werde der zivile Einfluss auf null zurück­gehen.57Alle anderen würden dann auch zu den Waffen greifen, um ihre Vorstellungen durchzusetzen, und die Unterstützung von Seiten der Bevölkerung würde keine Rolle mehr spielen.

Angesichts dieser Risiken setzten die Mainstream-Parteien der FFC auf einen eher reformistischen Umgang mit den Sicherheitskräften. Das Problem dieser Vorgehensweise war, dass sie »das politische Überleben der Generäle und ihren anhaltenden Einfluss sicherte«, so eine Analyse, obwohl allen Beteiligten klar war, dass die Sicherheitsakteure das größte Hindernis für die politischen Ziele der revo­lutionären Bewegung sein würden.58 Außerdem bau­ten die Vertreter:innen dieser Strategie darauf, die Einigkeit des zivilen Lagers über die vielen kontro­versen, aber notwendigen Entscheidungen des Über­gangsprozesses zu erhalten. Doch die explizite Zusammenarbeit mit Akteuren, welche letztlich für die gewaltsame Auflösung der Sitzblockade in Khar­tum verantwortlich waren, beschädigte nach­haltig das Vertrauen zwischen FFC und Protestbewegung.

Entgegen ihren anfänglichen Zielen gelang es den FFC nicht, während der Übergangsregierung ihre Macht zu Lasten des Militärs zu vergrößern. FFC-Ver­treter:innen waren enttäuscht von Hamdoks Rück­sichtnahme auf die Sicherheitskräfte, der sich mit öffentlicher Kritik des Militärs stets zurückhielt.59 So gab Hamdok der Forderung des Militärs nach, dass alle Entscheidungen des Kabinetts vom Souveränitätsrat genehmigt werden müssten.60 Im Ergebnis fand sich Hamdok zwischen den Stühlen und ohne eigene Macht wieder.

Unter Hausarrest wurde Hamdok für kurze Zeit nach dem Putsch vom 25. Oktober 2021 zur Galionsfigur der großflächigen Proteste, die sofort nach Bekanntwerden des Putsches ausbrachen und von den lokalen Widerstandskomitees organisiert wurden. Allerdings verspielte er dieses Kapital, indem er einer gemeinsamen Erklärung mit Militärführer Burhan am 21. November 2021 zustimmte. Das brachte ihn zwar wieder ins Amt, doch in der Präambel der Erklärung wurde Burhans beschönigende Umschreibung des Putsches verwendet, es sei notwendig, »den Pfad der demokratischen Korrektur zu vollenden«.61 Entrüstet erklärten jene FFC-Minister:innen, die nicht im Gefängnis saßen, am darauffolgenden Tag ihren Rücktritt. In der Folge gelang es Hamdok nicht, eine neue Regierung zu bilden, so dass er am 2. Januar 2022 zurücktrat. Seine Glaubwürdigkeit bei der Demokratiebewegung war dahin.

Nullsummenpolitik und mangelnde zivile Institutionalisierung

Die Einheit der zivilen Front im Rahmen der FFC bröckelte nach kurzer Zeit (siehe Grafik 2). Dies erschwerte es den zivilen Akteuren, das Militär für seine eigenmächtigen Erweiterungen der ihnen verfassungsrechtlich zustehenden Kompetenzen zur Verantwortung zu ziehen und demokratische Mechanismen zu institutionalisieren Die Gründe für diese Fragmentierung liegen nicht allein in den Spaltungsbestrebungen der Sicherheitskräfte oder einer bloßen Vielfalt von politischen Positionen, sondern zu einem Gutteil auch in den eng gefassten Machtinteressen der politischen Parteien. Diese waren stets um Sichtbarkeit und Einfluss bemüht und stark von der Nullsummenpolitik des ihnen bekannten autoritären Kontexts geprägt.

Kaum war Bashir gestürzt, traten die politischen Unterschiede in den FFC zu Tage. SPA-Mitgründer Nagi al-Assam berichtet, wie seine Mitstreiter und er Zeit und Energie darauf verwendeten, Auseinandersetzungen zwischen den politischen Parteien in den FFC zu schlichten, die nur auf den eigenen Vorteil bedacht waren.62 Bereits während der Verhandlungen über die Verfassungserklärung, die in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba stattfanden, sonderten sich die bewaffneten Gruppen der SRF von den FFC ab. Dadurch wurden die Friedensverhandlungen zur Aufgabe für die Übergangsregierung. Die SPA, die während der Proteste gegen Bashir einen wichtigen Transmissionsriemen zwischen der gewaltfreien Widerstandsbewegung und den politischen Parteien gebildet hatte, verlor an Bedeutung, als sich einige Mitglieder unter kommunistischem Einfluss von den FFC abwandten. Einige Mitgliedsorganisationen der SPA warfen der Kommunistischen Partei vor, die Vorstandswahlen bei der ersten SPA-Konvention für ihre Zwecke zu manipulieren.63 Die NUP kritisierte, dem Führungsrat der FFC sei es nicht gelungen, die zahlreichen Differenzen in der Koalition einzu­hegen.64 Wenig später unterbrach sie ihre Aktivitäten in den FFC und forderte baldige Wahlen, bei denen sie sich gute Chancen ausrechnete.65

In allen großen Fragen von Sudans Übergangs­prozessen kämpften die politischen Parteien um ihre eigene Sichtbarkeit. So protestierten die FFC gegen den graduellen Subventionsabbau im Haushalt 2020, den die von den FFC selbst nominierte Regierung vorsah. Daraufhin beließ die Regierung die Subventionen und vertagte die Diskussion auf eine nationale Wirtschaftskonferenz, die wegen der Covid-19-Pan­demie jedoch erst im Herbst 2020 stattfand.

Auch der Friedensprozess mit den bewaffneten Gruppen barg aus Sicht der FFC-Parteien die Gefahr, sie an den Rand zu drängen. Die Vertreter des Sicher­heitssektors dominierten die Verhandlungen in der südsudanesischen Hauptstadt Juba, was FFC-Vertreter später als großen Fehler bezeichneten.66 Die bewaffneten Gruppen, die das Friedensabkommen von Juba (Juba Peace Agreement, JPA) am 3. Oktober 2020 unterschrieben, hatten für sich zuvor eine Quote von 25 Prozent der Kabinettsposten sowie drei zusätzliche Positionen im Souveränitätsrat ausgehandelt, und das, obwohl ihre Bedeutung für die Sicherheitslage in den meisten Konfliktregionen eher marginal war. Tatsächlich stiegen die Zahlen der Opfer bewaffneter Gewalt nach dem Friedensabkommen an.67 Nun drängten die FFC-Parteien Hamdok auch zu einer sichtbareren Regierungsbeteiligung, nachdem sie schon bei der Frage des Subventionsabbaus ihre Veto­macht demonstriert hatten. So wurde am 10. Februar 2021 das neue »politische Kabinett« mit Mitgliedern der Gruppen, die das JPA unterzeichnet hatten, sowie Politiker:innen der FFC ins Amt eingeführt.68

Allerdings verschlechterte der Eintritt der FFC-Politiker:innen auch das Verhältnis zwischen dem zivilen und dem militärischen Teil der Übergangs­regierung. Deren zivile Mitglieder standen jetzt stärker in der Pflicht, Fortschritte bei der Aufgabenbewältigung zu erreichen. Im März 2021 einigten sich die Partner in der Regierung darauf, vom Militär kontrol­lierte Unternehmen unter zivile Aufsicht zu bringen.

Trotz dieser Vorstöße für eigene Sichtbarkeit gelang es den FFC nicht, wichtige Bestandteile des Übergangsarrangements zu etablieren. Es sollten Institutionen geschaffen werden, um die immer mehr vom Militär dominierte Exekutive zu kontrol­lieren, eine Plattform für Deliberation politischer Vorhaben zu bieten, die Vorhaben der Transforma­tion auf eine breitere gesellschaftliche Grundlage zu stellen und für juristische Schiedsmechanismen zu sorgen. Diese Institutionen hätten eine erneute Machtergreifung des Militärs zumindest erschwert. Sie hätten aber auch den individuellen Einfluss der oft kleinen Mit­gliedsparteien der FFC verringert.

Die geplante Übergangsversammlung wurde nie eingesetzt.

So wurde die Einsetzung einer Übergangsversammlung mit geplant 300 Delegierten (Transitional Legis­lative Council, TLC), welche Gesetze beschließen und die Regierungsarbeit kontrollieren sollte, immer wie­der verschoben und fand letztlich nicht statt. Bereits im September 2019 hatte RSF-Führer Hemedti den bewaffneten Gruppen versprochen, die Versammlung erst nach Abschluss eines Friedensabkommens zu installieren.69 Proteste von Seiten der FFC verhallten ungehört.70 Später konnten sich die FFC-Mitglieder nicht auf die Verteilung der Abgeordneten unter den einzelnen Mitgliedsparteien einigen: Das Gremium sollte komplett ernannt werden, doch gab es keine verlässliche Grundlage für die Aufteilung der Man­date. FFC-Vertreter verwiesen später auf Blockaden aus dem Sicherheitssektor, der allen Ernennungen zustimmen musste, räumten aber ein, dass die meiste Schuld für die Verzögerung bei ihnen selbst lag.71

Die Übergangsregierung bemühte sich außerdem kaum darum, die zivilen Strukturen auf kommunaler und bundesstaatlicher Ebene zu stärken. Zum Zeit­punkt des Putsches im Oktober 2021 gab es zwar in allen 18 Bundesstaaten Gouverneure, die von der zivilen Regierung ernannt worden waren, aber keine Minister:innen. Einige kleinere Parteien in den FFC lehnten frühe Kommunalwahlen ab. Diese hätten der Bevölkerung erlaubt, sich in ihrer unmittelbaren Umgebung an öffentlichen Institutionen zu beteiligen, aber auch die Macht dieser Parteien auf der nationalen Ebene in Frage gestellt.72

Schließlich ernannte die Übergangsregierung kein neues Verfassungsgericht, nachdem es das alte auf­gelöst hatte. Deshalb konnten die vielen Unklarheiten und Lücken der Übergangsverfassung nicht auf juri­stischem Wege beseitigt werden, sondern wurden de facto vom Justizministerium bearbeitet. Dieses besaß aber weder die Kapazität noch die Autorität für ver­bindliche Entscheidungen.73

Die Schwierigkeiten entsprangen nicht den verschiedenen Ausrichtungen der politischen Parteien. Deren Pluralität war eher eine Stärke, insofern sie die unterschiedlichen Strömungen in der sudanesischen Gesellschaft widerspiegelte. Doch das beständige Dominanzstreben erschwerte es den Parteien, einen institutionellen Rahmen zu festigen, innerhalb dessen sie ihre Interessen hätten wahrnehmen können. Zudem fiel es den Sicherheitskräften leich­ter, die Macht zu ergreifen, wenn sie lediglich die wichtigsten zivilen Führer verhaften lassen mussten.

Scheitern des Militärputsches

Dass sich mit Bashirs Fall etwas Grundsätzliches in der sudanesischen Politik geändert hatte, wurde spätestens nach dem Militärputsch 2021 deutlich. Die Sicherheitskräfte konnten zwar relativ leicht eine nationale Krise heraufbeschwören und Hamdok sowie die FFC-Minister:innen absetzen. Eine neue stabile Regierung konnten sie jedoch nicht auf die Beine stellen. Das alte Muster von Repression, Kooption und ziviler Fassade funktionierte nicht mehr. Nach 2019 scheiterte damit bereits zum zweiten Mal der Ver­such, eine reine Militärregierung zu installieren.

