Eskalationsrisiko am Horn von Afrika

Drohgebärden aus Ägypten, Äthiopien und Somalia verschärfen lokale Konflikte

SWP-Aktuell 2024/A 52, 21.10.2024, zusammen mit Stephan Roll und Tobias von Lossow

Der somallische Präsident Hassan Sheikh Mahmud, der ägyptische Präsident Abdelfattah al-Burhan und der eritreische Präsident Isaias Afwerki, Asmara, 10.Oktober 2024.

In den letzten Monaten haben sich die Beziehungen zwischen Äthiopien, Ägypten und Somalia deutlich verschlechtert. Neu ist dabei die Verknüpfung der bisher separat betrachteten Streitfälle zwischen Ägypten und Äthiopien um die Nutzung des Nilwassers und zwischen Äthiopien und Somalia um die Anerkennung Somalilands. Die drei Hauptakteure setzen derzeit vor allem auf Drohgebärden, um ihre jeweilige Position in diesen Konflikten zu verbessern. Zwar ist eine zwischenstaatliche militärische Eskalation derzeit unwahrscheinlich, jedoch dürften sich die regionalen Spannungen verschärfen und der jihadistischen Al-Shabaab-Miliz in Somalia weiteren Auftrieb geben. Deutschland und die EU sollten die sehr komplexe Verflechtung der Konfliktlinien anerkennen, die betroffenen Länder an das gemeinsame Interesse erinnern, Somalia zu stabilisieren, und sich weiterhin für Dialog im Nilstreit einsetzen. Gleichzeitig gilt es, auch andere einflussreiche Akteure stärker in die Verantwortung zu nehmen.

Der unmittelbare Auslöser der aktuellen Spannungen sind Waffenlieferungen Ägyptens an Somalia infolge eines Sicherheitsabkommens, das beide Länder im August 2024 geschlossen haben. Hinzu kamen Berichte, dass Ägypten im Einvernehmen mit Somalia plant, mehrere Tausend Soldaten zur Bekämpfung Al-Shabaabs ans Horn von Afrika zu entsenden und die äthiopischen Truppen abzulösen, die dort bislang unter anderem im Rahmen der Ende des Jahres auslaufenden AU-Mission stationiert sind. Der äthiopische Ministerpräsident Abiy Ahmed warnte daraufhin, sein Land werde „jeden erniedrigen, der es wagt, uns zu bedrohen“. Offenbar zur Abschreckung brachte das äthiopische Militär schwere Waffen an der Grenze zu Somalia in Stellung.

Der somalische Außenminister drohte seinerseits, bewaffnete Gruppen in Äthiopien zu unterstützen, sollte Addis Abeba seine Schritte hin zu einer diplomatischen Anerkennung Somalilands nicht stoppen. Unterstützung bekam das Land hierbei nicht nur von Ägypten, sondern auch von Eritrea: Auf einem Dreiergipfel im Oktober vereinbarten die Präsidenten der drei Länder eine Intensivierung ihrer Sicherheitskooperation. Nahezu zeitgleich warf Ägypten Addis Abeba im UN-Sicherheitsrat vor, seine Wassersicherheit durch die Inbetriebnahme des Grand Ethiopian Renaissance Dam (GERD) zu gefährden. Äthiopien beschuldigte wiederum Ägypten, seinem Land wiederholt Gewalt angedroht zu haben. All dies zeigt: zwei zentrale Konflikte am Horn von Afrika werden zunehmend miteinander verknüpft und verschärfen sich dadurch.

Ägyptens Wassersorgen

Ägyptens Vorgehen am Horn von Afrika erklärt sich auch aus seinem langjährigen Streit mit Äthiopien über die Nilwassernutzung, der sich durch die fünfte Phase der Befüllung des Stausees hinter dem seit 2011 errichteten GERD weiter zugespitzt hat. Aus Ägyptens Sicht, das über 90 Prozent seines Wasserbedarfs aus dem Nil deckt, stellt der Bau des gigantischen Staudamms am Oberlauf des Blauen Nils eine erhebliche Bedrohung für die eigene Wasserversorgung und damit für die nationale Sicherheit dar. Seit Jahren treibt Äthiopien die Fertigstellung der Anlage energisch voran, die einen entscheidenden Beitrag zur Deckung des immensen Energiebedarfs des Landes leisten soll. Demgegenüber beharrt Ägypten auf einem Vetorecht gegen Bauvorhaben am Oberlauf des Nils und auf einem bilateral mit Sudan vereinbarten Wasserverteilungsschlüssel. Beide Rechte führt Kairo auf Verträge aus der Kolonialzeit zurück, die Äthiopien und die anderen Oberlieger als Nichtbeteiligte nicht anerkennen.

Die diplomatischen Bemühungen, einschließlich der Verhandlungen zum GERD, bei denen externe Akteure wie die USA, die Afrikanische Union und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) vermitteln, sind weitgehend zum Erliegen gekommen. Gleiches gilt für die die Zusammenarbeit im Rahmen der 1999 gegründeten Nile Basin Initiative (NBI). In den vergangenen Jahren hat sich Kairos Verhandlungsposition zunehmend verschlechtert. Zum einen sind die Bauarbeiten am Staudamm weit fortgeschritten, so dass das Projekt größtenteils abgeschlossen ist und die Stromproduktion begonnen hat. Im August 2024 gingen die dritte und vierte Turbine des Damms ans Netz, der Rest der insgesamt 13 Turbinen soll in den nächsten Monaten folgen. Zum anderen hat Ägypten seinen wichtigsten Verbündeten im Wasserkonflikt verloren. Sudan, das aufgrund seiner eigenen Wassernutzungsinteressen lange Ägypten unterstützte, ist infolge des Bürgerkriegs de facto als eigenständiger Akteur aus den Verhandlungen ausgeschieden. Zudem profitiert Khartum durchaus auch vom GERD, insbesondere beim Schutz vor regelmäßigen Überflutungen.

Mit der Ratifizierung durch Südsudan im Juli trat im Oktober 2024 zudem das Nile Basin Cooperative Framework Agreement (CFA) in Kraft. Das Abkommen sieht mit der Nile River Basin Commission (NRBC) eine permanente Flussgebietskommission vor, der zunächst nur sechs Oberliegerstaaten, nicht aber Ägypten und Sudan angehören. Der Abschluss einer Rahmenvereinbarung aller elf Anrainerstaaten, die Prinzipien, Strukturen und Institutionen für ein gemeinsames, beckenweites Wassermanagement fixiert, war ein Hauptziel der NBI. Weil Ober- und Unterliegerstaaten sich über zehn Jahre aber nicht auf ein solches Abkommen einigen konnten, blieben Ägypten und Sudan schließlich außen vor, als im Mai 2010 Äthiopien, Tansania, Uganda und Ruanda – wenig später auch Kenia und Burundi – das CFA unterzeichneten. Nachdem bis auf Kenia alle das Abkommen ratifiziert hatten, folgte mit Südsudan nun der zur Umsetzung erforderliche sechste Staat.

Versuche der ägyptischen Regierung, ihre Verhandlungsposition am Nil durch Sicherheitsabkommen mit verschiedenen Staaten der Region wie Südsudan, der Demokratischen Republik Kongo, Uganda und Ruanda zu stärken, blieben bisher erfolglos. Auch nachdem Präsident Abdelfattah al-Sisi und Ministerpräsident Abiy bei einem persönlichen Treffen in Kairo im Juli 2023 vereinbart hatten, die ausstehenden Streitfragen innerhalb von vier Monaten zu klären, gab es keine Fortschritte. Schließlich schaltete sich Ägypten in den Konflikt zwischen Äthiopien und Somalia ein, um auf diese Weise Druck auf Addis Abeba auszuüben.

Äthiopiens Hafenambitionen

Während Äthiopien und Somalia zuvor jahrelang enge diplomatische Beziehungen gepflegt haben, ging es im bilateralen Verhältnis seit Anfang 2024 rapide bergab. Der Grund: die Absichtserklärung, die Ministerpräsident Abiy und Präsident Muse Bihi Abdi von Somaliland im Januar unterzeichneten. Das Memorandum of Understanding (MoU), dessen Wortlaut nicht veröffentlicht wurde, sieht vor, dass Äthiopien einen 20 Kilometer langen Küstenstreifen für 50 Jahre pachtet, um dort eine Marinebasis zu errichten. Außerdem soll Äthiopien wirtschaftlichen Zugang zu einem Hafen des De-facto-Staats bekommen. Im Gegenzug versprach Äthiopien Somaliland eine Beteiligung an Ethiopian Airlines und stellte in Aussicht, die völkerrechtliche Anerkennung Somalilands zu prüfen.

Bislang hat kein UN-Mitgliedstaat die Unabhängigkeit Somalilands anerkannt, die die autonome Region 1991 ausrief. Gleichwohl unterhalten verschiedene Staaten eigene, vor allem wirtschaftliche Beziehungen mit Somaliland. So investierten die VAE mehrere Hundert Millionen US-Dollar in den Ausbau des Hafens von Berbera, den das emiratische Unternehmen DP World seit 2017 betreibt, sowie in die logistische Infrastruktur mit Äthiopien zu beiden Seiten der Grenze. Damals schlossen Äthiopien und DP World eine Vereinbarung, der zufolge sich Addis Abeba mit 19 Prozent am Hafenausbau beteiligen sollte. 2022 verlor Äthiopien diesen Anspruch jedoch, nachdem das kriegsgeschüttelte Land die versprochenen Mittel nicht bereitgestellt hatte.

Äthiopien setzt mit dem MoU nun auf einen anderen Weg, sein Ziel eines eigenen Zugangs zum Meer zu erreichen. Abyis Regierung sieht darin den Ausgleich eines „historischen Fehlers“, den seine Vorgänger begangen hätten, als sie Eritrea 1993 in die Unabhängigkeit entließen und damit den Meereszugang aufgaben. Äthiopien sei dadurch heute das bevölkerungsreichste Land ohne Küste. Derzeit erfolgen rund 95 Prozent aller äthiopischen In- und Exporte über den Hafen von Dschibuti. Dafür werden jährlich rund 1,5 Milliarden US-Dollar an Gebühren fällig, die Äthiopien in knappen Devisen bezahlen muss.

Die Führung in Mogadischu reagierte auf das MoU mit entschiedener Ablehnung. Eine Anerkennung Somalilands durch Äthiopien, der weitere Staaten folgen könnten, betrachtet Somalia als Verletzung seiner Souveränität. Im April 2024 verwies Somalia den äthiopischen Botschafter des Landes und zog seinen eigenen Vertreter aus Addis Abeba ab.

Der somalische Präsident Hassan Sheikh Mohamud bemühte sich erfolgreich um diplomatische Unterstützung, sowohl in der Region als auch von internationalen Akteuren, darunter den G7-Staaten. In diesem Zusammenhang schlossen Somalia und Ägypten im August 2024 ein Sicherheitsabkommen, auf dessen Grundlage Ägypten zwei Wochen später Waffen zunächst per Flugzeug und später auch per Schiff nach Mogadischu lieferte.

Kriegsrisiko zwischen Ägypten und Äthiopien

Kriegsdrohungen Ägyptens sind im Wasserkonflikt mit Äthiopien keineswegs neu. Ein direkter ägyptischer Angriff auf die Baustelle des GERD war jedoch lange Zeit wegen der begrenzten militärischen Reichweite der ägyptischen Luftwaffe kein realistisches Szenario. Auch würde Ägypten als Unterliegerstaat sein eigentliches Ziel durch einen Waffengang nicht erreichen, da Äthiopien das Nilwasser dann erst recht als Druckmittel einsetzen und den Durchfluss am Staudamm gezielt drosseln könnte. Nach der Befüllung des Staubeckens birgt ein solcher Angriff nun zudem unkalkulierbare Risiken für den Wasserfluss des Nils und würde eine für Sudan katastrophale Flutwelle auslösen. Durch die Stationierung ägyptischer Truppen in Somalia könnte die Gefahr eines direkten militärischen Konflikts zwischen beiden Ländern allerdings steigen.

Sollte es tatsächlich zu Kampfhandlungen kommen, würde Kairo aber aus mehreren Gründen ein erhebliches Risiko eingehen. Zwar verfügt das Land über die bei weitem größten Streitkräfte Afrikas und ein umfangreiches Waffenarsenal, doch daraus lässt sich nicht zwingend die tatsächliche militärische Schlagkraft ableiten. So mussten die Streitkräfte bei der Bekämpfung aufständischer Gruppen auf der Sinai-Halbinsel nach 2013 schwere Verluste hinnehmen. Erst in den vergangenen zwei Jahren gelang es sukzessive, die Sicherheitslage unter Kontrolle zu bekommen. Ein Militäreinsatz außerhalb der eigenen Landesgrenzen wäre trotz einer Truppenstationierung in Somalia ungleich schwerer durchzuführen, nicht zuletzt aufgrund der Distanz, während Äthiopien aus dem eigenen Territorium heraus agieren könnte. Sollte ein bewaffnetes Vorgehen Ägyptens mit massiven Verlusten verbunden sein oder gar scheitern, könnte dies dazu führen, dass die ägyptische Bevölkerung die Rolle der Streitkräfte in der Politik und der Wirtschaft des Landes stärker in Frage stellt. Schon jetzt wird aus den Reihen der ägyptischen Zivilgesellschaft Kritik laut, dass die Armee vor allem mit der Verwaltung eines riesigen, ineffizienten Wirtschaftsimperiums beschäftigt ist.

Hinzu käme der Mangel an internationalem und regionalem Rückhalt für ein militärisches Vorgehen. Kairo ist stark von den Golfstaaten und den USA abhängig. Besonders die VAE sind in den letzten Jahren zum wichtigsten staatlichen Gläubiger Ägyptens geworden. Die USA leisten jährlich rund 1,3 Milliarden US-Dollar an Militärhilfe, die einen festen Bestandteil des ägyptischen Rüstungsetats ausmacht. Da beide Länder ebenfalls enge Beziehungen zu Äthiopien pflegen, würde ein Waffengang Ägyptens das Risiko bergen, diese Unterstützung zu verlieren.

So dürfte Kairos Handeln weniger auf eine direkte militärische Konfrontation mit Addis Abeba abzielen. Vielmehr soll die Drohung mit einer Eskalation externe Akteure dazu bewegen, sich im Nilwasserkonflikt verstärkt im Sinne Ägyptens zu engagieren. Eine derartige Internationalisierung des Konflikts hat es bisher nicht gegeben, obgleich Kairo dies seit Jahren anstrebt. Vor allem aber sollen regionale Gegner Äthiopiens militärisch gestärkt werden.

Neben lokalen Gruppierungen in Somalia und Äthiopien dürfte sich Kairo hier vor allem auf Eritrea fokussieren, da sich dessen Beziehungen zu Äthiopien seit 2022 deutlich verschlechtert haben. Hintergrund ist das Pretoria-Abkommen, das die äthiopische Regierung mit der Tigray People’s Liberation Front (TPLF) geschlossen hat, um den Bürgerkrieg im Land zu beenden. Eritrea sieht sein Ziel einer Zerschlagung der TPLF hierdurch konterkariert. Grenzstreitigkeiten und Äthiopiens Bestreben, sich einen Zugang zum Meer möglicherweise auch wieder in Eritrea zu sichern, verschärfen die Spannungen zusätzlich. Infolgedessen intensivierte Asmara mit Nachdruck seine Beziehungen zu Kairo, was nicht zuletzt durch das Gipfeltreffen zwischen den Präsidenten Ägyptens, Eritreas und Somalias im Oktober unübersehbar geworden ist. Gleichwohl dürfte sich Eritrea nicht einfach von Ägypten vereinnahmen lassen, sondern mittelfristig eher sein eigenes Interesse, die Errichtung einer Pufferzone auf äthiopischem Territorium, verfolgen. Die äthiopische Bundesregierung scheint die Präsenz eritreischer Truppen im Norden Tigrays derzeit zu tolerieren.

Dennoch kann auch ein direktes Aufeinandertreffen ägyptischer und äthiopischer Truppen nicht ganz ausgeschlossen werden, sollte Kairo tatsächlich Soldaten in nennenswerter Zahl in Somalia stationieren. Dieses Risiko steigt umso mehr, wenn Äthiopien sich weigert, seine Truppen aus Somalia abzuziehen. Ägypten könnte im schlimmsten Fall versuchen, die äthiopischen Truppen zu vertreiben – und zwar im Namen der somalischen Bundesregierung.

Chicken Game zwischen Äthiopien und Somalia

Die Wahrscheinlichkeit eines bewaffneten Konflikts zwischen Äthiopien und Somalia ist durch zwei Faktoren stark gemindert: das militärische Kräfteverhältnis und das geteilte Interesse an der Bekämpfung von Al-Shabaab.

Äthiopiens Armee ist zwar in hohem Maße eingebunden in die Bekämpfung mehrerer Aufstände und geschwächt vom verlustreichen Krieg im Norden des Landes 2020–22; sie bleibt jedoch eine der größten Militärmächte der Region und verfügt unter anderem über Drohnen, Hubschrauber, Kampfflugzeuge und schwere Waffen. Im Gegensatz dazu befindet sich der somalische Sicherheitssektor weiterhin im Aufbau. Ihm gelingt es nicht einmal, Mogadischu effektiv vor Angriffen durch Al-Shabaab zu schützen. Die somalischen Sicherheitskräfte sind auf Einheiten unter unterschiedlichem Kommando der Bundesregierung und der Bundesstaaten sowie auf Klan-Milizen verteilt, die inkohärent agieren. Trotz Erfolgen bei der Ausbildung einiger Einheiten sind die somalischen Sicherheitskräfte weiterhin stark von internationalen militärischen und finanziellen Unterstützern abhängig, darunter neben der AU die EU, die USA, die Türkei, Kenia und auch Äthiopien.

Äthiopien und Somalia verbindet seit langem der Kampf gegen Al-Shabaab. Addis Abeba will die Fähigkeiten der dschihadistischen Gruppe in seinem Nachbarland eindämmen, eine Pufferzone aufrechterhalten und damit deren Angriffe in Äthiopien verhindern. Im Juli 2022 überschritten Hunderte von Al-Shabaab-Kämpfern die Grenze und drangen rund 150 Kilometer ins äthiopische Landesinnere vor, bis sie zurückgeschlagen werden konnten. Unter den Invasoren sollen auch viele äthiopische Staatsangehörige aus den Regionen Somali und Oromia gewesen sein.

Wegen dieser Bedrohungslage setzt Äthiopien derzeit rund 10.000 eigene Soldaten in Somalia ein. Nur etwa ein Drittel davon ist bisher Teil der AU-Missionen AMISOM und ATMIS gewesen. Den Rest hat Addis Abeba aus eigener Initiative entsandt. Diese Truppen kooperieren eng mit denen der jeweiligen somalischen Bundesstaaten und lokalen Milizen. Die somalische Regierung hatte diese Truppen über Jahre toleriert (ähnlich wie kenianische Einheiten im Süden), weil sie der Sicherheit in ihren Einsatzgebieten dienen.

Die Drohgebärden Äthiopiens und Somalias sind Spiegel dieses ungleichen Machtverhältnisses. Äthiopien kalkuliert damit, dass Somalia es sich gar nicht leisten kann, die äthiopischen Truppen des Landes zu verweisen, weil diese einen entscheidenden Beitrag im Kampf gegen Al-Shabaab leisten. Die zu erwartenden somalischen Reaktionen auf das MoU mit Somaliland würden damit verpuffen. Umgekehrt hat die somalische Regierung allerdings mittlerweile angekündigt, dass die äthiopischen Truppen mit dem Ende von ATMIS das Land bis Ende Dezember 2024 verlassen sollen, wenn Äthiopien das MoU nicht zurückzieht. Somalia setzt damit darauf, dass Äthiopien sich eigentlich einen Abzug nicht leisten kann. Die Frage ist, wer zuerst nachgibt.

Eskalation innerstaatlicher Konflikte als eigentliche Gefahr

Während direkte konventionelle Auseinandersetzungen zwischen den beteiligten Staaten derzeit eher unwahrscheinlich sind, sind sowohl Äthiopien als auch Somalia aufgrund ihrer innerstaatlichen Zerrissenheit anfällig für gezielte wie auch unbeabsichtigte Eskalationen.

Das größte Risiko ist, dass die äthiopisch-somalischen Unstimmigkeiten Al-Shabaab weiter Auftrieb geben könnten. Die Gruppe konnte bereits von dem bisherigen Teilabzug von ATMIS profitieren, weil somalische Sicherheitskräfte nicht in der Lage waren, die entstandene Lücke zu füllen. Zudem breitet sich in Puntland der sogenannte Islamische Staat aus.

Noch ist offen, wie genau die Nachfolgemission der derzeitigen AU Transition Mission in Somalia(ATMIS), deren Mandat Ende Dezember 2024 ausläuft, aussehen soll. Der AU-Friedens- und Sicherheitsrat nahm im August 2024 einen Operationsplan für eine neue Mission unter dem Namen AU Support and Stabilization Mission in Somalia (AUSSOM) an, die grundsätzlich ATMIS ab Januar 2025 ablösen soll. Allerdings ist bislang weder geklärt, welche Staaten Truppen stellen, noch wie die Mission finanziert werden soll. Die ägyptischen Truppen könnten die Führung übernehmen, dazu käme ein vermutlich kleineres Kontingent, das Dschibuti angeboten hat. Damit bleibt aber offen, wer die restlichen der geplanten knapp 12.000 Soldaten stellen soll (ATMIS hat derzeit rund 12.600). Möglich wären Beiträge der bisherigen Truppensteller Kenia und Uganda. Grundsätzlich soll AUSSOM fünf Jahre Bestand haben und dabei schrittweise immer mehr Verantwortung an die somalischen Sicherheitskräfte abgeben.