Transaktionale Handlungsmuster greifen nicht mehr

Es gelang den Sicherheitskräften, die angespannte Situation im Frühherbst 2021 zu einer nationalen Krise zu steigern, welche den Boden für den Staatsstreich bereitete. Nach einem Putschversuch mutmaßlich durch Anhänger des NCP-Regimes im Sep­tember 2021 spitzte sich die Lage zu. Eine wochenlange Blockade des Hafens in Port Sudan verschärfte die wirtschaftliche Versorgungslage in Khartum. Die Blockade wurde vom High Council for the Tribes of the Beja unter Führung des ehemaligen NCP-Abgeord­neten Sayed Tirik organisiert, vorgeblich aus Frustration über das Ostsudan-Protokoll des Friedens­abkommens von Juba.74 Anfang Oktober gründeten 16 politische und bewaffnete Gruppen eine rivalisierende FFC-Fraktion.75 Unter Führung von Gebreil Ibrahim und Mini Minawi, die ihre Regierungsposten der Zusammenarbeit mit dem Sicher­heitssektor verdankten, organisierte diese FFC2 genannte Frak­tion Proteste und eine mehrtägige Sitzblockade vor dem Präsidentenpalast, bei der unverhohlen eine Militärregierung gefordert wurde.76

Am 25. Oktober 2021 riefen die Sicherheitskräfte den Ausnahmezustand aus. Ihr eigentliches Ziel, mittels einer Technokratenregierung eine zivile Fassade für ihre Herrschaft zu schaffen, erreichten sie nicht. Außerdem hatten die Sicherheitskräfte gehofft, Hamdok mit seinen guten internationalen Verbindungen im Amt behalten zu können.77 Die FFC2-Parteien waren zu schwach, um eine sogenannte Expertenregierung einzusetzen, und die restlichen FFC1-Parteien sowie unabhängige Technokraten weigerten sich, als Steigbügelhalter des Militärs zu agieren.

Der massive Druck durch anhaltende Demonstrationen und Streiks hatte großen Anteil daran, dass keine zivile Fassade für eine Militärregierung auf­gebaut werden konnte. Anders als die Sicherheits­kräfte – nicht zuletzt mit Blick auf weitere Putsche in dieser Zeit – erwartet hatten, begrüßten keine jubelnden Massen den Staatsstreich, sondern zahl­reiche Demonstrierende wandten sich dagegen. Nach dem Putsch waren mehr Demonstrationen zu verzeichnen als während der (kürzeren) Proteste gegen Bashir 2018/19, zwei Drittel davon außerhalb des Bundesstaats Khartum.78 Zwar setzten die Sicher­heitskräfte tödliche Gewalt gegen diese Proteste ein, bei denen bis März 2023 über 120 Menschen starben.79 Doch die repressiven Maßnahmen der Sicherheitskräfte blieben hinter dem Ausmaß des Massakers vom Juni 2019 zurück.80

Die Widerstandskomitees ließen sich nicht von Sicherheitseliten kooptieren. Vielmehr wandten sie sich nach der Erklärung Hamdoks mit Burhan vom 21. November 2021 auch von den politischen Parteien in den FFC1 ab. Daraufhin begannen die Komitees einen aufwendigen Prozess, um eine Charta mit politischen Forderungen zu formulieren.81 In deren Zentrum stand die Etablierung eines Übergangsparla­ments, das die Arbeit einer neuen Übergangsregierung effektiv überwachen sollte. Dezentralisierung und lokale Politik sollten eine wichtige Rolle spielen – genau die Bereiche, welche die FFC in ihrer Regie­rungszeit vernachlässigt hatten.82 Die Mitglieder des Übergangsparlaments sollten von Basisversammlungen aller Nachbarschaften ernannt werden.83 Die Widerstandskomitees luden politische Parteien und andere zivile Kräfte ein, sich ihnen anzuschließen. Sie selbst lehnten direkte Verhandlungen mit den Sicherheitskräften unter deren damaliger Führung ab.84

Ein weiterer Faktor für das Scheitern des Militärs, eine Fassadenregierung einzusetzen, war das Verhal­ten internationaler Geber und Finanzinstitutionen nach dem Putsch. Diese suspendierten ihre bilaterale Zusammenarbeit, stoppten bereits zugesagte Zahlun­gen in Höhe von rund einer Milliarde US-Dollar 2021 sowie weiteren zwei Milliarden pro Jahr (2022 und 2023) und unterbrachen den Entschuldungsprozess.85 In der Folge schnellten die Preise in die Höhe; allein der Brotpreis im Bundesstaat Khartum versechsfachte sich binnen drei Monaten.86 Gleichzeitig stellte die Regierung das Family Support Programme mit seinen Direktüberweisungen an bedürftige Familien ein, weil die internationalen Mittel dafür nicht mehr flossen. Der wirtschaftliche Niedergang nach dem Putsch betraf auch die Mitglieder der Sicherheits­kräfte. Es gab Berichte über Plünderungen durch Uniformierte, die nicht von den Unternehmensbeteiligungen der Sicherheitskräfte profitierten. All diese Schwierigkeiten verschärften zudem das Verhältnis zwischen SAF und RSF.

Aufstieg der RSF ins politische Zentrum Sudans und Spannungen im Sicherheitssektor

Vielleicht den tiefgreifendsten Wandel in Sudans politischem System bildete der Aufstieg der RSF zu einer der beiden schlagkräftigsten bewaffneten Ein­heiten des Landes, deren Führung gleichzeitig einen großen Teil der Wirtschaft kontrollierte und poli­tischen Einfluss ausübte. Die Präsenz zweier etwa gleich starker Sicherheitskräfte in Form der SAF und RSF erhöhte das Risiko für einen Bürgerkrieg in einer Situation, in der beide miteinander um die Kontrolle des Staates wetteiferten und es keine übergeordnete Instanz (Präsident Bashir) bzw. gemeinsamen Gegner (die zivile Komponente in der Übergangsregierung) mehr gab (siehe Grafik 1, S. 17). Denn weder SAF-Führer Burhan noch RSF-Chef Hemedti konnten ohne Rück­griff auf Dritte dem jeweils anderen glaubwürdig versichern, Abmachungen zur Umstrukturierung des Staates zu respektieren. Beide hatten einen Anreiz, die Macht des jeweils anderen zu übernehmen. Typi­scherweise bereitet eine solche Konkurrenzsituation den Boden für einen Putsch oder eine Säuberungs­aktion, das heißt den Ausschluss eines Konkurrenten und seiner Verbündeten aus der Herrscherelite, zumal wenn die Konkurrenz eine ethnische Dimension hat.87

Weil beide konkurrierende Sicherheitskräfte etwa gleich stark waren, wuchs die Bürgerkriegsgefahr.

Nach dem Fall Bashirs gewannen die RSF so viel Macht, dass die SAF nicht in der Lage waren, sie durch den Austausch ihrer Führer zu übernehmen. Eine offene Konfrontation, das wurde zunehmend klar, bedeutete Krieg. Aus dem Putschrisiko wurde somit ein Kriegsrisiko, erst recht nach dem Wegfall der zivilen Komponente mit dem Putsch vom Oktober 2021.

Die RSF unter Hemedtis Führung waren zum Zeit­punkt von Bashirs Sturz im April 2019 bereits ein mächtiger und reicher Akteur, vor allem seit dem lukrativen Söldnereinsatz im Jemenkrieg im Auftrag der VAE. Der Einfluss der RSF wuchs jedoch noch weiter, als die Übergangsregierung gebildet wurde. Hemedti hatte sich selbst zum Stellvertreter Burhans ausgerufen und behielt diese Position, als der Über­gangsmilitärrat Teil des Souveränitätsrats der Über­gangsregierung wurde. Dass der Souveränitätsrat eine ihm ursprünglich nicht zugedachte exekutive Rolle erhielt, vermehrte auch Hemedtis politischen Ein­fluss. Derweil rekrutierten die RSF in vielen Teilen Sudans neue Mitglieder, so dass sie laut Schätzungen ihre Personalstärke innerhalb von vier Jahren nahezu verdreifachten.88

Islamistische Anhänger des NCP-Regimes behielten großen Einfluss in den SAF und auf Burhan selbst. Die SAF-Führung schaute auf Hemedti und seine Fami­lie als Emporkömmlinge aus der Peripherie herab, und einfache Soldaten misstrauten ihm wegen der Rolle der RSF bei der Niederschlagung des Protest­camps im Juni 2019.

SAF und RSF setzten auch auf unterschiedliche internationale Partner, deren Rivalität sie sich für ihre innenpolitische Konkurrenz zunutze machten. Hatten sie nach dem Sturz Bashirs noch auf die gemeinsame Unterstützung durch Ägypten, die VAE und Saudi-Arabien zählen können, verschlechterte sich auch das Verhältnis dieser Regionalmächte untereinander.89 Berichten zufolge spielte Ägyptens Geheimdienst in den Wochen vor dem Putsch 2021 eine entscheidende Rolle, indem er zwischen SAF und RSF vermittelte und damit deren Machtergreifung erst ermöglichte.90 Die VAE und Saudi-Arabien unter­stützten Bemühungen der Vereinten Nationen, nach dem Putsch Gespräche zwischen den Militärs und den FFC zu arrangieren. Als Teil der Quad-Gruppe mit den USA und Großbritannien begleiteten sie die ver­trau­lichen Gespräche, welche am 5. Dezember 2022 im Rahmenabkommen resultierten.

Das Rahmenabkommen sah vor, dass eine rein zivile Regierung gebildet werden sollte. Die VAE zeig­ten ihre Wertschätzung für die Einigung: Gut eine Woche später unterschrieben die Abu Dhabi Ports Group und Invictus Investment ein vorläufiges Inve­stitionsabkommen zum Bau eines Hafens in Nord­sudan im Wert von sechs Milliarden US-Dollar.91 Ägypten organisierte demgegenüber ein Treffen von Führern bewaffneter Gruppen und politischer Partei­en unter dem Mantel der FFC2 (unter ihnen Minawi und Ibrahim), welche die Verhandlungen und später das Rahmenabkommen ablehnten. Aus Sicht einiger FFC1-Politiker waren Ägyptens Bemühungen darauf ausgelegt, den gesamten Prozess zu unterminieren.92

Solange Hamdok und die FFC Teil der Regierung waren, sorgten sie dafür, dass die Spannungen zwischen SAF und RSF nicht ausuferten. Mit dem Putsch änderte sich diese Dynamik. Burhan, nicht zuletzt unter Druck von Hardlinern in der Militär­führung, holte Tausende Anhänger des NCP-Regimes zurück in den öffentlichen Dienst und die Justiz, um Kontrolle über den Staatsapparat zu erlangen. Zwar war die NCP zu sehr in Verruf geraten, als dass es möglich gewesen wäre, ihr Verbot offiziell aufzu­heben und sie formell erneut an der Regierung zu beteiligen. Doch ihre Mitglieder und ehemaligen Führer wie die früheren Außenminister Ali Karti und Ibrahim Gandour kehrten ins öffentliche Leben zurück, nachdem die Militärregierung sie nach dem Putsch aus dem Gefängnis entlassen hatte.93 Der Wiederaufstieg der NCP-Anhänger musste Hemedti alarmieren, den diese des Verrats bezichtigten.

Sudans erneuter Krieg und seine Folgen

Im Frühjahr 2023 waren die Bedingungen vorhanden, die den Ausbruch massiver bewaffneter Gewalt in der sudanesischen Hauptstadt am 15. April ermöglichten und deren schnelle Beendigung beträchtlich erschwer­ten. Die Sicherheitskräfte nutzen jeden Spielraum, um sich nach und nach wieder mehr Einfluss zu ver­schaf­fen. Viele Beteiligte betrachteten Politik weiter­hin als Nullsummenspiel, bei dem die Gewinne des einen Verluste für den anderen bringen. Die FFC-Parteien hatten es nicht vermocht, die Revolution institutionell tiefer zu verankern.

Hemedti konnte immer mehr Macht auf sich und die RSF konzentrieren.