Falls die äthiopischen Truppen tatsächlich abziehen und durch ägyptische ersetzt werden sollten, dürften diese mindestens beim Übergang Schwierigkeiten haben, die Sicherheitslage zu kontrollieren. Die äthiopischen Streitkräfte haben über mehr als ein Jahrzehnt lokale Netzwerke geknüpft und lokale Milizen ausgerüstet und ausgebildet. Ägypten müsste diese Kontakte erst mühsam aufbauen. Währenddessen könnte Al-Shabaab sich sowohl in Somalia als auch möglicherweise an der Grenze zu Äthiopien weiter ausbreiten. Außerdem ist nicht auszuschließen, dass die von Ägypten für die somalische Regierung bestimmten Waffen ihren Weg zu Al-Shabaab finden.

Die AU hofft auf eine Finanzierung durch einen neuen Mechanismus, den der UN-Sicherheitsrat im Dezember 2023 geschaffen hat. Danach könnten AU-Missionen künftig zu 75 Prozent aus UN-Pflichtbeiträgen bezahlt werden. Voraussetzung dafür ist allerdings ein Beschluss des UN-Sicherheitsrats. UN und AU sollen bis Mitte November einen Plan zum Design und zur Finanzierung von AUSSOM vorlegen. Die Entscheidung könnte zu spät kommen, um einen lückenlosen Übergang von der Vorgänger‑‌ zur Nachfolgemission zu garantieren. Daher wird bereits über eine Brückenfinanzierung diskutiert, für welche sich die Blicke auf die wichtigste bisherige Finanzquelle richten, die Europäische Union.

Eine weitere Konfliktdimension eröffnet sich mit den Beziehungen zwischen der somalischen Bundesregierung und den somalischen Bundesstaaten. So hat es bereits mehrere Demonstrationen im somalischen South-West State gegeben, auf denen die Fortdauer der Präsenz der äthiopischen Truppen gefordert wurden. Auch der Präsident von South-West State Abdiaziz Laftagareen sprach sich gegen die Stationierung von ägyptischen Truppen und für den Verbleib der äthiopischen Kontingente aus, die in seinem Bundesstaat eingesetzt sind.

Die Beziehungen zwischen Mogadischu und den Bundesstaaten sind ohnehin angespannt. Ende März kündigte Puntland an, es werde sich aus dem föderalen System des Landes zurückziehen, nachdem die Bundesregierung die ersten Kapitel einer Verfassungsreform durchs Parlament gebracht hatte. Wenige Tage später trafen sich Vertreter Puntlands mit einem äthiopischen Staatssekretär. Äthiopien könnte auch in Zukunft ein offenes Ohr für unzufriedene politische Stakeholder in Somalia haben und so die dortigen politischen Verhältnisse beeinflussen. In der Vergangenheit hat es bereits zu verschiedenen Zeitpunkten bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen somalischen Bundesstaaten und der Regierung in Mogadischu gegeben. Somalias Außenministerium wirft Äthiopien bereits vor, Waffen an Puntland zu liefern.

Umgekehrt sieht sich Äthiopien der Gefahr ausgesetzt, dass bewaffnete Gruppen im Land von außen gezielt gefördert werden könnten. Denkbar wäre zum Beispiel eine externe Unterstützung der Ogaden National Liberation Front (ONLF) im äthiopischen Somali State. Diese erklärte zwar 2018 einen Waffenstillstand mit der Regierung, allerdings beschwerte sich die Bewegung im September 2024 über äthiopische Truppenverlegungen, die sie als friedensgefährdende „Militarisierung“ des Bundesstaats wertete.

Andere Eingriffsmöglichkeiten bestehen in Amhara, Oromia, Benishangul-Gumuz (wo der GERD liegt) und Tigray. Die äthiopische Regierung hat in der Vergangenheit Ägypten mehrfach vorgeworfen, verschiedene bewaffnete Gruppen in Äthiopien zu unterstützen. Dazu zählten Gumuz-Milizen, die vor einigen Jahren unter anderem versuchten, die Hauptstraße zum GERD zu blockieren, aber auch die TPLF während des Kriegs im Norden.

Die derzeit aktivsten Konfliktherde Äthiopiens sind die Regionen Amhara und Teile Oromias. Die Fano-Milizen in Amhara profitierten in der Vergangenheit von der Ausbildung durch eritreische Kräfte – eine Unterstützung, die möglicherweise immer noch anhält. Äthiopische und kenianische Nachrichtendienste berichteten im August 2024 über eine Zusammenarbeit zwischen der Oromo Liberation Army, die gegen die äthiopische Regierung kämpft, und Al-Shabaab in Somalia.

Handlungsoptionen für Deutschland und die EU

Deutschland und seine europäischen Partner sollten die geopolitischen Spannungen am Horn von Afrika ernst nehmen und darauf achten, diese nicht durch einseitige Positionierungen oder falsche finanzielle Anreize zu verschärfen. Ein zwischenstaatlicher Krieg ist derzeit zwar unwahrscheinlich, aber aufgrund von Missverständnissen, unüberlegten Fehltritten und der emotionalen Aufheizung auf allen Seiten nicht komplett auszuschließen. In jedem Fall erschweren die Spannungen die weitere regionale Zusammenarbeit zu einer Zeit, in der es ohnehin große Herausforderungen in der Region gibt: den Krieg in Sudan, die Angriffe der Houthis auf die Schifffahrt im Roten Meer und ein Erstarken der Al-Shabaab und des sogenannten Islamischen Staates in Somalia.

Wichtig ist, dass Deutschland und die EU die komplexen Konflikte in der Region zusammendenken und nicht isoliert voneinander bearbeiten. Die Europäer sollten sich von den Machtspielen Ägyptens, Äthiopiens und Somalias nicht dazu verleiten lassen, einseitige Agenden im Namen zweifelhafter Stabilitätsversprechen zu unterstützen.

In Bezug auf Somalia sollten die Europäer deutlich machen, dass eine übergangsweise Finanzierung von AUSSOM aus dem Europäischen Friedensfonds nicht der Stärkung der ägyptischen Drohkulisse gegenüber Äthiopien dienen darf. Ein möglicher Kompromiss könnte darin bestehen, dass ägyptisches Militär zur weiteren Ausbildung von Sicherheitskräften in Mogadischu stationiert wird, während die äthiopischen Truppen in anderen Bundesstaaten weiter direkt den Kampf gegen Al-Shabaab unterstützen. Die EU sollte weiterhin die einseitige völkerrechtliche Anerkennung Somalilands ablehnen.

Im Konflikt um die Nutzung des Nilwassers sollten Deutschland und die EU darauf hinwirken, dass bei der Umsetzung des CFA die Nile River Basin Commission nicht von einzelnen Anrainerstaaten dazu genutzt wird, Ägyptens Position weiter zu schwächen. Nur wenn das Wirken der NRBC tatsächlich beckenweit ausgerichtet ist, internationale rechtliche Standards einhält und damit in der Folge implizit auch ägyptische Nilwasserinteressen wahrt, ist eine Unterstützung der Kommission angeraten. Die Europäer sollten sich zudem dafür einsetzen, die NBI für den Austausch über Nilwasserfragen zwischen NBRC-Mitgliedern und den anderen Anrainerstaaten zu erhalten oder eine vergleichbare niedrigschwellige (Dialog-)Plattform zu etablieren, der alle Nilanrainerstaaten unverbindlich beitreten können.

Schließlich sollten sich die Europäer weiterhin um eine bessere Abstimmung des gesamten internationalen Engagements in der Region bemühen. Dabei gilt es, auch externe Akteure mit Einfluss auf die betreffenden Regierungen stärker in die Pflicht zu nehmen, damit sie Konfliktlösungsansätze in der Region intensiver fördern. Die Türkei vermittelt bereits zwischen Äthiopien und Somalia, wenn auch bisher ohne Erfolg. Eine besondere Rolle kommt den VAE zu: Sie verfolgen am Horn von Afrika ausgeprägte wirtschaftliche Interessen, insbesondere durch Investitionen in Hafeninfrastruktur und Landwirtschaft, und zählen zu den wichtigsten staatlichen Gläubigern. Ihre Finanzhilfen und, im Fall Äthiopiens, auch militärische Unterstützung haben maßgeblich zur Machtkonsolidierung der aktuellen politischen Führungen in Kairo und Addis Abeba beigetragen und deren außenpolitische Risikobereitschaft erhöht. Dennoch fehlt den VAE bisher eine ordnungspolitische Vision für die Region und ihr Beitrag zur konstruktiven Konfliktbearbeitung bleibt gering – ein Umstand, der in Abu Dhabi intensiver zur Sprache gebracht werden sollte

Dr. Gerrit Kurtz ist Wissenschaftler, Dr. Stephan Roll Senior Fellow in der Forschungsgruppe Afrika und Mittlerer Osten.
Tobias von Lossow ist Research Fellow bei Clingendael – Netherlands Institute of International Relations.

Machtkampf in Sudan

Der Putsch vom 25. Oktober 2021 setzte dem demokratischen Übergangsprozess in Sudan ein jähes Ende. Militär- und Sicherheitskräften gelingt es seitdem jedoch nicht, ihre Herrschaft zu festigen. Eine Rückkehr zu einer dauerhaften und stabilen Militärregierung in Sudan ist unwahrscheinlich. Zu groß sind die internen Gegen­sätze der Putschistengruppierungen und die wirtschaftlichen Herausforderungen des Landes. Die Demokratiebewegung ist gut organisiert und dank ihrer dezentralen Struktur in der Lage, Verhaftungen und Gewalt zu trotzen. Ein neuer demokratischer Übergangsprozess wird nicht allein durch Wahlen herbeizuführen sein, welche die Putschisten für Sommer 2023 planen. Jedwede internationale Vermittlung in Sudan hat nur dann eine Chance, wenn sie eng auf die zivilgesellschaftlichen Pläne für eine Neuausrichtung des Staates abgestimmt ist.

SWP-Aktuell erschienen am 10.März 2022.

Am 28. Februar 2022 veröffentlichte die United Nations Integrated Transition Assis­tance Mission in Sudan (UNITAMS) eine Zu­sammenfassung des fünf Wochen dauern­den Prozesses, in dem sie eine breite Aus­wahl sudanesischer Stakeholder konsultiert hat. Die Mission identifizierte zwar einige Gemeinsamkeiten, doch bleibt die wichtig­ste Frage unbeantwortet: Wie kann das Land am Nil aus der Krise herausfinden?

Seit ihrer erneuten Machtübernahme im Oktober 2021 ist es den sudanesischen Militär- und Sicherheitskräften nicht gelun­gen, ihre Herrschaft grundlegend zu kon­solidieren. Seitdem die Ministerinnen und Minister der Forces of Freedom and Change (FFC), der breiten Koalition politischer Par­teien und Angehörigen der Zivilgesellschaft, am 22. November 2021 zurückgetreten sind, besteht das Kabinett hauptsächlich aus ge­schäftsführenden Staatssekretären. Im Amt sind nur noch jene Minister, die das Militär und die Unterzeichner des Juba-Friedens­abkommens von 2020 nominiert haben. Der Regierung fehlen sowohl die Mittel als auch die Partner, um das Land zu stabilisieren.