Gleichzeitig griffen die alten transaktionalen Handlungsmuster des Sicherheitssektors nicht mehr, nämlich sich mit Repression und Kooption an der Macht zu halten. Opportunistische Vertreter bewaff­neter Gruppen und Ableger politischer Parteien trugen zur Spaltung des zivilen Lagers bei, indem sie in der engeren Zusammenarbeit mit dem Sicherheitssektor den eigenen Vorteil in Form von Posten suchten, welche angesichts mangelnder gesellschaftlicher Basis ihr politisches Überleben sichern sollten. Das Militär bekam jedoch beständig Absagen von Personen aus der sudanesischen Elite, die sie für Ministerposten angefragt hatte. Hemedti war seit dem Sturz Bashirs in die höchste Liga der sudanesischen Politik aufgestiegen und konnte immer mehr Macht auf sich und die RSF konzentrieren. Der Putsch von 2021 und die folgende Weigerung der FFC1-Parteien, sich vom Militär kooptieren zu lassen, brachte RSF und SAF in direkte Konkurrenz um die politische und militärische Führung des Staates. Aus Sudans tradi­tionellem Putschrisiko wurde das Risiko für einen bewaffneten Konflikt im Zentrum des Staates – genau das Szenario, vor dem zivile Politiker wie Khalid Omer Yousif seit Jahren gewarnt hatten. Von Anfang an bildete die Konkurrenz innerhalb des Sicherheitssektors die größte Gefahr für die sudanesische Transition.

Kriegsausbruch als Folge einer Eskalationsspirale

Der Ausbruch des bewaffneten Konflikts zwischen SAF und RSF am 15. April 2023 war die Folge einer Eskalationsspirale, die wiederum aus einem Sicherheitsdilemma resultierte. Rein rational betrachtet konnte ein Krieg zwischen SAF und RSF weder im Interesse des einen noch des anderen sein, weil keine schnelle militärische Klärung zu erwarten war und eine andauernde bewaffnete Auseinandersetzung beide schwächen würde. Die Konfliktlinie zwischen SAF und RSF war nicht neu; beide kannten die Fähig­keiten des jeweils anderen. In den Wochen zuvor hatten sie Truppen an strategischen Orten zusammen­gezogen, um für einen möglichen Angriff des Kontra­henten gewappnet zu sein – oder auch die Gelegenheit für eine schnelle Machtergreifung zu nutzen. Letzte Vermittlungsbemühungen von Mitgliedern des Souveränitätsrats sowie den UN bis in die Nacht vor dem Tag des Kriegsausbruchs scheiterten mit den Gefechten am Morgen des 15. April.

Es ist unbekannt, wer den ersten Schuss abfeuerte. Beide Parteien beschuldigen sich gegenseitig. Einige Quellen deuten darauf hin, dass SAF-Generäle in Abstimmung mit Akteuren des früheren NCP-Regimes ihrer Entmachtung zuvorkommen wollten, die ihnen durch die Einsetzung einer zivilen Regierung oder einen Putsch der RSF womöglich gedroht hätte. Dazu passt, dass die SAF sich zunächst mit den RSF und den Unterzeichnern des Rahmenabkommens auf einen Plan für eine phasenweise zu verwirklichende Integration der RSF binnen zehn Jahren einigten,94 sich Ende März 2023 jedoch wieder davon distanzierten.95 Für Aufsehen sorgte zudem, dass Tut Gatluak – Berater von Südsudans Präsident Salva Kiir Mayardit, Adoptivsohn von Omar al-Bashir und Chef­vermittler für das Friedensabkommen von Juba – seine Familie wenige Tage vor Kriegsausbruch aus Khartum in Sicherheit brachte.96 Selbst wenn die Initiative zur Gewaltanwendung von einer SAF-Einheit ausgegangen sein sollte, waren die RSF besser vor­bereitet. Sie verfügten überall in der Hauptstadt­region über Waffendepots und drangen bereits am Morgen des ersten Kriegstags in das Gästehaus des Präsidenten ein, der nur mit Mühe in das nahe Militär­hauptquartier fliehen konnte.97

Aus der immer weiter gewachsenen Spannung zwischen SAF und RSF war eine Situation entstanden, deren Dynamik beide Seiten nicht mehr kontrollieren konnten. Da der Kampf nun einmal begonnen war, führten sie ihn mit großer Härte fort.

Konfliktdynamik zwischen Bürgerkrieg und Vernichtung

Der Krieg metastasierte innerhalb weniger Monate, so dass man von sich überlagernden Konflikten auf verschiedenen Ebenen sprechen kann. Neben den Konflikten um politische und militärische Dominanz im Bundesstaat Khartum sowie um strategische Infrastruktur im Rest des Landes gibt es eine anders gelagerte Dynamik in Teilen der Region Darfur. Satellitenbilder und die Aussagen von nach Tschad Geflüchteten zeigen, dass die RSF und die arabischen Milizen gezielt Angehörige der Masalit vertreiben, ihre Dörfer niederbrennen, Frauen vergewaltigen und Zivilisten massenhaft töten.98 Die RSF werfen den Masalit vor, sich ihnen im Kampf gegen die SAF nicht anzuschließen und sich stattdessen von den SAF bewaffnen zu lassen. Arabische Stämme verfolgen darüber hinaus eigene, lokale Ziele, auch aus Unmut über das Friedensabkommen von Juba, das beispielsweise eine Rückkehr der (nichtarabischen) Binnen­vertriebenen vorsah. Selbst wenn die RSF-Führung ihre Bekenntnisse zur Aufarbeitung von Verbrechen ernst meinen sollte, wäre sie darauf bedacht, diese Stämme nicht von sich zu entfremden, und würde sie daher auch kaum zur Zurückhaltung gegenüber der Zivilbevölkerung drängen.

Darüber hinaus nutzten einige bewaffnete Gruppen den Kriegsausbruch für ihre Zwecke. Die SPLA/M‑N unter Abdel-aziz al-Hilu hat mehrere Stellungen der SAF in Südkordofan erobert und damit ihr Terri­to­rium vergrößert.99 Ähnliche Ziele verfolgt die SLA-AW in Jebel Marra. Im November 2023 kündigten JEM und SLA-MM ihre bisherige militärische Neutra­lität auf, nachdem Angehörige der von ihnen gebil­deten gemeinsamen Truppe zum Schutz von Versorgungskonvois zunehmend unter Beschuss der RSF geraten waren.100 Burhan dankte den ehemaligen Rebellengruppen für ihre Beteiligung an SAF-Opera­tionen im Februar 2024.101 Diese nichtstaatlichen Gewalt­akteure verfolgen ihre jeweils eigenen Ziele, die nur vorübergehend mit denen der SAF oder (weniger) der RSF zusammenfallen.

Die RSF kontrollieren einen Großteil der Stadt Khartum sowie weite Teile der Region Darfur im Westen Sudans, der südlichen Bundesstaaten West‑ und Nordkordofan und des Bundesstaats Al‑Dschazira im Zentrum des Landes. Dagegen halten die SAF Teile Omdurmans, Khartums Schwesterstadt am Nil, sowie im Norden, Osten und Zentrum Sudans. Das Land bewegt sich auf eine De-facto-Spaltung zu. Eine schnelle militärische Entscheidung ist nicht zu erwarten. SAF und RSF besitzen unterschiedliche militärische Fähigkeiten. Weil die SAF eine Luftwaffe, schwere Artillerie und Panzer haben, sind sie mehr auf die Verteidigung fester Orte konzentriert. Im Gegensatz dazu verfügen die RSF über eine hoch­mobile Infanterie auf Pick-up-Trucks, die zusätzlich mit tragbaren Flugabwehrraketen und Drohnen ausgestattet ist. Um Luftangriffen zu entgehen, ver­teilte sich die RSF schnell über die Stadt Khartum und nahm Wohnhäuser in Beschlag, welche die SAF mit Explosivwaffen beschossen.102 Mittlerweile haben die RSF mehrere Stützpunkte der SAF eingenommen und dort weitere schwere Waffen erbeutet. Die RSF profitieren von Waffenlieferungen der VAE über Tschad, die SAF dagegen von Lieferungen türkischer Drohnen durch Ägypten sowie von Drohnen und weiteren Waffen aus Iran.103

SAF-Chef Burhan rief die Bevölkerung auf, sich zu bewaffnen.104 Die SAF eröffneten Rekrutierungscamps in den von ihnen kontrollierten Gebieten, und auch die RSF rekrutierten weitere Kämpfer. Teilweise wech­seln Einheiten zwischen beiden Parteien die Loyalität. Folge dieser Aufrufe und Rekrutierungen ist eine wei­tere Militarisierung der Gesellschaft. Damit schrumpft der Raum für die zivilen Kräfte erheblich, sich politisch bemerkbar zu machen.

Auch in Gebieten, die nicht direkt von Kämpfen betroffen sind, leiden Menschen große Not.

In Khartum sind wichtige Teile der Infrastruktur wie die Versorgung mit Wasser, Elektrizität und Telekommunikationsdiensten zerstört. Ein Drittel der Bevölkerung des Bundesstaats Khartum, mehr als 3,5 Millionen Menschen, ist innerhalb des ersten Dreivierteljahres geflohen, darunter ein großer Teil der politischen und wirtschaftlichen Elite des Landes. Die von den SAF kontrollierten Ministerien haben ihre Regierungsaktivitäten nach Port Sudan verlegt. Im Laufe des Jahres 2023 wurde Sudan zum Land mit den meisten Binnenvertriebenen weltweit (über 9 Millionen, zusätzlich zu mehr als 1,8 Millionen Geflüch­teten).105 Die Zentralisierung des Staates und der Wirtschaft in der Hauptstadtregion erwies sich im Krieg als besonders nachteilig für das Land. Wäh­rend der Kampfhandlungen in und um Khartum wurden viele Märkte, Geschäfte und Banken zerstört, sodass auch die Versorgung des restlichen Landes mit Gütern des täglichen Bedarfs und mit Finanzmitteln stark beeinträchtigt ist.106 So leiden Menschen große Not auch in Gebieten, die nicht direkt von Kämpfen betroffen sind.107

Aussichten für eine zukünftige politische Ordnung nach dem Krieg

Die ersten Monate seit Kriegsbeginn sahen eine Fülle von internationalen Vermittlungsversuchen, die alle nach kurzer Zeit ins Stocken gerieten. Es war die Afrikanische Union, welche bereits am 20. April 2023 die größte Staatengruppe zusammenbrachte, um einen sogenannten erweiterten Mechanismus zu initiieren. Neben allen Nachbarstaaten umfasste sie die arabischen Länder sowie die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats, die EU, Deutschland und andere Geber.108 Doch die Bemühungen der AU verzögerten sich. Währenddessen verkündete die zwischenstaat­liche Behörde für Entwicklung (Intergovernmental Authority on Development, IGAD) eine Roadmap und präsentierte ein Quartett von Vermittlern in Gestalt der Staatspräsidenten Äthiopiens, Dschibutis, Süd­sudans und Kenias (das den Vorsitz innehat).109 Parallel dazu brachten die USA und Saudi-Arabien Verhandlungsdelegationen von SAF und RSF nach Dschidda, wo diese im Mai 2023 eine humanitäre Prinzipienerklärung unterschrieben und im November 2023 ein humanitäres Forum schufen, geleitet von der UN-Koordinierungsstelle für humanitäre Angelegenheiten (United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs, UN OCHA). Nachdem zahlreiche Waffenstillstandsversprechen beider Seiten nicht eingehalten worden waren, wurden die Verhandlungen vertagt. An diesen Ver­handlungen beteiligten die USA und Saudi-Arabien weder ihre Quad-Kollegen VAE und Großbritannien noch andere Länder und bezogen auch keine zivilen Vertreter ein.110 Sowohl AU als auch IGAD versprachen Konsultationen mit sudanesischen Stakeholdern aus dem zivilen Spektrum, konnten sich aber (Stand Februar 2024) nicht darauf einigen, wer zu den Beratungen eingeladen werden sollte. Die Spannungen zwischen den arabischen Regionalmächten offenbarten sich auch in den Vermittlungsangeboten. In Abgrenzung zu den Dschidda-Gesprächen brachte Ägypten Staats- und Regierungschefs von Sudans Nachbarstaaten für eine Initiative nach Kairo, lud dazu jedoch nicht die Konfliktparteien ein.

Zivile Zusammenschlüsse und Erklärungen gab es verschiedene. Im Oktober 2023 einigte sich eine Versammlung gesellschaftlicher und politischer Akteure in Addis Abeba auf die Gründung einer Coordination of Civil Democratic Forces (Taqaddum), deren Vor­bereitungsausschuss der frühere Premierminister Hamdok leitet. Uneinigkeit besteht vor allem darüber, wer solchen Koalitionen beitreten darf und wie genau die Ziele formuliert werden sollen. Gegen den Krieg an sich zu sein reicht für einige nicht aus, weil unter dieser Maxime SAF und RSF gleichbehandelt würden, obwohl die SAF zumindest institutionell als nationales Militär größere Legitimität aufwiesen und die RSF für massive Plünderungen in Khartum und Gewalt gegen die Zivilbevölkerung verantwortlich seien. Taqaddum sah sich Kritik ausgesetzt, sich einseitig zu positionieren, als Hamdok und Hemedti am 2. Januar 2024 eine gemeinsame Erklärung unter­zeichneten, die ein Ende des Kriegs und den Wiederaufbau des Staates versprach.111 Andere wollen eine möglichst breite Front schaffen und dabei Sympathisanten des früheren Regimes einbeziehen, was einige FFC-Führer vehement ablehnen.112 Dass viele An­gehörige von Eliten geflohen sind oder vertrieben wurden, erschwert die Koordination. Eine Schlüsselfrage, die bereits die SPA und die FFC umtrieb, ist der Aufbau einer handlungsfähigen Organisation einschließlich der Besetzung von Führungsgremien.113 Das Verhältnis zwischen politischen Parteien und restlicher Zivilgesellschaft innerhalb der Koali­tion bleibt angespannt.

Der Krieg wird erst enden, wenn es Chancen für eine neue politische Ordnung gibt.

Klar ist, dass der Krieg in Sudan nur enden wird, wenn es Aussicht auf eine neue politische Ordnung gibt. Ein vollständiger militärischer Sieg von SAF oder RSF ist auf absehbare Zeit wenig wahrscheinlich. Erfolgversprechend scheint weder eine erneute Machtteilung zwischen SAF und RSF noch zwischen Sicherheitssektor und politischen Parteien, wie sie nach dem Fall Bashirs 2019 versucht wurden. In der Vergangenheit stärkten internationale Friedensvermittlungen stets ein System, das Gewaltanwendung zur Durchsetzung politischer Interessen legi­timierte.114 Wegen der ausufernden Verbreitung von Milizen und bewaffneten Gruppen, die oft ihre jeweils eigenen Ziele verfolgen und Territorium kontrollieren, wird ohnehin kein Prozess genügen, der sich allein auf SAF und RSF oder gar auf Burhan und Hemedti konzentriert. Angesichts der geo­politischen Span­nungen scheint auch eine einheit­liche hochrangige internationale Vermittlung nicht in Sicht. Noch ferner liegen militärische oder andere sicherheitspolitische Garantien gewichtiger inter­nationaler Akteure. Solche Garantien wären aber nötig, um ein Abkommen zur Klärung des zukünf­tigen Verhältnisses von SAF und RSF einschließlich der Auflösung von Milizen und der Integration von Kämpfern durchzusetzen.

Einbindung statt Rechenschaft: Diskussion über den inter­nationalen Ansatz in Sudan

Der Kriegsausbruch in Sudan hat auch eine Debatte über den Ansatz westlicher Akteure während der Übergangsprozesse in Sudan ausgelöst. Die Umsetzung der Reformvorhaben der Übergangsregierung hing entscheidend von der Kooperation des Sicherheitssektors ab. Doch der internationale Druck jenseits von Statements traf im Ergebnis eher die Bevölkerung. Internationale Akteure gingen bei ihren Entscheidungen immer wieder auf die Prioritäten der Sicherheitskräfte ein und respektierten deren Machtressourcen, obwohl der gewaltfreie, andauernde Widerstand der sudanesischen Zivilgesellschaft diese in Frage stellte.

Im Bereich Sicherheit entschied sich der UN-Sicherheitsrat auf Antrag der sudanesischen Regierung, die gemeinsame hybride Mission von UN und AU in Darfur (UNAMID) zum 31. Dezember 2020 zu beenden. Damit lag die Verantwortung für die physische Sicherheit allein bei den sudanesischen Sicherheitskräften, und das in einer Region, in der sich verschiedene Bevölkerungsgruppen vom poli­tischen Wandel in Khartum mehr Einfluss erhofften und darüber in Konflikt gerieten.115 Als mächtigste Sicherheitskräfte in Darfur gingen die RSF gestärkt aus dem Abzug UNAMIDs hervor.

In der Wirtschaft spielten die Sicherheitskräfte ebenfalls die dominante Rolle. Sie kontrollierten den größten Teil der Wirtschaftsleistung und profitierten am meisten von den Steuerprivilegien. Die Auflagen für den multilateralen Entschuldungsprozess und die Mobilisierung internationaler finanzieller Unter­stützung sahen jedoch nicht vor, die Ressourcen des Sicherheitssektors anzuzapfen, sondern in erster Linie Subventionen zu streichen und das Wechselkurs­regime zu liberalisieren. Immerhin leisteten die Sicherheitskräfte 2020 einen einmaligen freiwilligen Beitrag von zwei Milliarden US-Dollar zum Staatshaushalt, ein Sechstel der geplanten Ausgaben.116 Recherchen über die wirtschaftlichen Ressourcen der Sicherheitskräfte legen nahe, dass in den Folgejahren weitere Beiträge möglich gewesen wären.117

Dabei sahen sich Sudans internationale Partner immer wieder vor eine ähnliche Herausforderung gestellt. Sollten sie Prozesse unterstützen, welche sudanesische Eliten überwiegend miteinander aus­gehandelt hatten und die zumindest auf dem Papier die Möglichkeit für weitere Reformschritte boten? Oder sollten sie sich heraushalten bzw. gezielter Druck ausüben, weil sie den Versprechen der Sicher­heitskräfte und politischen Eliten keinen Glauben schenkten?

Gleichwohl erzeugten die institutionellen Voraussetzungen und politischen Entscheidungen der internationalen Partner einige Zielkonflikte. Ohne den Abzug UNAMIDs hätten Aufstellung und Aus­bildung einer gemeinsamen Schutztruppe der Unter­zeichner des Friedensabkommens von Juba, welche für Sicherheit sorgen sollte, gründlicher und mit weniger Zeitnot angesichts der eskalierenden Gewalt in Teilen Darfurs erfolgen können. Sudans Löschung von der Liste terrorismusfördernder Länder, Voraussetzung für Wirtschaftshilfen und Entschuldung, machten die USA davon abhängig, dass Sudan seine diplomatischen Beziehungen zu Israel normalisierte.

Die scheinbar pragmatischen Ansätze, die Sudans internationale Partner zusammen mit der Hamdok-Regierung und den FFC verfolgten, stärkten immer wieder diejenigen, die über materielle Macht verfüg­ten, vor allem das Militär und die Sicherheitskräfte. Diese Art der Rücksichtnahme war jedoch fragwürdig angesichts des gut organisierten gewaltfreien Wider­stands. Einige beteiligte Diplomaten kritisierten diese Prioritätensetzung im Nachhinein.118

Immer wieder suchten zentrale internationale Akteure wie die Quad nach einem Deal mit den Mili­tärs zur Machtteilung, selbst nachdem deren Vertreter sie offen belogen hatten.119 Nach Hamdoks umstrittener Vereinbarung mit Burhan vom 21. November 2021 sorgte UN-Generalsekretär Antonio Guterres für Unmut bei den Widerstandskomitees in Sudan mit dem Appell an den »common sense« aller Beteiligten und nannte es »sehr gefährlich für Sudan«, die Ver­einbarung in Frage zu stellen.120 Diese Art von inter­nationaler Unterstützung half die Position der Gene­räle zu konsolidieren, die innenpolitisch massiv unter Druck standen.

Gleichzeitig trafen die Strafmaßnahmen inter­nationaler Akteure die Bevölkerung hart. Weltbank und internationale Geber setzten sofort nach dem Putsch große Teile ihrer Hilfen aus. Mitglieder von Widerstandskomitees und Vertreter von Entwicklungsorganisationen hatten wenig Verständnis dafür, dass selbst Mittel für Projekte abseits direkter Kon­trolle der Putschregierung dauerhaft ausgesetzt wur­den, auch wenn der wirtschaftliche Druck die Put­schisten zu isolieren half.121 Weder die USA noch die EU konnten sich bis Kriegsbeginn auf gezielte Sank­tionen gegen Unternehmen oder Personen aus dem Sicherheits­sektor einigen,122 mit Ausnahme von US-Sanktionen gegen die sudanesische Central Reserve Police.123 Zumindest im Nachhinein argumentierten Beteiligte wie der damalige US-Sondergesandte für das Horn von Afrika, Jeffrey Feltman, dass mehr Druck die Abwägungen der Sicherheitskräfte möglicher­weise verändert hätte: »Wir vermieden es, Konsequen­zen für wiederholte Akte der Straflosigkeit zu ziehen, die sonst möglicherweise einen Wechsel des Kalküls erzwungen hätten. Stattdessen beschwichtigten wir reflexhaft die beiden Warlords und banden sie ein. Wir betrachteten uns als pragmatisch. Im Rückblick scheint Wunschdenken eine bessere Beschreibung zu sein.«124

Wäre ein anderer Ansatz erfolgreicher gewesen? Die wichtigste Rolle spielten sudanesische Akteure und Dynamiken. Debatten zwischen internationalen Akteuren spiegelten teilweise die Diskussionen, die es auch in der sudanesischen Zivilgesellschaft gab. Viel­leicht bestand ein zentrales Problem darin, dass der Umgang mit Sudans Gewaltakteuren entweder auf volle Rücksichtnahme oder komplette Zurückweisung hinauslief. Beide Positionen waren unrealistisch. Die hoch mobilisierte Zivilgesellschaft ließ sich nicht wieder verdrängen, auch mit Gewalt nicht. Genauso wenig ließ sich die Dominanz der Sicherheitskräfte über Gewaltmittel und wirtschaftliche Ressourcen wegverhandeln. Während Sudans Transition hätte mehr Priorität daraufgelegt werden müssen, die Macht der Sicherheitskräfte stückweise zu reduzieren, vor allem durch tiefere institutionelle Reformen, internationale Anreize und mehr Distanz.

Schlussfolgerungen und Empfehlungen

Der Krieg in Sudan ist Ausdruck der enormen Risiken, die der Wandel eines festgefahrenen, von Gewalt­unternehmern dominierten autoritären Regimes birgt. Bashirs Sturz war eine Folge der Widersprüche seines Systems, aber nicht dessen Ende. Letztlich ist der Krieg zwischen SAF und RSF eine Spätfolge der Art und Weise, wie das NCP-Regime Aufstände durch Milizen bekämpfen ließ und eine Konkurrenz im Sicherheitssektor aufbaute, um die eigene Herrschaft abzusichern. Seit 2019 ist es den zivilen Kräften nicht gelungen, die Kapazitäten des Sicherheitssektors substantiell zu reduzieren. Vielmehr gab die Macht­teilung in der Übergangsregierung den Sicherheitskräften die Gelegenheit, deren Arbeit zu torpedieren und sich im Fall der RSF in der politischen Struktur des Landes festzusetzen. Da die FFC1 stets einen erneuten Militärputsch fürchten mussten, gerieten sie mindestens implizit in eine Abhängigkeit von den RSF, die Hemedti auszunutzen wusste. Sowohl Hamdok als auch den FFC1 fiel es schwer, diejenige Machtressource entschieden einzusetzen, die ihr größtes Pfund hätte sein können: die Legitimität einer gut organisierten und mobilisierten Zivilgesellschaft.