Lediglich über Gewaltmittel verfügen die Militär- und Sicherheitskräfte noch, die es ihnen ermöglichen, Demonstrierende mit gezielten Schüssen, Tränengas und schwe­ren Waffen in Schach zu halten. Immer noch gehen regelmäßig tausende Menschen in Khartum und vielen weiteren Städten des Landes auf die Straße, obwohl bei den Protesten bereits 83 Menschen ums Leben und mehr als 2.600 verletzt worden sind. Die zivile Übergangsregierung von Premier­minister Abdalla Hamdok, die seit der Ver­fassungserklärung von August 2019 im Amt gewesen war, genoss breite Zustimmung in der Bevölkerung, bei aller Kritik an einzel­nen ihrer Maßnahmen. Das unterscheidet Sudan von anderen Staaten in Sub-Sahara-Afrika, deren Regierungen in den letzten zwölf Mo­naten Opfer eines Militärputschs wurden.

Drei Faktoren erklären die Schwäche des Sicherheitssektors: seine internen Spannun­gen, die katastrophale wirtschaftliche Situa­tion im Land und die Resilienz der Demo­kratiebewegung. Eine Rückkehr zu einer dauerhaft amtierenden Militärregierung steht damit vor erheblichen Herausforderungen.

Fragmentierung des Sicherheitsapparats

Die Schwäche des Sicherheitssektors beruht erstens auf seiner Fragmentierung. Die Sudanesischen Streitkräfte (SAF) unter Füh­rung von General Abdel Fattah al‑Burhan haben keine effektive Kontrolle über die Rapid Support Forces (RSF) unter dem Kom­mando von Generalleutnant Mohamed Hamdan Dagalo, genannt Hemedti. Die Bashir-Regierung hatte die RSF seit 2013 als separate Miliz zur Aufstandsbekämpfung in Darfur eingesetzt. Noch im Juni 2021 wider­setzte sich Hemedti Forderungen von Bur­han und Rebellengruppen, die Kommandostrukturen zu vereinheitlichen. Hemedti, der auch stellvertretender Vorsitzender des Sovereignty Council (kollektive Staats­führung während der Transition) ist, hat bes­sere Beziehungen zu jenen Gruppen, die das Juba-Friedensabkommen von 2020 unter­zeichnet haben, das er als einziger Vertreter der sudanesischen Regierung unterschrieben hat (Burhan zeichnete ledig­lich als Zeuge). Die Militärführung hin­gegen kann sich auf die Geschlossenheit der eigenen Streitkräfte nicht hundertprozentig verlas­sen. Daher entließ sie im Februar 2022 hunderte Offiziere. Kurzfristig sei Bur­han auf die RSF angewiesen, um Khartum zu kontrollieren, langfristig sei Hemedti jedoch sein größter Gegner, schreibt auch die renommierte Expertin Kholood Khair. Burhan soll sich bereits in Gesprächen mit seinen ägyptischen Freun­den besorgt dar­über gezeigt haben, dass Hemedti putschen könnte. Die SAF bestritten solche Berichte.

So wie Burhan und Hemedti ihren För­derer Bashir im April 2019 im Präsidentenpalast gestürzt haben, könnte die Putschisten ein ähnliches Schicksal ereilen, wenn sie zu viel Gewalt einsetzen oder nicht mehr in der Lage sind, die wirtschaftlichen Pfrün­den des Sicherheitssektors zu garantieren.

Militärwirtschaft in der Sackgasse

Zweitens werden die Militär- und Sicherheitskräfte auf absehbare Zeit außerstande sein, die wirtschaftliche Misere Sudans zu überwinden. Zwar wird die sudanesische Wirtschaft von Unternehmen dominiert, die dem Sicherheitssektor zugerechnet wer­den. Sie profitieren jedoch auch von Steuer- und Zollvorteilen, die einer marktwirt­schaftlichen Entwicklung entgegenstehen.

Sudans Wirtschaft leidet unter der zweit­höchsten Inflationsrate der Welt, im Januar 2022 betrug sie 260 %. Blockaden von Bauern und Demonstranten auf der Haupt­verbindungsstraße nach Ägypten ließen die Exporte im gleichen Monat um 85 % zu­rückgehen. Seit dem Putsch kam es immer wieder zu Engpässen bei der Versorgung mit Mehl, Speiseöl und Benzin. Die gerin­gen Währungsreserven erschweren die Ein­fuhr dieser Güter. Die Coup-Regierung hat an­gekündigt, Steuererhöhungen und ihre Exporte von Gold, dem wichtigsten Export­gut Sudans, für den Import dieser strate­gischen Güter zu nutzen. Doch ist unwahr­scheinlich, dass sie damit die internatio­nalen Hilfsgelder ersetzen können, deren Zahlung seit dem Putsch ausgesetzt ist. Nachhaltiges inklusives Wachstum würde ohnehin nur nach tiefgreifenden Reformen möglich sein, die das Versorgungssystem des Sicherheitssektors gefährden würden.

Der mit Abstand größte Haushaltsposten sind Ausgaben eben für den Sicherheits­sektor. Allein die von Internationalem Wäh­rungsfonds und Weltbank ursprünglich in Aussicht gestellten Summen belaufen sich auf rund drei Milliarden US-Dollar, zusätz­lich zu 700 Millionen US-Dollar für Entwick­lungshilfe, welche die USA zurückhalten. Die Regierung musste daher unter anderem das Sudan Family Support Programme strei­chen, das einer Mehrheit der Bevölkerung mittels (geringer) direkter Geldtransfers hel­fen sollte, den Schock der wirtschaftlichen Reformen besser zu verkraften. Seit Beginn des Übergangsprozesses 2019 ist die Zahl der Menschen, die humanitäre Hilfe benö­tigen, um sechs Millionen gewachsen. Bashir verlor die Kontrolle über seine Herrschaft, als er die eigenen Eliten nicht mehr koop­tieren und die Bevölkerung nicht länger mit teuren Subventionen ruhigstellen konnte.

Resilienz der Demokratiebewegung

Den Putschisten steht eine breite Demokratiebewegung gegenüber, die sich rekrutiert aus politischen Parteien, organisierter Zivil­gesellschaft, Berufsverbänden, Gewerkschaften, Bauern und Akademikern. Im Zen­trum stehen die lokalen Widerstandskomitees, in städtischen Bezirken organisierte Gruppen vor allem junger Menschen aus unterschiedlichen sozialen Milieus. Sie spielten schon während der Proteste gegen das Bashir-Regime 2018/19 eine wichtige Rolle. Seit dem Putsch vom Oktober 2021 führen sie einen Protestkalender für regel­mäßige Demonstrationen. Tausende gehen in vie­len Städten Sudans auf die Straße, auch wenn Khartum die größte Aufmerksamkeit erfährt.

Die Widerstandskomitees koordinieren sich zunehmend auf Ebene der Bundes­staaten Sudans. Ihr Motto ist ein dreifaches Nein: zur Partnerschaft mit dem Militär, zu Verhandlungen, zu Kompromissen. Der Einfluss der Widerstandskomitees zeigt sich nicht zuletzt darin, dass die in den Forces for Freedom and Change vertretenen politi­schen Parteien Teile ihrer Positionen über­nommen haben und ebenfalls eine rein zivile Regierung fordern, ohne Militärbeteiligung.

Die größte Stärke der Demokratiebewegung ist zugleich auch ihre markanteste Schwäche. Es mangelt ihr an einer einheit­lichen, konkreten Vorstellung von einem neuen Übergangsprozess. Einer der führen­den Köpfe der FFC, Khalid Omer Yousif (Sudanese Congress Party), ehemaliger Minister, warnte bereits vor einem erneu­ten Gerangel unter den politischen Parteien um die Verteilung von Posten. Solche inter­nen Differenzen blockierten auch die Ein­richtung des Übergangsparlaments vor dem Putsch. Es gibt auch keine einigende Füh­rungsfigur.

Gleichzeitig ist die Demokratiebewegung aufgrund ihrer horizontalen Organisation und der Vielfältigkeit der Stimmen weniger anfällig für Verhaftungen und gezielte Gewalt gegen einzelne Personen. Trotz aller inhaltlichen Unterschiede sowohl innerhalb des FFC als auch zwischen FFC-Mitglie­dern und Widerstandskomitees ist das zivile Lager vereint geblieben im Widerstand gegen die Militärregierung.

Als eine der größten Schwächen des Sicherheitssektors hat sich erwiesen, dass er nicht in der Lage war, zivile Partner für die Regierung zu gewinnen. Nach dem Putsch hatte Premierminister Abdalla Hamdok aus dem Hausarrest im eigenen Namen am 21. November 2021 gemeinsam mit Burhan eine neue politische Erklärung unterzeich­net. Diese brachte ihn vorübergehend zurück ins Amt, doch FFC und Demokratiebewegung lehnten sie rundweg ab. Hamdok trat am 2. Januar 2022 frustriert zurück, nachdem es ihm nicht gelungen war, das angestrebte Technokraten-Kabinett zu ernennen. Die Putschisten haben seitdem zwar hunderte von Beamten wieder in ihre Ämter eingesetzt, welche die Hamdok-Regierung wegen zu großer Nähe zum isla­mistischen Regime entfernt hatte. Doch die ehemals regierende National Congress Party bleibt verboten und zerschlagen. Keine zivile Partei von Bedeutung schlug sich bis­her auf die Seite der Putschisten.

Ausblick

Die drei genannten Faktoren können sich gegen­seitig verstärken. Während Ägypten, Bur­hans engster Partner, medizinische Hilfsgüter liefert, bemühte sich Hemedti in jüngster Zeit in den Vereinigten Arabischen Emiraten und Russland um wirtschaftliche Unterstützung und militärische Zusammen­arbeit. Ohne Strukturreformen können Hil­fen jedoch nur kurzfristig wirken. Voraussetzung für tiefer greifende Reformen ist die Rückkehr zu einem demokratischen Über­gang, der in Wahlen mündet. Damit es zu einer solchen Rückkehr kommt, müssen vier grund­legende Prozesse ineinandergreifen.

(1) Zuerst bedarf es einer möglichst brei­ten Einigung auf ein Verfahren, um eine neue Übergangsregierung herbeizuführen. UNITAMS startete zu diesem Zweck Anfang Januar 2022 Konsultationen. In der ersten Phase kam in 110 Treffen Missionspersonal mit über 800 Personen zusammen. Nach anfänglicher Skepsis gegenüber UNITAMS ließen sich mit der Zeit mehr und mehr Gruppen auf die Treffen ein. Weitgehend parallel dazu finden Gespräche zwischen, vor allem aber innerhalb der Widerstandskomitees, politischen Parteien, unter Wis­senschaftlern und anderen Vertretern der Zivilgesellschaft statt, die jeweils eigene Ent­würfe für eine politische Erklärung ver­öffentlichten. Doch nur ein einheitlicher Prozess wird breite Akzeptanz finden, auch bei den Generälen.

(2) Die Bildung einer neuen Übergangsregierung und die Abgabe der Regierungs­macht von Militärs und Sicherheitskräften würden sich im zweiten Schritt anschließen. Dann könnten auch internationale Geber ihre Unterstützung wieder aufnehmen. Zumindest die politischen Parteien und Widerstandskomitees müssten sich auf ein Übergangssystem, ein Personaltableau einschließlich Premierminister und eine Aufgabenverteilung während der Übergangs­phase einigen.

(3) Ein weiterer Faktor ist der Friedensprozess mit bewaffneten Gruppen. Das Juba-Friedensabkommen von 2020 ist bis­lang nur schleppend umgesetzt worden. Die Unterzeichnergruppen wurden durch das Ab­kommen politisch aufgewertet, bewaffnete Akteure bekamen mehr Gewicht in der Regierung als das zivile Lager, während die wichtigsten bewaffneten Gruppen des Landes außen vor blieben. Eine künftige Über­gangsregierung sollte die (Neu-)Ver­hand­lung von Friedensabkommen nicht wie in der Vergangenheit den Sicherheits­akteuren überlassen.

(4) Schließlich müsste eine neue Übergangsregierung die Bedingungen für freie und faire Wahlen schaffen. Zu diesen Bedingungen gehören ein Ende der Gewalt und der will­kürlichen Verhaftungen sowie eine (Übergangs-)Verfassung, ein Zensus und eine unabhängige Wahlbehörde. Inter­nationale Organisationen könnten tech­nische Hilfe leisten und Wahlbeobachtungsmissionen entsenden.

Schlussfolgerungen

Deutschland und seine Partner können die Sudanesinnen und Sudanesen dabei unter­stützen, einen neuen Übergangsprozess einzuleiten. Dazu sollten sie den unterein­ander abgestimmten diplomatischen Druck auf die Putschisten aufrechterhalten und gezielte Sanktionen für Störer der Vermittlungsbemühungen vorbereiten. UNITAMS kann zwischen den zivilen Gruppen ver­mitteln und ihnen dabei helfen, sich auf einen Prozess zur Bildung einer neuen Übergangsregierung zu verständigen, ver­mag das Militär aber nicht davon über­zeugen, abzutreten. Um dies zu erreichen, könnte sich Deutschland im Rahmen der Friends of Sudan einbringen, einer informellen Gruppe von Vertretern westlicher und regionaler Regierungen und internationaler Organisationen, die Deutschland mitgegrün­det hat. In diesem Rahmen könnte die Bun­desregierung ihre Kontakte zu den regio­nalen Partnern der sudanesischen Regierung nutzen, um die Militärs zu veranlas­sen, ihre Lage und die Option einer ver­handelten Abgabe von Macht neu zu bewer­ten. Dabei könnte eine hochrangige inter­nationale Vermittlung hilfreich sein, wenn sie ihre Vorstellungen – auch in­direkt – eng auf die zivilgesellschaftlichen Pläne für eine Neuausrichtung des Staates abstimmt.

Dr. Gerrit Kurtz ist Wissenschaftler in der Forschungsgruppe Afrika und Mittlerer Osten.

Friedensabkommen in Sudan: Der Ertrag von Juba

Dieser Beitrag erschien am 16. Oktober 2020 bei Zenith.

Das Abkommen von Juba soll dem Krieg in Darfur und anderen Regionen Sudans ein Ende setzen. Die Aussicht auf Frieden bleibt trotzdem unsicher – doch die Machtverhältnisse in Khartum werden neu gemischt.

Ein Friedensvertrag zwischen Rebellengruppen und einer Regierung setzt der organisierten politischen Gewalt ein Ende und verbessert so die Leben jener Menschen, die von dem Konflikt betroffen sind – soweit die Theorie. Diese Hoffnung äußerten auch die sudanesischen Konfliktparteien und internationalen Beobachter, als sie das Friedensabkommen von Juba am 3. Oktober 2020 unterschrieben. Die Stimmung war emotional. Während der Zeremonie in Südsudans Hauptstadt, dessen Regierung das Abkommen vermittelt hatte, verkündete Abdel Fattah Al-Burhan, der Vorsitzende des Souveränitätsrats, feierlich: »Sudan ist unser Land und wir sind alle Brüder.«

Worte der Aussöhnung sind schön, dürfen aber nicht von den Schwächen des Abkommens und von drohenden Unruhen ablenken. Immerhin: Verglichen mit früheren Abkommen ist das Vertrauen zwischen Regierung und Rebellen deutlich größer, nach der Revolution im letzten Jahr. Trotzdem wird das Juba-Abkommen allein nicht die allgegenwärtige Gewalt in Regionen wie Darfur oder Ost-Sudan beenden.

Denn: Die Unterzeichner repräsentieren nur einen Bruchteil der Bevölkerung, einige marginalisierte Gruppen waren nicht an den Verhandlungen beteiligt, die Ursachen der Spannungen wurden nicht ausreichend behandelt und die im Abkommen festgelegten Sicherheitsmaßnahmen könnten zu erneuten Gewaltausbrüchen führen. Dennoch ist das Abkommen wichtig, denn es verändert die Machtverhältnisse in Khartum und wird sich somit maßgeblich auf den politischen Übergangsprozess auswirken.

Hohe Ziele und neue Spannungen

Das Friedensabkommen beinhaltet mehrere Protokolle, die sich auf fünf geographische Schwerpunkte und verschiedene Mitgliedsgruppen der »Sudanesischen Revolutionsfront« (SRF) beziehen. Neben Vereinbarungen zum Osten, Norden und Zentrum Sudans betreffen die detailliertesten Vereinbarungen mit der Übergangsregierung in Khartum Darfur, Süd-Kordofan und den Blauen Nil – Gebiete, die in den letzten zwei Jahrzehnten unter verheerenden Kriegen litten.

Die Inhalte der Protokolle erinnern an frühere Vereinbarungen zu Macht- und Vermögensteilungen, jedoch beinhalten sie auch Verpflichtungen zur Übergangsjustiz (wie beispielsweise die Kooperation mit dem Internationalen Strafgerichtshof), Reparationszahlungen, Land- und Weiderechte sowie zur Rückkehr von Geflüchteten und Binnenvertriebenen.

Die Vereinbarungen umfassen somit mögliche Lösungen für einige der vielen Missstände in Sudan. Doch die mangelnde Einbeziehung lokaler Gruppen könnte erneut Ängste und Spannungen verursachen, etwa bei der Landverteilung. Solche Auswirkungen werden im Osten Sudans bereits sichtbar, wo Demonstranten Teile der Hafenstadt Port Sudan für mehrere Tage blockierten, um gegen die Bedingungen des Friedensabkommens in der Region zu protestieren.

In Darfur gehen die Kriegshandlungen weiter

Die zwei wichtigsten Rebellengruppen Sudans, die nach wie vor relevante Gebiete im Süden und Westen des Landes kontrollieren, haben das Abkommen nicht unterschrieben. Allerdings wächst nun der Druck auf diese Gruppen, sich an Friedensverhandlungen zu beteiligen.

Im Jebel Marra-Plateau in Zentral-Darfur bleibt die »Sudanesische Befreiungsarmee« unter Abdelwahid Al-Nur, kurz SLA-AW, der hartnäckigste Gegner der Friedensverhandlungen. Die Rebellengruppe befindet sich in einem Konflikt mit den sudanesischen Streitkräften, noch Ende September wurde gekämpft. In ihrem aktuellen Bericht identifizierte die gemeinsame Mission der Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union in Darfur (UNAMID) 48 Sicherheitsvorkommnisse und 115 Tote allein zwischen Juni und August.

Da sie kaum Zugriff auf das Mobilfunk- oder Satellitennetz haben, sind die von Rebellen kontrollierten Gebiete in Jebel Marra fast vollkommen vom Rest des Landes abgeschnitten. Abdelwahid Al-Nur hat immer wieder eine eigene Friedensinitiative und eine Rückkehr aus seinem Exil in Paris nach Sudan angekündigt. Genauere Einzelheiten zu diesem Vorhaben bleiben jedoch vorerst im Unklaren.

Die andere der beiden Gruppen, die Fraktion der »Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung – Nord« unter der Führung von Abdel-Aziz Al-Hilu, kurz SPLM-Nord (al-Hilu), kontrolliert Teile der Bundesstaaten Süd-Kordofan und Blauer Nil. Mögliche Spannungen ergeben sich unter anderem durch den Anspruch einer anderen Fraktion der SPLM-Nord unter der Führung von Malig Agar, die Gebiete in den Friedensverhandlungen zu vertreten, obwohl sie selbst praktisch keine Truppen dort unterhält.

Al-Hilu zweifelt an der Aufrichtigkeit der an der Übergangsregierung beteiligten Sicherheitskräfte, echten Wandel in Sudan einzuleiten. Dennoch unterzeichnete er am 3. September 2020 eine gesonderte Grundsatzerklärung mit Premierminister Abdalla Hamdok in Addis Abeba. Das Übereinkommen verlängert den Waffenstillstand in Süd-Kordofan und dem Blauen Nil und erlaubt der SPLM-Nord (al-Hilu) vorübergehend den Besitz ihrer Waffen.

Als wichtigster Erfolg gilt die in der Erklärung festgelegte Trennung von Religion und Staat. Diese Formulierung ist als Kompromissformel gedacht, um den umstrittenen Fokus auf einen säkularen Staat, den al-Hilu anstrebt, zu vermeiden. Am Tag vor der Unterzeichnung des Friedensabkommens trafen sich Hamdok und al-Hilu nochmals und beschlossen, die genaue Bedeutung dieses Kompromisses als Vorbereitung für offizielle Friedensverhandlungen weiter auszuhandeln.

Die Konfliktlage hat sich seit der Revolution gewandelt

Seit dem Sturz von Präsident Omar Al-Baschir im April 2019 ist die Anzahl der gewalttätigen Auseinandersetzungen in Darfur und Süd-Kordofan wieder deutlich gestiegen. Die bewaffneten Bewegungen, die das Juba-Friedensabkommen unterzeichneten, wie die SLA-Fraktion unter Führung von Minni Minawi, die »Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit« (JEM) unter Jibril Ibrahim oder die SPLM-Nord-Fraktion unter Malik Agar, sind jedoch nicht für diese Entwicklung verantwortlich.

Vielmehr treiben irreguläre Milizgruppen und paramilitärische Gruppen die Gewalt an. Sie sind ein Nebenprodukt der staatlichen Aufstandsbekämpfung, die jahrzehntelang auf die Bewaffnung von Hirten setzte. Obwohl die bewaffneten Milizen in Darfur oft als Kollektiv mit dem Sammelbegriff »Dschandschawid« beschrieben werden, agieren diese Einheiten oft autonom und teilweise auch gegen staatliche Sicherheitskräfte.

Eine Analyse des »Armed Conflict Location Event Data Projects« (ACLED) kam im August zu dem Schluss, dass das Konfliktumfeld in Sudan in den letzten Jahren vielschichtige Veränderungen durchlaufen hat. Zwischen 2014 und 2016 vertrieb die Baschir-Regierung einen Großteil der Rebellengruppen im Rahmen ihrer Aufstandsbekämpfung. Zeitgleich nahmen jedoch die Konflikte zwischen Bauern und Hirten zu und halten immer noch an.