Deutschland unterstützte Sudans Übergangs­prozesse auf vielfältige Weise. Die Bundesregierung gründete die Kontaktgruppe der Friends of Sudan mit, veranstaltete die erste Partnerschaftskonferenz für Sudan und handelte im UN-Sicherheitsrat zusammen mit Großbritannien das Mandat der politischen Mission UNITAMS aus. Heiko Maas war im September 2019 der erste westliche Außenminister, der die Übergangsregierung in Khartum traf, gefolgt von Bundespräsident Steinmeier im Februar des darauffolgenden Jahres.125 Damit änderte Deutschland seinen außenpolitischen Kurs, hatte die Bundesregierung doch ähnlich wie andere westliche Regierungen noch kurz vor Bashirs Sturz auf eine Annäherung an dessen Regime gesetzt.126

Der Bundestag beschloss 2020, die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit mit Sudan nach dreißig Jahren Pause wieder aufzunehmen.127 Deutschland beteiligte sich auch an Verhandlung, Ausgestaltung und Finanzierung sowohl des Family Support Pro­gramme als auch des multilateralen Entschuldungsprozesses. Mit dem Putsch fielen diese Ansatzpunkte für deutsche Unterstützung jedoch weg.

Für Geberländer wie Deutschland war es schwierig, einen effektiven Zugang zur sudanesischen Demo­kratiebewegung in ihrer gesamten Breite zu finden. Direkt fördern kann das Auswärtige Amt nur Orga­nisationen, die offiziell registriert sind, wovor viele zivilgesellschaftliche Bewegungen zurückschreckten. Mittler­organisationen wie die Friedrich-Ebert-Stiftung und das Goethe-Institut konnten einige Projekte im Bereich Demokratieförderung übernehmen. Die Diskussionen über die Wirtschaftsreformen und Finanz­hilfen orientierten sich aber überwiegend an der Regierung als direktem Gegenüber. Geber wie die Bundesregierung standen vor der Herausforderung, Projekte aufzusetzen, die einerseits den zivilen Teil der Übergangsregierung direkt unterstützen sollten, aber gleichzeitig resilient gegen Verände­rungen wie einem erneuten Putsch sein sollten. Auf das Family Support Programme traf zwar ersteres, nicht aber letzteres zu.

Aus diesen Erfahrungen sollte Deutschland lernen, um einen Beitrag zu leisten, den verheerenden Krieg zu beenden und das Fundament für einen neuen Übergangsprozess zu legen.

  • Die Bundesregierung sollte sich bei ihren regionalen Partnern, welche die Führung in der Vermittlung behalten sollten,128 für einen breiten und inklusiven Mediationsansatz stark machen. Neben Vertretern von SAF und RSF sollten sowohl bewaff­nete Gruppen mit Kontrolle über Territorium als auch ein Spektrum ziviler Akteure in einem Multi-Stakeholder-Format beteiligt werden. Wo von zivi­len Akteuren wie den Mitgliedern des Zusammen­schlusses Taqaddum gewünscht, sollte Deutschland Angebote unterbreiten, die deren Kapazität stärken können, sich wirkungsvoll an einem politischen Prozess zu beteiligen.
  • Deutschland sollte zivile sudanesische Akteure darin unterstützen, Ansätze für den Umgang mit Gewaltunternehmern in einer zukünftigen poli­tischen Ordnung zu entwickeln. Wichtige Themen­gebiete dafür betreffen eine Sicherheitssektor­reform, eine Übergangsjustiz und die Förderung von Rechtsstaatlichkeit. Jeglicher Waffenstillstand, den regionale Akteure mit den Konfliktparteien vereinbaren mögen, wird nur dann zu längerfristigem Frieden führen können, wenn es zumindest die Aussicht auf Eckpunkte einer neuen politischen Ordnung gibt. Die zentrale Herausforderung wird darin bestehen, dass sich auch die Sicherheitskräfte in dieser Ordnung wiederfinden und gleichzeitig einem Abbau ihrer wirtschaftlichen und politischen Macht – wahrscheinlich nur unter Druck – zustimmen.
  • Deutschland sollte sich dafür einsetzen, das materi­elle und militärische Unterstützungsnetzwerk der sudanesischen Gewaltunternehmer auszutrocknen. Firmen, die im EU-Binnenmarkt agieren, sollte ver­boten werden, Geschäfte mit RSF, SAF und ihren jeweils wichtigsten Unternehmen zu machen. Dazu sollten die EU-Mitgliedstaaten sich auf weitere Namen für das im Oktober 2023 eingerichtete Sanktionsregime einigen.129 Zusätzlich zu sudanesischen Firmen sollten diese Maßnahmen ins­besondere emiratische Unternehmen treffen, die Gold von den RSF kaufen und von denen eines wohl sogar einen Sitz in Deutschland hat.130 Um das komplexe Firmengeflecht des sudanesischen Sicherheitssektors und seine internationalen Geschäftspartner aufzudecken, sollte Deutschland ferner einschlägige Investigationskapazitäten bei der EU stärken. Verknüpft werden sollten die Sanktionen mit einer kohärenten politischen Strategie, den Einfluss der Gewaltunternehmer zurückzudrängen und den Krieg zu beenden.
  • Deutschland sollte bei den Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats darauf hinwirken, das UN-Waffen­embargo von Darfur auf ganz Sudan auszudehnen und damit auch das Mandat der UN-Experten­gruppe. Grundsätzlich haben sich sowohl die stän­digen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats als auch die Nachbarstaaten bereits gegen militärische und finanzielle Unterstützung für die Konfliktparteien ausgesprochen.131
  • In der Zusammenarbeit mit einer zukünftigen Übergangsregierung in Sudan sollte die institu­tionelle Verankerung von Reformen stärker im Vordergrund stehen. Das hieße unter anderem, eine parlamentarische Versammlung zu bilden sowie die zivile Kontrolle und Beteiligungsformate auf der Ebene der Bundesstaaten und jener der Kommunen zu stärken. Zwar bedarf es selbst unter Friedensbedingungen großer Ausdauer, den sudanesischen Staat im Sinne der Bevölkerung umzubauen. Dennoch sollte eine neue zivile Regierung ermutigt werden, wichtige Posten in Justiz und Verwaltung nach Kompetenz und nicht nach poli­tischen oder sonstigen sachfremden Kriterien zu besetzen.
  • In der Zwischenzeit sollte die Bundesregierung mit internationalen und nichtstaatlichen Organisationen zusammenarbeiten, welche die sudanesische Zivilgesellschaft und deren politische Selbstorganisation auch unter Kriegsbedingungen langfristig unterstützen. Das sollte die Bereitstellung von Plattformen, Expertise, finanzieller Förderung und Ausbildung von Fähigkeiten einschließen.132 Suda­nesische Akteure haben gezeigt, dass sie trotz der immensen Herausforderungen von Krieg und Ver­treibung in der Lage sind, sich zu vernetzen und zu organisieren.133

Sudans ungerader Reformprozess

Seit seinem Amtsantritt im August 2019 bemüht sich Abdalla Hamdok, Sudans Premierminister, um Frieden in seinem Land. Der Übergangsprozess nach dem Sturz von Diktator al-Bashir sei eine große Chance für sein Land und die gesamte Region am Horn von Afrika, betonte er bei zahlreichen internationalen Auftritten. Gleichzeitig sei die Transition „unordentlich“ und „nicht-linear“. Im letzten Jahr wurde sehr deutlich, was Hamdok damit meinte.

Dieser Text erschien im Jahrbuch 2020/21 der Deutschen Afrika Stiftung. Redaktionsschluss des Texts war März 2021.

Ein widriges Erbe

Hamdoks Regierung stand vor einem Grundproblem vieler demokratischen Transitionen. Sie musste einer massiven Wirtschaftskrise mit einem völlig kapazitätsschwachen Staat begegnen. Mit einer zivil-militärischen Übergangsregierung und einem überwiegend technokratisch geprägten ersten Kabinett und ohne eigenes demokratisches Mandat konnte Hamdok nicht „durchregieren“. Wirtschaftsreformen verlangten der Bevölkerung und der fragilen Koalition Härten und Zugeständnisse ab. Internationale finanzielle Unterstützung erfolgte nur allmählich, auch weil diese auf bestimmte grundlegende Reformen angewiesen war. So war jeder Schritt der Regierung im Übergangsprozess unvollständig, umstritten und erfolgte häufig verzögert.

Viele ehrgeizige Zeitpläne gingen nicht auf. Die Friedensverhandlungen dauerten viermal so lang wie ursprünglich geplant. Dazu kamen Krisen, die selbst deutlich besser aufgestellte Regierungen unter Druck gesetzt hätten: Covid-19 belastete Sudans ohnehin schwaches Gesundheitssystem. Rekordfluten überschwemmten rund ein Viertel aller Ackerflächen. Der Krieg in der äthiopischen Region Tigray trieb über 60.000 Menschen über die Grenze nach Sudan und führte zu militärischen Spannungen in einem zwischen beiden Ländern umstrittenen Grenzgebiet.

Zentrale Akteure spalteten sich, was die politische Abstimmung erschwerte. Dies betraf insbesondere die Koalition aus Parteien, Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Organisationen, die „Forces of Freedom and Change (FFC)“. Die Umma Party, welche die letzte zivile Regierung vor al-Bashirs Putsch 1989 geführt hatte, sagte sich von den FFC los. Auch die kommunistische Partei zog sich einige Monate später aus den FFC zurück. Gleichzeitig fehlte es den zivil geführten Ministerien an allen Ecken und Enden an zuverlässigem Personal, um Regierungsprojekte zu planen und umzusetzen.

Schließlich brachten selbst nominelle Fortschritte erhebliche Risiken für den Übergangsprozess mit sich. Der Subventionsabbau im Rahmen der Wirtschaftsreformen ging mit enormen Preissteigerungen für Güter des täglichen Bedarfs und nachhaltigen Protesten einher. 2020 hatte Sudan laut IWF die zweithöchste Inflationsrate weltweit. Während Hamdok vom Militär kontrollierte Unternehmen unter zivile Kontrolle bringen wollte, drohte De-Facto-Staatschef General Abdel Fattah al-Burhan im August unverhohlen mit einem erneuten Putsch.

Abgetrotzte Erfolge

Angesichts dieser komplexen Lage sind die Erfolge der sudanesischen Regierung nicht zu verachten. Am 3. Oktober 2020 unterzeichnete sie das Juba Peace Agreement mit einer Reihe von bewaffneten Gruppen. Die Finanzierung und Umsetzung vieler Mechanismen des Friedensabkommens sind noch unklar. Seine Auswirkungen sind jedoch bereits heute deutlich erkennbar. Anfang Februar 2021 berief Premierminister Hamdok ein neues, „politisches“ Kabinett, dem auch sieben Minister aus den Unterzeichnergruppen angehören. Das Friedensabkommen verlängerte zudem den Übergangsprozess um rund 13 Monate. Er soll jetzt erst mit Wahlen Anfang 2024 enden.

Das neue Kabinett einigte sich sogleich auf die Abwertung des sudanesischen Pfundes. Dies war eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass internationale Hilfsgelder fließen und der Entschuldungsprozess vorangehen konnten. So konnte die Regierung zusammen mit ihren internationalen Partnern auch das „Sudan Family Support Programme“ ins Werk setzen: Ein monatlicher Betrag von umgerechnet fünf Dollar pro Person soll die Auswirkungen der Preissteigerungen für einen Großteil der Bevölkerung abfedern.