Binnenflüchtlinge, die zu ihren Feldern zurückkehren, treffen auf bewaffnete Viehhüter auf ihrem Land. Verhandlungen zwischen diesen Gruppen zum Schutz von Feldern können gelingen, aber ohne funktionierende staatliche Mechanismen und effektive Sicherheitskräfte sind gewalttätige Auseinandersetzungen zu häufig das Ergebnis. Die Viehhirten fürchten den Verlust ihres privilegierten Status, den sie durch die neue Machtverteilung in Khartum in Gefahr sehen, und reagieren daher oft gewaltsam.

Zunehmend finden Auseinandersetzungen in dicht bevölkerten städtischen Regionen statt, da Flüchtlingscamps oft in der Nähe von Städten errichtet wurden. Angesichts scharfer ethnischer Identitätsunterschiede als Ergebnis von Baschirs Politik eskalieren kleinere Streitigkeiten leicht.

Wie die nun verabschiedeten Protokolle für Landnutzung und Weiderechte belegen, spielte diese Konfliktdynamik durchaus eine Rolle in den Verhandlungen in Juba. Dennoch könnten die für Darfur vorgesehenen Sicherheitsmaßnahmen den Boden für neue Gewalt bereiten. Die Unterzeichner vereinbarten die Gründung eines gemeinsamen Einsatzverbands mit 12.000 Soldaten, bestehend aus Truppen der staatlichen Sicherheitskräfte und Rebellengruppen.

In Darfur verfügen die Unterzeichner jedoch über keine eigenen Kämpfer. Berichten zufolge werben sie nun neue Mitglieder für den gemeinsamen Einsatzverband sowie den Abrüstungs-, Demobilisierungs- und Reintegrationsprozess an. Das ist nicht nur teuer, sondern verfehlt auch den Zweck des Abkommens. Die zusätzliche Rekrutierung fördert politische Patronage und die Militarisierung der Konfliktregion.

Ein weiteres Problem ist, dass die sudanesische Regierung die Umsetzung des Friedensabkommens nicht bezahlen kann, und auch keine internationale finanzielle Unterstützung in Aussicht hat. Im Unterschied zu früheren Abkommen vermittelte nicht das reiche Katar, sondern der arme Südsudan. Die sudanesische Regierung hat Darfur zwar jährlich 750 Millionen US-Dollar zugesagt, angesichts seiner Schwierigkeiten für andere Ausgaben wie Nahrungsmittelimporte oder Gehälter im öffentlichen Dienst aufzukommen, ist jedoch unklar, wo diese Summe herkommen soll. Ohne Friedensdividende und Entwicklungsfonds werden die Ursachen des Konflikts weiter schwelen.

Der Einzug der bewaffneten Gruppen stärkt Sicherheitsakteure in der Regierung

Es wird deutlich: Die Hauptwirkung des Juba-Friedensabkommens ist nicht, nachhaltigen Frieden in den von Konflikt zerrütteten Gebieten Sudans zu bringen. Vielmehr zielt es auf den Übergangsprozess in Khartum. Das Abkommen wird in die Verfassungserklärung integriert, die den Übergangsprozess im August 2019 einleitete.

Zudem wird der Übergangsprozess um ein Jahr verlängert und die Vertreter der SRF werden den Übergangsinstitutionen beitreten. Sie erhalten drei zusätzliche Sitze im bisher elf Mitglieder umfassenden Souveränitätsrat (Sudans kollektiver Präsidentschaft während des Übergangsprozesses), sowie 25 Prozent der Sitze im Übergangsparlament, sobald dieses eingerichtet wird.

Fünf Sitze stehen den Rebellengruppen in einem erweiterten Kabinett von insgesamt 25 Ministerposten zu. Zudem dürfen die Vertreterinnen und Vertreter der Unterzeichner des Friedensabkommens bei zukünftigen Wahlen antreten, anders als noch in der Verfassungserklärung vorgesehen.

Die Integration bewaffneter Gruppen in die Politik wird die Machtverhältnisse in Khartum maßgeblich verändern. Es ist anzunehmen, dass Vertreter der bewaffneten Gruppen mit den Sicherheitskräften zusammenarbeiten werden, die sie als die wahren Machthaber ansehen. Dies wird zulasten der zivilen » Kräfte der Freiheit und des Wandels« (FFC) gehen. Die FFC als Koalition politischer Parteien und zivilgesellschaftlicher Organisationen sind ohnehin geschwächt und verlieren immer mehr ihren Anschluss an die Widerstandskomitees, die die Revolutionsbewegung 2018/2019 anführten.

Auch das Verhältnis zwischen den FFC, dem zivilen Kabinett und den Sicherheitskräften ist angespannt. Angesichts breiter Demonstrationen wegen der anhaltenden Wirtschaftskrise und fehlender Fortschritte des Reformprozesses deutete Burhan bereits Ende August eine vollständige Machtübernahme durch das Militär an. Diese Befürchtung äußerte damals auch ein Kontakt vor Ort mir gegenüber.

Die bevorstehende Eröffnung des Übergangsparlaments, die bislang aufgrund der Friedensverhandlungen aufgeschoben worden war, ist ein positiver Schritt für Partizipation während des Übergangsprozesses. Idealerweise wird sie Transparenz, Rechenschaft und Inklusion stärken. Die FFC haben versprochen, Abgeordnete aus allen Teilen Sudans zu ernennen. Öffentliche Beratungen im Übergangsparlament könnten ein Gegenmodel bilden zu den Ad-hoc-Kommissionen, welche die FFC, der Souveränitätsrat und das Kabinett in den letzten Monaten gegründet haben.

Außerdem haben die bewaffneten Gruppen und die FFC sich dazu verpflichtet, mindestens 40 Prozent weibliche Abgeordnete zu ernennen. Dies wäre ein wichtiger Schritt weg von der männlicher Dominanz im Friedens- und Übergangsprozess. Insgesamt muss das Übergangsparlament ein Ort werden, an dem die Übergangsregierung wieder Anschluss an die Widerstandskomitees und die Zivilgesellschaft findet, bevor diese sich ganz von dem Übergangsprozess verabschieden.

Internationale Partner sollten ihre finanzielle Unterstützung umsichtig anpassen

Die internationalen Partners Sudans sollten ihre Unterstützung bei der Umsetzung des Friedensabkommens gewissenhaft ausrichten. Obwohl das Abkommen alles andere als perfekt ist, stellt es doch einen wichtigen Meilenstein in Sudans Übergangsprozess dar. Finanzielle Förderungen dürfen keine Anreize für Neuanwerbungen seitens der Rebellen schaffen und sollten sich stattdessen auf die Fortbildung der bewaffneten Gruppen in demokratischen Prozessen, lokale Friedenskonsolidierung und Versöhnungsmaßnahmen konzentrieren.

Zusätzlich sollten die internationalen Partner ihre Zusagen für humanitäre Hilfe erhöhen. Momentan sind nur 47 Prozent des humanitären Plans der Vereinten Nationen für Sudan für das Jahr 2020 gedeckt.

Obwohl der Einfluss der Friedensmission von AU und UN auf die Sicherheitslage begrenzt ist, bleibt sie zumindest in den nächsten Monaten ein wichtiger Akteur für den Schutz der Zivilbevölkerung, die Sicherung humanitären Zugangs und die Umsetzung des Friedensabkommens. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen sollte sein Mandat für UNAMID über den 31. Dezember 2020, dem momentan geplanten Missionsende, verlängern.

Den seit Jahren eingeleiteten UNAMID-Rückzug in dieser Situation zu vollenden würde die von Ungewissheit und Ängsten lokaler Gruppen geprägte Situation in Darfur noch verschärfen. Die sudanesische Regierung hat sich zwar zu dem Schutz der Zivilbevölkerung verpflichtet, schafft es derzeit jedoch nicht, dem ausreichend nachzukommen, wie die Vorfälle der letzten Monate zeigen. Die UN Integrated Transition Assistance Mission in Sudan (UNITAMS), welche die Umsetzung des Friedensabkommens unterstützen soll, befindet sich derzeit noch in der Planungsphase und wird erst allmählich seine Arbeit im Januar 2021 aufnehmen.

Die UN-Mitgliedstaaten sollten eine ausreichende Ausstattung der neuen Mission mit genügend Expertinnen und Experten in den laufenden Haushaltsverhandlungen in New York sicherstellen. UNITAMS sollte die sudanesische Regierung unterstützen, auch lokale Friedensinitiativen in den peripheren Gebieten des Landes im Westen, Süden und Osten voranzutreiben.

Zuletzt bietet der Abschluss der aufwändigen Friedensverhandlungen in Juba eine Chance für die sudanesische Regierung und ihre internationalen Partner, die letztes Jahr vereinbarten Regierungs- und Wirtschaftsreformen mit neuem Schwung zu verfolgen. Denn nur wenn der Übergangsprozess einen Weg hin zu mehr Stabilität und Legitimität zeichnen kann, wird Sudan nachhaltigen Frieden finden.

How the New UN Mission in Sudan can succeed

This text first appeared on the Global Observatory of the International Peace Institute on 25 August 2020. It was written by Philipp Jahn, Gerrit Kurtz, and Peter Schumann.

After complex negotiations, the United Nations Security Council established the UN Integrated Transition Assistance Mission in Sudan (UNITAMS) on June 3, 2020, asking Secretary-General Antonio Guterres to start planning the mission so that it can begin operations no later than the beginning of 2021. The special political mission (SPM) has four mandated tasks: supporting the democratic transition, the peace process, peacebuilding, and the mobilization of aid.

The polarized political landscape in Sudan has already affected the planning process. After the Sudanese government (as well as China and Russia) blocked the secretary-general’s initial suggestion for the mission head, and disagreements continued on the future role of the UN-African Union Mission in Darfur (UNAMID), the existing peace operation in Darfur, UNITAMS has found itself on thin ice before even starting to work.

A Fragile Transition Process

Sudan’s internal competition for power will be an essential challenge for UNITAMS. As with any UN peace operation, the mission will need to work closely with the incumbent government, but also engage with civil society organizations, security forces, and armed groups—including those opposed to the government. However, the power-sharing coalition is polarized, its constituent parts are fragmented, and its legitimacy is thin. The constitutional declaration, which the Transitional Military Council and the Forces for Freedom and Change (FFC) signed in August 2019, is the binding foundation for the transition process, and includes tasks such as a comprehensive peace agreement with Sudan’s armed groups and wide-ranging economic reforms.

In principle, UNITAMS should assist and support the transitional authorities in these tasks. But that is not straightforward. While a fragmented political landscape is nothing unusual for a mission setting, Sudan’s main political forces represent competing political systems, each with their external backing. They range from, first, members of the former Islamist regime, whose adherents have frequently launched protests against the transitional authorities and retain sympathies from Turkey and Qatar. Second, the Sudanese Armed Forces, the Rapid Support Forces, special police, and internal security services, represent a model of military authoritarianism as in Egypt, on which they count as their regional ally together with the United Arab Emirates and Saudi Arabia. Finally, the civilian cabinet led by Prime Minister Abdalla Hamdok, the Forces of Freedom and Change (FFC) alliance and other political parties are proponents of a democratic system, with support from the European Union, the AU, and Ethiopia.