Das Cash-Programm ist Ausdruck der internationalen Unterstützung für Sudans Übergangsprozess. Premierminister Hamdok traf im Februar 2020 Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin und bemühte sich allgemein um gute Beziehungen zu zentralen Gebern. Es war eine Strategie, die sich auszahlte: Im Juni richtete Deutschland zusammen mit dem Sudan, der EU und den UN eine virtuelle Sudan-Partnerschaftskonferenz aus, die rund 1,8 Milliarden Dollar für humanitäre Hilfe, Entwicklungszusammenarbeit und das Sudan Family Support Programme einsammelte. Im Juli 2020 begann der IWF ein zwölfmonatiges Reformprogramm, das Voraussetzung für weitere Unterstützung und Entschuldung ist. Im Dezember 2020 wiederum strichen die USA Sudan von ihrer Liste Terrorismus fördernder Länder, eine lang erwartete Entscheidung, die sudanesische Banken wieder Zugang zum internationalen Finanznetzwerk gibt.

Revolutionsziele bleiben Baustellen

Die Liste der ausstehenden Reformen in Sudan bleibt lang. Nach Abschluss der Friedensverhandlungen und Ernennung des neuen Kabinetts fehlt weiter die Einberufung des Übergangsparlaments. Dieses könnte dazu beitragen, mehr Transparenz herzustellen und weitere gesellschaftliche Gruppen an der Transition zu beteiligen. Noch fehlen auch Friedensabkommen mit den zwei wichtigsten bewaffneten Gruppen Sudans, die das Juba Peace Agreement nicht unterzeichnet haben.

Die Regierung wird jetzt unter Beweis stellen müssen, dass sie für Sicherheit und Wohlstand gerade auch in den lange benachteiligten Regionen Sudans, etwa in Darfur, sorgen kann. Bisher ist ihr das nur unvollkommen gelungen: Mit Verweis auf eigene Kapazitäten hatte sie sich für den Abzug der AU-UN-Friedensmission UNAMID zum 31. Dezember 2020 stark gemacht. Doch nur wenige Wochen später starben über 200 Menschen bei bewaffneten Auseinandersetzungen.

2018/19 waren die Menschen für „Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit“ auf die Straße gegangen. Der Weg dorthin wird weiterhin steinig und alles andere als gerade sein.

Zwar arbeitet Sudan jetzt mit dem internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zusammen und Ex-Präsident al-Bashir sitzt rechtskräftig verurteilt in Khartum in Haft. Auf den Abschluss von weiteren Verfahren zur Aufarbeitung von Menschenrechtsverletzungen warten viele Menschen in Sudan aber weiterhin. Eine umfassende Reform des Sicherheitssektors sowie eine Neuordnung der verfassungsmäßigen Ordnung stehen ebenfalls noch aus.

What comes after the revolution?

Two years after the overthrow of al-Bashir, Sudan’s political transition is still extremely volatile — and needs more targeted international support

This text was published by IPG Journal on 9 April 2021.

By Philipp C. Jahn and Gerrit Kurtz

11 April 2019 was a day of great emotion in Khartoum. At noon, the then-Vice President Ibn Auf announced the arrest of President Omar al-Bashir. The residents of Khartoum celebrated the end of his 30-year rule by holding a sit-in in front of the military headquarters.

In the evening, however, the mood shifted when the putschist military council announced two years of military rule. The protests continued. The sit-in grew into a tent city until it was forcibly evicted on 3 June. Only then did the military and the representatives of the protest movement agree on a civilian-military transitional government.

Two years after the overthrow of al-Bashir, the question of Sudan’s political system is still as acute as back then. So far, the interim government, led by Prime Minister Abdalla Hamdok, has undertaken reforms in three areas: economy, peace and democracy.

A world of no alternatives

Hamdok’s first government after the revolution was dominated by technocrats from international financial institutions. Under their leadership, Sudan achieved some important preliminary successes.

The US removed Sudan from its list of states sponsoring terrorism. The World Bank organised a trust fund into which international donors could deposit aid payments to cut down government subsidies. The International Monetary Fund began a structured advisory programme. All of these were steps to reduce Sudan’s extremely high debt, which Bashir had amassed to stay in power. Sudan was required to reduce its debt with international financial institutions before they could provide the government with new funds. Without this budget support, the Sudanese state would face bankruptcy.

However, in the short term the economic reforms have hit the people of Sudan hard. The government cut high subsidies for diesel and petrol and devalued the Sudanese pound against the US dollar by almost 700 per cent. The prices for everyday goods skyrocketed.

Since its independence, Sudan has seen several cycles of democratic rule, military coup, and revolution.

Moreover, the economic reform process is taking place with little public participation. A national economic conference had to be postponed because of the impending Covid-19 pandemic. When it took place six months later, civil society participants were left with the feeling that their only choice was to consent to the reform programme agreed with the IMF. Protests were directed against the rapid removal of subsidies and demanded greater financial contributions from the security forces, which were heavily involved in the economy. Without external funding, however, the government had no alternative but to cut subsidies.

An ambiguous peace agreement

At the beginning of October 2020, a number of rebel groups and the government signed the Juba Peace Agreement, which has had an ambiguous effect on Sudan’s transition process so far. On the one hand, with its implementation, representatives of long-standing rebel groups have now become part of the transitional government. The cabinet, newly appointed by Prime Minister Hamdok in February 2021, is now considered significantly more ‘political’, as it now also includes prominent representatives of political parties.

On the other hand, the price for the peace agreement can’t be underestimanted, especially since it currently contributes little to make the peripheral regions in the west, east and south of Sudan more secure. The deal resets the clock of the 39-month transition process back to zero. It’s now expected to end early 2024, when an elected government is supposed to take over. The government estimates the peace deal will cost $7.5bn over the next ten years. Because they no longer had their own troops in Sudan, groups of signatories recruited to such an extent that the responsible UN sanctions committee felt compelled to admonish them publicly.

At the same time, some key groups are not yet part of the peace agreement: the groups that are still involved in violence in Darfur, as well as the SPLM-North group led by Abdelaziz al-Hilu, which has the most armed fighters any Sudanese rebel group. Al-Hilu signed a declaration of principles with the government in late March. However, a full peace agreement will continue to cost time and money.

An authoritarian backlash remains possible

Despite their shortcomings, international actors as well as the transitional government regard the reforms in the areas of economy and peace as contributions to democratic development. The reason lies in the history of Sudan.

Since its independence, Sudan has seen several cycles of democratic rule, military coup, and revolution. Clear parallels to the current transition period were seen in the last period of democratic rule in the late 1980s under the leadership of the Umma Party. The civilian government inherited a massive economic crisis from the military rule of Jafar an-Numairi, which was accompanied by import difficulties, productivity losses, food shortages and protests. Civil war raged in many parts of the country. Omer al-Bashir used the instability as a pretext for his coup on 30 June 1989.

A developmental state, on the other hand, could be an attractive offer from the Sudanese elite to the starving population, but also the international donor community.

In other words, it is by no means a foregone conclusion that there will again be a democratic regime after the economic and peace reforms. In fact, from a regional perspective, this even appears to be unlikely.

In today’s political discussions in Sudan, two models of authoritarian rule from its immediate neighbourhood are being repeatedly brought up. The rapid failure of the Egyptian revolution and the elected government of Mohammed Morsi serves as a chilling example of a renewed path to military dictatorship. Some politicians consider the Ethiopian model of a developmental state to be more attractive. The indeed impressive economic growth in Ethiopia over the past three decades has taken place with a de facto one-party government with little room for political opposition.

Both models – a military dictatorship and an authoritarian developmental state – are possible pathways in Sudan today. In the summer of 2020, the head of state, General Abdelrahman Burhan, already threatened that the military could take over the business of governing altogether. After all, both Burhan and protesters blamed the continued economic crisis primarily on the Hamdok-led cabinet. However, the military would also be dependent on a successful debt relief process and access to international financial markets.

A developmental state, on the other hand, could be an attractive offer from the Sudanese elite to the starving population, but also the international donor community. It could be accompanied by political stability and economic growth as a result of good cooperation with the international financial institutions. Prime Minister Hamdok, who is familiar with the Ethiopian model from his time at the UN in Addis Ababa, has already brought a democratic developmental state into play.

The transformation needs an inclusive political process

Economic reforms and a peace process along will not move Sudan toward becoming a democratic developmental state. As Volker Perthes, the head of the UN political mission in Sudan (UNITAMS), repeatedly said, this will require an inclusive political process. The transitional government and its democratically minded international partners can provide incentives to facilitate it.

Participation, dialogue and political organisation cannot be limited to negotiating access to institutions within elites. Purely technical and financial support for elections, for which the EU has already reserved €350 million, is not enough. Elections have also taken place in Sudan before.

For a stable and legitimate government to emerge from the elections, there needs to be properly functioning competition among political parties. One lesson from Egypt was that a relatively short transition process privileges whichever political (opposition) force was best organised before the change in power. In Egypt, this was the Muslim Brotherhood; in Sudan it probably applies to the Umma Party and the Communist Party.

What the Sudanese social order should look like can and must only be determined by the Sudanese themselves.

The transitional government could set up a state-funded but independently controlled mechanism to strengthen the development of political parties. Funding for this mechanism could come, for example, from the profits of enterprises that the Ministry of Finance will take over from the security forces during the transition, or from Sudan’s established business families.

These subsidies for political parties could provide an incentive to strengthen intra-party democracy, empower hitherto underrepresented social groups (especially women), broaden the membership base, make party donations more transparent, and promote alliances among the roughly 100 small and micro parties. International actors could support training courses and projects for self-organisation and participation down to the constituency level. After the elections, the new government could transform the mechanism into a permanent form of democratically secured party funding.

Democratisation does not take place overnight

Despite all the justified enthusiasm for the innovative strength and perseverance of the revolutionary movement in Sudan, one should not harbour any illusions: the democratic development and the associated change in the political culture in Sudan will take at least a generation. The ethnic, tribal, religious and regional identity will remain an important political marker for the foreseeable future, especially for previously marginalised segments of the population.

In the short run, elections may even lead to patronage networks and identity politics becoming more important. Parties could degenerate into mere voting machines that help elites secure their power instead of enabling broad political participation. Therefore, a well-organised protest movement will continue to be necessary to fight for a progressive, egalitarian social order.

What the Sudanese social order should look like can and must only be determined by the Sudanese themselves. International support for the Sudanese-led and designed transition process should at least be complementary to a democratic transformation. Incentives for participation, dialogue and debate need to be essential components of international cooperation with Sudan.

Philipp C. Jahn manages the country office of Friedrich-Ebert-Stiftung in Khartoum, Sudan. Gerrit Kurtz is research fellow for crisis prevention and diplomacy in Africa at the German Council on Foreign Relations (DGAP) in Berlin.

How the New UN Mission in Sudan can succeed

This text first appeared on the Global Observatory of the International Peace Institute on 25 August 2020. It was written by Philipp Jahn, Gerrit Kurtz, and Peter Schumann.

After complex negotiations, the United Nations Security Council established the UN Integrated Transition Assistance Mission in Sudan (UNITAMS) on June 3, 2020, asking Secretary-General Antonio Guterres to start planning the mission so that it can begin operations no later than the beginning of 2021. The special political mission (SPM) has four mandated tasks: supporting the democratic transition, the peace process, peacebuilding, and the mobilization of aid.

The polarized political landscape in Sudan has already affected the planning process. After the Sudanese government (as well as China and Russia) blocked the secretary-general’s initial suggestion for the mission head, and disagreements continued on the future role of the UN-African Union Mission in Darfur (UNAMID), the existing peace operation in Darfur, UNITAMS has found itself on thin ice before even starting to work.

A Fragile Transition Process

Sudan’s internal competition for power will be an essential challenge for UNITAMS. As with any UN peace operation, the mission will need to work closely with the incumbent government, but also engage with civil society organizations, security forces, and armed groups—including those opposed to the government. However, the power-sharing coalition is polarized, its constituent parts are fragmented, and its legitimacy is thin. The constitutional declaration, which the Transitional Military Council and the Forces for Freedom and Change (FFC) signed in August 2019, is the binding foundation for the transition process, and includes tasks such as a comprehensive peace agreement with Sudan’s armed groups and wide-ranging economic reforms.

In principle, UNITAMS should assist and support the transitional authorities in these tasks. But that is not straightforward. While a fragmented political landscape is nothing unusual for a mission setting, Sudan’s main political forces represent competing political systems, each with their external backing. They range from, first, members of the former Islamist regime, whose adherents have frequently launched protests against the transitional authorities and retain sympathies from Turkey and Qatar. Second, the Sudanese Armed Forces, the Rapid Support Forces, special police, and internal security services, represent a model of military authoritarianism as in Egypt, on which they count as their regional ally together with the United Arab Emirates and Saudi Arabia. Finally, the civilian cabinet led by Prime Minister Abdalla Hamdok, the Forces of Freedom and Change (FFC) alliance and other political parties are proponents of a democratic system, with support from the European Union, the AU, and Ethiopia.

Hamdok’s cabinet, UNITAMS’ main interlocutor, is increasingly squeezed between internal fragmentation of the parties nominally supporting it, revisionist protests from the Islamist camp, and domestic expectations to improve the dire economic situation. For example, Sadiq al-Mahdi from the National Umma Party, who led Sudan’s last democratic government in the late 1980s and had supported the civilian government before, reached out to the military and security forces to form a “patriotic alliance” against Hamdok. The planned inclusion of representatives of armed groups in the government’s transitional institutions as part of an impending peace agreement is likely to complicate this picture further.

The UN and Local Ownership

Implementing strong local ownership is a structural challenge for UN peace operations, especially for an integrated mission like UNITAMS, which is meant to carry out relevant functions of the UN Country Team. Peace operations, under the overall guidance of the UN Security Council and the UN secretary-general, have more leeway in implementing their mandate than UN agencies, funds, and programs, which rely on the host government’s consent for every project that they devise and implement. The close role of state authorities in planning and reviewing UN development and peacebuilding projects fosters their ownership though, whereas peace operations often remain tied to a top-down approach with national ownership at a much more abstract level, despite their efforts to consult communities and survey local perceptions. In the past, straying from the narrow line dictated by Sudan’s regime has often resulted in the expulsion of UN officials.

In Sudan, the UN cannot count on the government alone. Dominated by external advisors and (former) international officials, Prime Minister Hamdok’s government is hamstrung by the extremely low capacity of public administration. For example, the transitional government struggles to develop project proposals at the level of detail requested by donors and ensure efficient implementation of transition objectives. In early July, Hamdok appointed  a 15-member-committee to manage negotiations with UNITAMS. While the body is largely civilian (except one member representing military intelligence), it does not involve members of the FFC or other civil society organizations.

From countless examples of international interventionism, we know today that external actors cannot impose a framework on a society to resolve a conflict, if the fundamental causes of polarization and conflict remain. That was the experience of the Agreement on the Resolution of the Conflict in South Sudan (ARCSS) in 2015, which collapsed less than a year after the parties signed it under heavy regional and international pressure. UNAMID, for its part, came into being because of such international pressure, and was hampered to implement its mandate effectively by the intransigent government of President Omar al-Bashir, and ended up serving the political objectives of the past regime.

An Adaptive Approach

If UNITAMS is to avoid the fate of those peace efforts, it needs to adopt an adaptive approach. This peacebuilding approach recognizes that, as Cedric de Coning writes, “social systems are highly dynamic, non-linear and emergent.” It chimes well with Prime Minister Hamdok’s frequent insistence that Sudan’s transition process is “messy and non-linear.” An adaptive peacebuilding strategy takes a highly participatory approach, experiments with different options, and pays close attention to feedback from the local political environment, reviewing and adjusting its programming frequently in response to that feedback. Specifically, UNITAMS should heed four considerations.

First, in planning and implementing the mission, UN officials should account for the rapidly evolving situation and relatively short scheduled lifespan of the mission tracking the (now probably four-year) transition period. Instead of rigid budgets and work plans common in a UN peace operation, as much authority for recruitment, coordination, and project design should be delegated to the country-level as possible. Only with enough flexibility and Sudanese participation will the mission be able to respond to evolving dynamics and local needs. Specifically, the mission should institutionalize a regular advisory and monitoring mechanism, not just with the government’s committee, but with the FFC and civil society organizations as well. In doing so, the UN can build on its engagement with those groups since the start of the revolution in 2019. Knowledge management experts should ensure a smooth transition to the UN Country Team, while the mission should employ political and civil affairs officers with relevant regional and country expertise.

Second, UNITAMS should foster resilience, i.e., the ability to withstand and manage shocks to the transition process. There are likely going to be further delays and setbacks in the transition process, even a complete take-over by the security sector cannot be ruled out. UNITAMS has the mandate to support institution-building through providing technical expertise and advise for the constitutional process and independent commissions. As many actors are already present in this field, UNITAMS must avoid contributing to donor competition for attractive lighthouse projects. It should concentrate on strengthening the ability of the civilian authorities to exert control over the security sector and its economic activities, as the transitional government has planned. This will require the mission to put parliamentarians and political parties at the center of their stakeholder engagement. Only they can ensure functional civilian oversight of the security sector. The Sudanese private sector will be needed to restructure the assets of the security sector.

Third, UNITAMS should contribute to ensuring international coherence, in particular regarding the UN’s activities in Sudan and international financing of the transition. Extending basic services and supplies to the whole population is a key element of the transition’s success. More donor funds are expected to flow into Sudan in the wake of the Sudan Berlin Conference, where attendants pledged around 1.8 billion dollars (plus up to a further 400 million dollars in a pre-arrears clearance grant from the World Bank) on June 25, 2020. Ensuring a consistent follow-up process that will see further partnership conferences and coordination of pledges as well as operational activities in a way that considers the nexus between humanitarian and development activities in addition to peacebuilding will be crucial for UNITAMS.

As an integrated mission, some tasks that UNITAMS undertakes will continue after it is scheduled to leave Sudan with the completion of democratic elections, such as the reform of the civil service and public administration. As these developmental tasks will take many years, UNITAMS should leave the building of these vital state capacities to those organizations that are going to stay in Sudan for the long run, and concentrate on overall strategic coordination and ensure peace and stability of the transition process itself. Structurally, the existing donor coordination mechanisms supported by the UN Country Team can ensure Sudanese ownership more effectively than a peace operation. Given the remaining threats to civilians in Darfur and elsewhere, the Security Council may decide to extend UNAMID beyond December 2020. For UNITAMS, this would mean that it would have to revisit its mission plan and even raison d’être.

Finally, the mission should facilitate the flow of information and promote transparency regarding its own activities and those of development partners and government authorities. Sudan is swirling with rumors and speculation, including about the work of international actors. With offices around the country, logistical capacities, and the protection of a status-of-forces agreement, the mission should empower marginalized voices through dialogue processes, local conflict management, and reconciliation, and encourage communication between Sudan’s federal states and Khartoum.

UNITAMS can provide a platform for sharing information and can facilitate communication beyond its regular reporting to the UN Security Council, including public information efforts in Sudan. This includes managing expectations what a political mission can and cannot deliver, especially when it comes to protection of civilians and accountability. Establishing such processes could also help shine a light on the often-unclear support of Sudan’s non-traditional donors, including from the Gulf.

Becoming a Central Focal Point

The success of UNITAMS hinges on the ability and capacity of mission leadership and staff to provide substantive technical professional inputs to the transition process otherwise not available to Sudanese institutions, and to ensure strong Sudanese ownership of the mission. Adopting a flexible, adaptive approach will be difficult for a UN system full of inertia. Given the right policies, resources, leadership, and political backing, the mission still has the chance to become a focal point for the international support to Sudan’s transition.

Philipp Jahn heads the office of the Friedrich Ebert Foundation in Khartoum. Gerrit Kurtz is research fellow for crisis prevention and diplomacy in Africa at the German Council on Foreign Relations (DGAP) in Berlin. Peter Schumann is a former UN official, who served as Acting Deputy Joint Special Representative with UNAMID in 2017/18.

An International Partnership for Sudan’s Transition

Mobilizing Support, Preventing Instability

Video frame from the Sudan Partnership Conference held online on 25 June 2020.

This DGAP Policy Brief was published on 26 June 2020.

Germany has helped lead efforts to mobilize international support for Sudan’s transition process since President al-Bashir was ousted last year. To be successful, Germany and its partners must deliver on their promises to support the transitional government’s economic reforms with substantial aid. They should keep Sudan’s diverse partners aligned while broadening their outreach. Sudan is thus a test case for how much political capital Germany will spend on its stated objective of conflict prevention

Key Facts

Although Sudan’s transition process is a tremendous opportunity for sustainable peace and long-term democratic transformation, the collapse of the transitional government – resulting in a return to military rule and large-scale political violence – remains possible.
Currently, Sudan’s economic crisis represents the greatest danger to the transition process. Grievances resulting from spiraling inflation and increasing food insecurity undermine the domestic legitimacy of the transitional authorities.
Sudan’s transitional government has recently initiated important economic reforms, including a cash-transfer system to offset macroeconomic adjustments. Donors have long requested such groundwork before they mobilize further aid.
Germany should ensure that international support responds to the demands of Sudan’s vibrant civil society and is based on the expectation that the civil-military coalition government sticks to the 2019 constitutional declaration.
Read the full policy brief on this link.

Steinmeier visits Khartoum. Seizing the Opportunity for Sudan’s Transition

Sudan’s transition process offers chances for conflict prevention and stabilization – core objectives of Germany’s foreign policy in Africa. The international attention surrounding a visit by German President Frank-Walter Steinmeier to Khartoum in late February 2020 gives the civilian side of Sudan’s transitional government a golden opportunity to push forward difficult reforms. Germany should support these efforts and the transition process through diplomacy, mediation, and development cooperation.

German President Frank-Walter Steinmeier and Sudanese Prime Minister Abdalla Hamdok, (c) https://twitter.com/SudanPMHamdok/status/1232985062297260032?s=20.

This text was published as DGAP commentary on 25 February 2020.

On February 27 and 28, 2020, German President Frank-Walter Steinmeier will visit Khartoum, the capital of the Republic of Sudan. It will be the first such trip by a German president since 1985. Steinmeier will also be one of the most senior leaders to visit the city at the confluence of the White and Blue Nile since the start of the Sudanese revolution in December 2018. While Steinmeier’s role is largely ceremonial, his visit reflects intense diplomatic engagement by the German government in Sudan’s transition process.

A sustained partnership presents opportunities for both countries. The civilian side of the Sudanese transitional government needs principled international support as leverage in its relations with the country’s security forces and to deliver on its promises to improve the lives of its population. Germany – based on its own historical and contemporary experience with transition processes – can help provide that support. For Germany, leadership on Sudan is a chance to prove how seriously it takes its recent commitment to facilitating conflict prevention, stabilization, and peace promotion in its foreign policy.

The Civil-Military Government Needs Legitimacy

Since August 2019, a civil-military transitional government has ruled Sudan. So far, cooperation between the Forces of Freedom and Change (FFC), the broad civilian coalition supporting the government, and the country’s security forces seems to be working – as both sides continue to emphasize. The partnership works because both sides need each other. On the one hand, the security forces – which include not only the Sudanese Armed Forces, but also the Rapid Support Forces (RSF) headed by General Mohammed Hamdan Daglo, also known as Hemeti – control large swathes of the economy, possess excellent relations with important Arab countries, and play a leading role in the negotiations with armed groups. On the other hand, though, they lack exactly what Sudanese Prime Minister Abdalla Hamdok, his cabinet, and the FFC bring to the table. The government needs the support of the unions, professional associations, political parties, and social movements that make up the civilian revolutionary coalition for domestic legitimacy. Since many Western governments shun Hemiti and the RSF, the same holds true internationally. Indeed, opposition parties in Germany’s legislature, the Bundestag, have called on the federal government to ensure that renewed development cooperation would not entail the training of Sudanese security forces.