Hamdok’s cabinet, UNITAMS’ main interlocutor, is increasingly squeezed between internal fragmentation of the parties nominally supporting it, revisionist protests from the Islamist camp, and domestic expectations to improve the dire economic situation. For example, Sadiq al-Mahdi from the National Umma Party, who led Sudan’s last democratic government in the late 1980s and had supported the civilian government before, reached out to the military and security forces to form a “patriotic alliance” against Hamdok. The planned inclusion of representatives of armed groups in the government’s transitional institutions as part of an impending peace agreement is likely to complicate this picture further.

The UN and Local Ownership

Implementing strong local ownership is a structural challenge for UN peace operations, especially for an integrated mission like UNITAMS, which is meant to carry out relevant functions of the UN Country Team. Peace operations, under the overall guidance of the UN Security Council and the UN secretary-general, have more leeway in implementing their mandate than UN agencies, funds, and programs, which rely on the host government’s consent for every project that they devise and implement. The close role of state authorities in planning and reviewing UN development and peacebuilding projects fosters their ownership though, whereas peace operations often remain tied to a top-down approach with national ownership at a much more abstract level, despite their efforts to consult communities and survey local perceptions. In the past, straying from the narrow line dictated by Sudan’s regime has often resulted in the expulsion of UN officials.

In Sudan, the UN cannot count on the government alone. Dominated by external advisors and (former) international officials, Prime Minister Hamdok’s government is hamstrung by the extremely low capacity of public administration. For example, the transitional government struggles to develop project proposals at the level of detail requested by donors and ensure efficient implementation of transition objectives. In early July, Hamdok appointed  a 15-member-committee to manage negotiations with UNITAMS. While the body is largely civilian (except one member representing military intelligence), it does not involve members of the FFC or other civil society organizations.

From countless examples of international interventionism, we know today that external actors cannot impose a framework on a society to resolve a conflict, if the fundamental causes of polarization and conflict remain. That was the experience of the Agreement on the Resolution of the Conflict in South Sudan (ARCSS) in 2015, which collapsed less than a year after the parties signed it under heavy regional and international pressure. UNAMID, for its part, came into being because of such international pressure, and was hampered to implement its mandate effectively by the intransigent government of President Omar al-Bashir, and ended up serving the political objectives of the past regime.

An Adaptive Approach

If UNITAMS is to avoid the fate of those peace efforts, it needs to adopt an adaptive approach. This peacebuilding approach recognizes that, as Cedric de Coning writes, “social systems are highly dynamic, non-linear and emergent.” It chimes well with Prime Minister Hamdok’s frequent insistence that Sudan’s transition process is “messy and non-linear.” An adaptive peacebuilding strategy takes a highly participatory approach, experiments with different options, and pays close attention to feedback from the local political environment, reviewing and adjusting its programming frequently in response to that feedback. Specifically, UNITAMS should heed four considerations.

First, in planning and implementing the mission, UN officials should account for the rapidly evolving situation and relatively short scheduled lifespan of the mission tracking the (now probably four-year) transition period. Instead of rigid budgets and work plans common in a UN peace operation, as much authority for recruitment, coordination, and project design should be delegated to the country-level as possible. Only with enough flexibility and Sudanese participation will the mission be able to respond to evolving dynamics and local needs. Specifically, the mission should institutionalize a regular advisory and monitoring mechanism, not just with the government’s committee, but with the FFC and civil society organizations as well. In doing so, the UN can build on its engagement with those groups since the start of the revolution in 2019. Knowledge management experts should ensure a smooth transition to the UN Country Team, while the mission should employ political and civil affairs officers with relevant regional and country expertise.

Second, UNITAMS should foster resilience, i.e., the ability to withstand and manage shocks to the transition process. There are likely going to be further delays and setbacks in the transition process, even a complete take-over by the security sector cannot be ruled out. UNITAMS has the mandate to support institution-building through providing technical expertise and advise for the constitutional process and independent commissions. As many actors are already present in this field, UNITAMS must avoid contributing to donor competition for attractive lighthouse projects. It should concentrate on strengthening the ability of the civilian authorities to exert control over the security sector and its economic activities, as the transitional government has planned. This will require the mission to put parliamentarians and political parties at the center of their stakeholder engagement. Only they can ensure functional civilian oversight of the security sector. The Sudanese private sector will be needed to restructure the assets of the security sector.

Third, UNITAMS should contribute to ensuring international coherence, in particular regarding the UN’s activities in Sudan and international financing of the transition. Extending basic services and supplies to the whole population is a key element of the transition’s success. More donor funds are expected to flow into Sudan in the wake of the Sudan Berlin Conference, where attendants pledged around 1.8 billion dollars (plus up to a further 400 million dollars in a pre-arrears clearance grant from the World Bank) on June 25, 2020. Ensuring a consistent follow-up process that will see further partnership conferences and coordination of pledges as well as operational activities in a way that considers the nexus between humanitarian and development activities in addition to peacebuilding will be crucial for UNITAMS.

As an integrated mission, some tasks that UNITAMS undertakes will continue after it is scheduled to leave Sudan with the completion of democratic elections, such as the reform of the civil service and public administration. As these developmental tasks will take many years, UNITAMS should leave the building of these vital state capacities to those organizations that are going to stay in Sudan for the long run, and concentrate on overall strategic coordination and ensure peace and stability of the transition process itself. Structurally, the existing donor coordination mechanisms supported by the UN Country Team can ensure Sudanese ownership more effectively than a peace operation. Given the remaining threats to civilians in Darfur and elsewhere, the Security Council may decide to extend UNAMID beyond December 2020. For UNITAMS, this would mean that it would have to revisit its mission plan and even raison d’être.

Finally, the mission should facilitate the flow of information and promote transparency regarding its own activities and those of development partners and government authorities. Sudan is swirling with rumors and speculation, including about the work of international actors. With offices around the country, logistical capacities, and the protection of a status-of-forces agreement, the mission should empower marginalized voices through dialogue processes, local conflict management, and reconciliation, and encourage communication between Sudan’s federal states and Khartoum.

UNITAMS can provide a platform for sharing information and can facilitate communication beyond its regular reporting to the UN Security Council, including public information efforts in Sudan. This includes managing expectations what a political mission can and cannot deliver, especially when it comes to protection of civilians and accountability. Establishing such processes could also help shine a light on the often-unclear support of Sudan’s non-traditional donors, including from the Gulf.

Becoming a Central Focal Point

The success of UNITAMS hinges on the ability and capacity of mission leadership and staff to provide substantive technical professional inputs to the transition process otherwise not available to Sudanese institutions, and to ensure strong Sudanese ownership of the mission. Adopting a flexible, adaptive approach will be difficult for a UN system full of inertia. Given the right policies, resources, leadership, and political backing, the mission still has the chance to become a focal point for the international support to Sudan’s transition.

Philipp Jahn heads the office of the Friedrich Ebert Foundation in Khartoum. Gerrit Kurtz is research fellow for crisis prevention and diplomacy in Africa at the German Council on Foreign Relations (DGAP) in Berlin. Peter Schumann is a former UN official, who served as Acting Deputy Joint Special Representative with UNAMID in 2017/18.

Peace First at the Horseshoe Table

Germany brings diplomatic weight to the UN Security Council, to which it was elected on 8th June. The German government should use this advantage to support mediation and peace processes as priorities of its two-year membership. It should focus on three central instruments in this regard: refining sanctions, accountability of troop contributing countries, as well as the organization of more flexible visiting missions by Security Council diplomats.

This text was first published on the PeaceLab Blog. It is also available in German.

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German Foreign Minister Heiko Maas at UN Headquarters after Germany’s election to the UN Security Council for 2019/2020, 8 June 2018 (c) UN Photo.

Every eight years, Germany joins the playing field of major powers at the United Nations. Newly elected members to the UN Security Council like Germany have to prove themselves vis-à-vis the five permanent members every time anew. In the midst of political quarrels about the use of chemical weapons in Syria and the daily management of peace operations, the attention on the core purpose of the Council, to maintain international peace and security, gets lost all too easily. Germany should thus strive to strengthen peace processes and mediation efforts through the Security Council.

Germany is an unusually resourceful non-permanent member

Non-permanent members of the Security Council only have limited influence. The veto power of China, France, Russia, the UK, and the USA is not the only reason for that. Those countries also possess continuous experience in the negotiations, issues, and countries that shape the Council’s agenda. In this game of major powers, smaller members might at most be able to build bridges, improve working methods, or make small substantial suggestions.

As fourth largest financial contributor to the UN’s regular budget and, despite deficits, an important actor on the diplomatic floor, Germany needs to aim higher. In a number of countries on the Security Council’s agenda, German diplomats already play a substantial role. In those cases, the German government should use its membership in the Council as an additional diplomatic forum, whose approaches and instruments have their own benefits. Together with its European partners Germany can, for example, promote the maintenance of the nuclear agreement with Iran, demand humanitarian access and accountability for war crimes in Syria, prepare a peace operation in Ukraine, support the negotiations with the Taliban in Afghanistan, and shape the reconstruction of liberated areas in Iraq. Germany already has a leading position in all these contexts due to its existing channels and contacts – this should be reflected in the Security Council.

Peace operations need to be guided by a political strategy

Reaching consensus among its members on the overarching political objectives that should guide its crisis management is probably the biggest challenge for the Security Council. The High-Level Independent Panel on Peace Operations (HIPPO) already demanded in its seminal 2015 report that peace operations should always follow a political strategy. Otherwise they run the risk of being driven by military considerations, and of falling prey to the diverging interests of the conflict parties. In fragile contexts such as Mali, the Democratic Republic of Congo or South Sudan, there are incessant threats to the civilian population that can justify international protection measures, as the former UN staff member Ralph Mamiya observes. Yet without a political process, there can be no structuring priorities that could guide the strategic deployment of scarce resources and a foreseeable withdrawal of international troops.

Naturally, there are manifest reasons for the lack of political strategies in the UN Security Council. For one thing, these are genuinely difficult questions without obvious and easy solutions. Moreover, the work of the Council relies on hard-fought compromises, which result in frequently vague or complicated language. Furthermore, in some situations, such as in South Sudan, there is no functioning peace agreement that could guide the actions of a peace operation.

Germany should encourage strategic thinking in the Security Council

Germany cannot remove these structural deficits in two years. Neither does it have the diplomatic capacities to work out a strategy for each situation on the Security Council’s agenda . The German government thus needs to set clear priorities. German diplomats can encourage the Security Council to think more strategically. The more interactive and informal the discussions before the proper negotiations are, the more fruitful the latter  are in many cases.