Sudan’s transformation will require continued pressure from the streets and international diplomacy

The cooperation between the FFC and security forces is not, however, as stable as it seems. Events in recent weeks show that threats to the partnership can emerge at anytime. On February 19, 2020, people took to the streets to protest the dismissal of junior military officers who had joined the revolution early on. The police in Khartoum, whose chief was appointed by the government of former President Omar al-Bashir, cracked down on the demonstration with tear gas and batons, injuring 53 people in the process. In reaction, Prime Minister Hamdok created a commission of inquiry headed by the attorney general.

Such incidents risk derailing the foundation of civil-military cooperation in the transitional government. People in Khartoum are eagerly awaiting the results of another commission of inquiry set up to investigate the violent crackdown on a sit-in held on June 3, 2019, in which more than 120 people were killed and more than 900 injured. While the RSF is widely believed to have been responsible for this carnage, it remains unclear whether the civilian government will have the strength to hold senior RSF leaders accountable when the commission names them in its report.

Difficult Decisions Lie Ahead

Trade-offs and painful decisions are a natural part of any democratic process of transition – especially after thirty years of dictatorship. Despite Sudan’s “revolutionary” narrative, many parts of its old system and members of its former government remain in place. The transformation of the country’s political, economic, and social spheres will require continued pressure from the streets and international diplomacy.

Prime Minister Hamdok can point to domestic and international expectations in his daily negotiations with the security forces. His government has already shown its willingness to address contentious issues. In November 2019, it dissolved former President Bashir’s National Congress Party and repealed his government’s public order law, which had severely restricted the role of women in public life. In February 2020, the government announced its willingness to cooperate with the International Criminal Court, which has indicted Bashir and four other former officials for atrocities in Darfur.

More tough decisions await. The government has promised to improve the education, health care, and livelihoods of ordinary Sudanese. In 2019,three million children in Sudan were not in school, for example. Today, most people in Khartoum have to wait for 24 hours at petrol stations to access heavily subsidized fuel and queue in bakeries for bread made from subsidized wheat. International donors have indicated their willingness to support Sudan’s economic development, but they expect more detailed proposals for macroeconomic reforms – including the outline of a social safety net to cushion the gradual lifting of such expensive subsidies. The government postponed a decision on a complete budget until a national economic conference in March 2020 because it has not yet been able to agree on the question of subsidies with the FFC, which demands that they remain in place for now while the government reduces military expenditure and military control of the economy instead.

An Approach Guided by Respect and Empathy

Steinmeier’s visit to Khartoum is the climax of a month of extraordinary German-Sudanese interaction. On February 13, 2020, the Bundestag passed a resolution asking the German government to restart bilateral development cooperation with Sudan. Gerd Müller, federal minister for economic cooperation and development, who had been in Khartoum the week before, announcedan initial package of 80 million euro for this year with possible focus on vocational training, agriculture, energy, and good governance.

The timing was perfect. A mere twenty-four hours later, Prime Minister Hamdok met German Chancellor Angela Merkel in Berlin. At a joint press appearance following their meeting, both leaders emphasized this pivotal moment for further reforms in the country at the wider Horn of Arica. Merkel pledged to “do everything to use this historical window of opportunity.” Hamdok spoke of an “emerging success story” and how a successful transition in Sudan could have a “spillover effect in the entire region.”

Germany can also bring its own historical experience to bear on its relationship with Sudan. Both German and Sudanese leaders have drawn analogies between the peaceful revolution of 1989 in the German Democratic Republic and the Sudanese uprising three decades later. Clearly, the two processes differ in important ways. Still, Germans are aware of the travails associated with accounting for state crimes, healing a divided society, and ensuring inclusive economic recovery. They increasingly recognize that mistakes were made in their own process of reunification and that difficulties remain. If the German government can call upon this experience in its dealings with Sudan’s transition process, it can interact with the country on slightly more equal footing than other international partners. This approach should also guide President Steinmeier’s interactions with his Sudanese interlocutors: Germany doesn’t have all the answers, but it has some experience with asking the right questions in dealing with an authoritarian past.

What Germany Can Contribute

Germany can contribute to Sudan’s transition process in three areas: diplomacy, mediation, and development cooperation. Diplomatically, the German government played an important behind-the-scenes role in rallying international stakeholders behind common objectives – including Gulf countries that initially supported a military takeover in April 2019. This group became the “Friends of Sudan,” the main mechanism for coordinating international support, which meets every two months under a rotating chair to discuss the Sudanese government’s progress and how to respond. In September 2019, German Foreign Minister Heiko Maas was the first foreign official to visit Khartoum after Prime Minister Hamdok had been sworn in. It will now fall to German and British diplomats in the UN Security Council to draft the mandate for a follow-up mission to the United Nations-African Union Hybrid Operation in Darfur (UNAMID), which is scheduled to withdraw by the end of October 2020.

Feeding into this high-level diplomacy is Berlin’s support of Sudan with mediation. In the last years of Bashir’s government, Germany already backed a national dialogue and a mediation process among armed groups from Darfur. This yielded an agreement among the armed groups involved just days before the first major anti-government protests began in December 2018 in Atbara, a key industrial city in northeastern Sudan. When events started moving fast on the ground, Berlin already had an established list of countries with which it had worked on monitoring the mediation process to turn to for additional support. In fact, Germany continues to monitor the current peace negotiations in Juba, South Sudan’s capital. It has also offered to increase its mediation support again when needed.

In its bilateral discussions with Sudan on development cooperation, Germany will need to identify projects that can deliver quick results to the population at large – in the areas of agriculture and economic livelihoods, for example. The German government should ensure that international assistance is fully coordinated with Sudan’s major development partners. The administrative capacities of the country’s ministries are still miniscule, making it difficult for Sudan to develop detailed proposals for macroeconomic reform to achieve debt relief and economic transformation. Germany’s approach to these negotiations should be guided by creativity, flexibility, and empathy for the challenges of a transitional government.

Courage and Persistence Bring Rewards

If Germany is serious about its commitment to conflict prevention and stabilization in its foreign policy, it needs to sustain its political attention to Sudan’s transition process. As it knows all too well from its own history, confronting and overcoming the legacy of authoritarianism takes persistence. The courage of the Sudanese people in the face of horrific violence and repression is a great asset in this struggle. Diplomats have been amazed at the professionalism and organization of Sudan’s revolutionary movements. As President Steinmeier will see for himself in Khartoum, Germany and Sudan can both benefit from learning each other’s stories.

Ausdauernde, aber sanfte Diplomatie nötig

In vielen Staaten Afrikas weht gerade ein Wind der Veränderung. Deutschland sollte die Übergangsprozesse unterstützen.

Dieser Text erschien am 19. August 2019 als Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau.

Es weht ein neuer Wind in den Regierungsgebäuden wichtiger afrikanischer Länder. Die Einigung auf eine Übergangsregierung im Sudan Anfang Juli ist nur das jüngste Beispiel für Regierungswechsel in scheinbar erstarrten Regimen. Auch Äthiopien, Algerien, Kongo, Angola und Simbabwe erleben politischen Wandel in den letzten Jahren. Diese Prozesse haben regionale Ausstrahlungswirkung, eint jedoch auch eine anhaltende Rolle von Herrschaftseliten, eine große Rolle des Sicherheitsapparats und der fragile Charakter der Veränderungen. Internationale Diplomatie muss einen Weg finden, sowohl die erneute Konsolidierung autoritärer Herrschaft als auch Bürgerkrieg und Massengewalt zu verhindern. Dazu sollte die Bundesregierung die Kräfte des friedlichen Wandels umsichtig unterstützen.

Die Regierungswechsel waren stets auch Versuche der herrschenden Elite, angesichts wachsender Demonstrationen und Unzufriedenheit im Land die Proteste zu besänftigen. Saubere Schnitte mit der Vergangenheit waren es nicht. Angesichts der engen Verbindung von wirtschaftlichen und politischen Interessen war dies keine Überraschung: es gibt viel zu verlieren für all diejenigen, die von den bisherigen Verhältnissen profitiert haben.

Gleichzeitig ist die Beteiligung existierender Machteliten auch eine Chance für den Übergangsprozess. Sie erlaubt mögliche Friedensstörer zumindest anfangs einzubinden. Wenn Reformfiguren dem Status Quo entspringen, können sie auf existierende Netzwerke zur Umsetzung ihrer Ideen zurückgreifen. Premierminister Abyi Ahmed hat beispielsweise angefangen, weitgehende demokratische Reformen in Äthiopien umzusetzen. Medien- und Versammlungsfreiheit sind gewachsen, tausende politische Gefangen wurden frei gelassen, und die Privatisierung staatlicher Monopole hat begonnen. Letztes Jahr schloss Äthiopien Frieden mit Eritrea und eröffnete damit die Hoffnung, dass auch dort die Jahrzehnte der Isolation und Militarisierung zu Ende gehen könnten.

Doch die schnellen Reformen bringen auch die inneren Spannungen Äthiopiens zu Tage. 2018 wurden im Land fast drei Millionen Menschen durch gewaltsame Auseinandersetzungen vertrieben; so viele wie in keinem anderen Land. Ende Juni versuchten staatliche Sicherheitskräfte, die Regierung zu stürzen und töteten dabei unter anderem den Armeechef. Währenddessen drohen die Übergänge in Algerien und Simbabwe in alte Muster zurückzufallen, bevor sie richtig begonnen haben.

Für Deutschland und Europa sind diese Entwicklungen von großer Bedeutung. Äthiopien und die Demokratische Republik Kongo gehören zu den größten Empfängerländern von deutscher Entwicklungszusammenarbeit in Afrika. Äthiopien und Algerien haben sich in den vergangenen Jahren als wichtige Friedensvermittler hervorgetan, im Sudan und Südsudan bzw. in Mali. Wenn die Bundesregierung die Ziele der afrikapolitischen Leitlinien, welche sie dieses Jahr neu fasste, umsetzen will, müssen diese Übergangsprozesse friedlich verlaufen und nachhaltig inklusive Herrschaft garantieren.

Die Diplomatie steht jedoch vor schwierigen Herausforderungen. Zwei andere Übergangsprozesse der letzten Jahre zeigen, wie internationaler Einfluss nicht enden sollte: in Ägypten konnte sich das Militär mit Präsident al-Sisi an der Spitze behaupten, ohne dass es langfristige Einbußen der US-Militärhilfe hinnehmen musste. In Libyen zerfiel der Staat nach der international forcierten Entmachtung Gaddafis im Streit bewaffneter Gruppen.

Deutsche Diplomatie sollte also auf glaubwürdige Reformschritte drängen und die Erwartungen auch an konstruktive Regierungen wie die von Abyi Ahmed in Äthiopien nicht aus falscher Rücksichtnahme senken. Gewaltakte wie das Massaker der friedlichen Demonstranten am 3. Juni in Khartum müssen aufgeklärt werden. Die Bundesregierung sollte innerhalb der Staaten die Akteure unterstützen, die für einen gesellschaftlichen Wandel stehen. Entsprechend sollten deutsche Diplomaten bei ihren Vermittlungsbemühungen im Sudan und anderswo auch zivilgesellschaftliche Bewegungen wie die Sudanese Professionals Association involvieren. Gleichzeitig sollten sie weiterhin regionale Prozesse wie die Mediation der Afrikanischen Union im Sudan unterstützen. Um ein glaubwürdiges Auftreten zu ermöglichen, muss sich die Regierung auch noch stärker um einen kohärenten Ansatz zwischen den Ressorts und mit den europäischen Partnern bemühen.

Die Bevölkerungen im Sudan, Algerien und anderen Ländern haben gezeigt, dass sie nicht länger auf langfristige Reformversprechen warten wollen. Pusten wir Wind in ihre Segel.