The German government could take its cue from Sweden, which, together with Peru, organized a retreat for all ambassadors in the Security Council this year. The Permanent Mission in New York can also organize events at the sidelines of official meetings and informal briefings in line with the Arria formula. This would bring the perspectives of civil society organizations of affected countries as well as experts on current mediation and negotiation processes to Manhattan. Lastly, Germany could organize a thematic debate on the contribution of the whole UN system to peace processes during one of its two monthly presidencies of the Security Council. This debate should address the limitations of the Security Council head on and tackle its cooperation with other UN entities such as special envoys, special rapporteurs, and the UN Development Program.

Using clear listing criteria for targeted sanctions

The improvement of the Council’s working atmosphere and quality of discussion aside, Germany should focus its “peace first” attention on three core instruments of the Security Council: refining targeted sanctions, the accountability of troop contributing countries, as well as the organization of more flexible visiting missions by Security Council diplomats.

The Security Council maintains 14 sanctions regimes, some of which explicitly aim to support peace and transition processes, for example in South Sudan, Mali, or Libya. Theoretically, such sanctions should not primarily punish individuals, but incentivize them to participate in peace processes in a constructive manner through travel bans and asset freezes. In reality, the restraints of those sanctions are often too slow and too backwards-oriented to actually influence mediation efforts substantially. Germany has contributed to the reform of UN sanctions since the late 1990s. As a member of the sanctions committees (and chair of some of them), it should promote the implementation of clear listing and delisting criteria in every single case.

Vetting troop contributing countries

Hardly anything is as damaging to the reputation of UN peace operations as incidents of sexual exploitation and abuse (SEA), as well as a lack of readiness to act decisively to protect civilians  at risk in their vicinity. Secretary-General António Guterres has already introduced important reforms in this area. Yet, German Ambassador Christoph Heusgen, when asked about his plans to tackle the issue in the Security Council at a recent event in New York , could only think of the inclusion of more women in troop contingents. However, a more stringent and systematic vetting of all troop contingents regarding their previous human rights records in domestic settings, would be more important in this context. The deployment of 49 non-vetted Sri Lankan soldiers in Lebanon this year demonstrated that the current UN procedures are not sufficient.

Using its increased credibility as troop contributor in Mali, Germany should promote stronger accountability of all troop contributing countries. Based on an existing Security Council resolution, the UN secretary-general should ban states that do not sufficiently investigate allegations of sexual exploitations and abuse against their soldiers from future missions until they improve their procedures. Similarly, performance assessments of troop contingents, such as the ones requested by the Security Council for the UN Mission in South Sudan after a special review, should also be conducted for  all other missions.

Make visiting missions more flexible and geared towards crisis management

German diplomats like to point out that they would prioritize conflict prevention in the Security Council. Rarely do they go into the details of the Council’s added value in political crises – and where it might be counterproductive. One important instrument for early crisis management are visiting missions of Security Council diplomats. Under the leadership of up to three members, representatives of all 15 member states fly to a region to talk to the relevant actors on the ground.

Germany should prepare and lead such a mission if the opportunity presents itself. Potential destinations could be Sudan or South Sudan, where Germany has supported dialogue and mediation processes. At the same time, Germany should strive for more flexible mission formats, which could deploy a small delegation of the Security Council and key UN officials more quickly.

Stand up for peace and prevention

A stronger focus on the promotion of peace and transition processes in the Security Council will meet resistance. China, Russia, and a number of member states from the Global South are quick to refer to state sovereignty in the context of international mediation efforts in authoritarian states. The Trump administration in the United States undermines diplomatic processes on Iran and Syria and moves to cut the budget of UN peace operations even in places where violence and conflict are on the rise as in the Democratic Republic of Congo. As former colonial powers, the UK and France hold back on Cameroon, while the conflict about the Anglophone areas is escalating.

With its ambition to promote peace and conflict prevention, Germany must not shy away from conflicts in the Security Council. At the same time, it should rely on stable partnerships and frequent exchange with its European partners as well as countries like South Africa. The latter will also be a member of the Security Council from 2019 and started pursueing more multilateral solutions under President Cyril Ramophosa.

At the end of its membership in the Council, the German government should order an independent evaluation of its diplomacy around the horseshoe table. The objective: learning lessons for its next candidacy to join the playing field of major powers.

Protecting civilians as a common endeavour: DGVN expert workshop in Braunschweig

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(c) MONUSCO/ UN Photo

I wrote this piece as a summary of our expert workshop and network meeting on “Protection of individuals from harm as a system-wide challenge for the United Nations” that took place in Braunschweig in July 2016. It first appeared on the Junge UN-Forschung Blog.

Securing access to besieged areas of Aleppo, increasing patrols around UN House in Juba, or ending refugee maltreatment in Australian detention centres in Nauru: the protection of civilians from immediate harm is one of the core tasks of the United Nations system. There are few issues for which UN actors are so frequently in the news. Senior UN officials routinely criticize state authorities and non-state actors responsible for violence against civilians. Too often, the UN are in the spotlight themselves because they failed to live up to the expectations and responsibilities related to the protection of civilians, for example at the protection of civilians site in Malakal, South Sudan in February this year.

Research on how to better protect civilians from harm is essential in order to enable the UN to fulfil their charter-based mandate: creating a safer, fairer and more prosperous world for all. In this vein, we organized an expert workshop and network meeting on the common theme „Protecting civilians as system-wide challenge for the United Nations“, which took place from 15 to 17 July at the Technische Universitaet Braunschweig, Germany. It brought together around 20 junior scholars from Germany, Europe, the United States, and Brazil in order to facilitate academic exchange and build a network of scholars around the topic. The workshop was designed to take into account perspectives from three major policy fields: humanitarian action, peacekeeping, and human rights. It took place in the context of the German Association of the United Nations and its working group on young UN research.

At a public panel discussion, a dedicated break-out session and the presentation of our own preliminary research, we discussed the distinction between the three policy fields of humanitarian action, peacekeeping, and human rights, as well as open questions and debates within those fields. As the workshop itself took place under Chatham House rules, we only quote from the public panel discussion, and provide a general sense of the discussion during the rest of the event.

Discussing the results of the breakout session
Discussing the results of the breakout session

Humanitarian action, peacekeeping, and human rights perspectives

The official definition of protection approved by the Inter-Agency Standing Committee (IASC) for humanitarian action is much too broad for practical purposes. A tiered, increasingly ambitious understanding of protection is more helpful in that regard: ensuring access to humanitarian aid is the most basic definition of humanitarian protection, followed by ensuring access to protection services. More contentious are the roles humanitarian agencies can play in putting a stop to on-going rights violations, or even in furthering international criminal justice through witness statements and the collection of evidence. For Médecins Sans Frontières, protection frequently equates to really taking the principle of doing no harm seriously, said the director of the agency’s German chapter, Florian Westphal, at the panel discussion. Providing aid to displaced persons must not help armed groups locate them. The public and private advocacy that humanitarian organisations like MSF engage in always needs to make sure that people are actually better protected, even when the agencies want to ensure that they are not being seen as complicit with violations because of their (public) silence, Westphal argued.

UN peacekeeping is a highly political undertaking, even if senior UN officials and member states don’t always recognize it as such, claimed Peter Schumann, former chief of staff of the UN Mission in Sudan and long-term UNDP staff member. As the UN peace operation in South Sudan showed, too often member states create over-ambitious mandates without sufficient resources and political backing to meet the high expectations that the mission will actually protect the population from immediate threats of violence. UN peacekeeping operates largely according to a short-term logic: creating physical security for civilians, responding to their immediate needs. This may sit uncomfortably with the long-term requirement to develop a political strategy, for which the military can create space and which helps the warring parties move to a peaceful way to settle their disputes. Moreover, rhetorical commitments to the effective protection of civilians and national policies of member states in the Security Council as well as of individual troop contributing countries may differ significantly. Germany’s recent evacuation of its police personnel that was supposed to protect women and children as part of the UN Mission in South Sudan was one example mentioned at the workshop.

Human rights agencies have the most long-term perspective of the three policy fields. The Office of the High Commissioner of Human Rights (OHCHR), for example stresses not only that states have a primary responsibility to protect their populations from harm (as do humanitarian and peacekeeping actors). The methods OHCHR lists in its most recent management plan aim to enable rights-holders exercise their rights and to build the capacities of duty-bearers to guarantee fundamental human rights. Someone is always bound by human rights, and someone else is always entitled, as the break out group on human rights protection put it. However, some actors put themselves deliberately outside the international legal system, such as the so-called Islamic State or North Korea. Protecting those who defend human rights on the ground is an important, concrete task for international actors such as peace brigades international, said Christiane Schultz, who founded the organisation’s German section. The Committee on enforced disappearances can issue urgent measures, for example, and conduct country visits to raise individual cases and instigate structural change.

Over the three-day workshop, it became clear that protecting populations from harm is a hugely ambitious and complex undertaking. In all policy fields, there are gaps between rhetorical commitments and implementing promises on the ground. There can be differences between individual mandate-holders, national peacekeeping contingents, missions, institutions, and policy fields.

The main impediment to better protection are not the differences about the meaning, methods and objectives of protection per se – they are the natural and inevitable consequence of varying mandates and contexts. Rather, it is the lack of mutual understanding that leads to gaps in the protection architecture. It also misses out on opportunities to jointly tackle common challenges and recognise each other’s complementarity, in full recognition of their distinct mandates. Thus, there is much to learn from each other. Academic and policy exchange on the theme of protecting civilians from harm needs to intensify (for example here).

Protecting Civilians Through UN Peace Operations

Co-authored with Philipp Rotmann at GPPi. It appeared in German in Aus Politik und Zeitgeschichte on 7 March. This is the English translation.

Joint operation against ADF in Beni

Under the flag of the United Nations, more than 125,000 civilian experts, police officers and soldiers are currently deployed in 16 missions worldwide to give peacebuilding efforts a better chance of success. In most cases, these efforts take years. Even as politicians and military leaders negotiate, fighting and assaults against civilians continue. Given this context, the UN Security Council as well as the people of the Democratic Republic of the Congo, South Sudan and the Central African Republic expect UN peacekeeping operations to do their best to reduce the suffering of civilians and to protect as many of them as possible. According to the mandates of the Security Council, these are in fact the most important objectives of the vast majority of UN peacekeeping missions. Prioritizing civilian protection until it sits at the core of peacekeeping operations is a painful learning process that remains far from complete.

Difficult Learning Process

Since the early 1990s, the tasks of UN peacekeeping missions have significantly expanded alongside the increasing international awareness of intrastate conflicts. These missions formerly comprised just hundreds of UN military observers wearing their iconic blue helmets – a familiar sight during the Cold War. Now they are complex, sprawling organizations with thousands of political experts, police officers and soldiers who cover a wide range of tasks: political analysis, institution building, the monitoring of ceasefires, the protection of human rights and the use of military force to protect civilians.

The double failure of the UN and national governments to adequately respond to the 1994 genocide in Rwanda and the 1995 genocide in Srebrenica plunged the peacekeeping system into a crisis of credibility. The UN overcame this crisis only at the end of the decade by, among other strategies, committing itself to the improvement of civilian protection in armed conflicts. From the outset, this constituted a balancing act between inactivity and excessive demands. Blue helmets are not supposed to be a global SWAT team that uses superior force to suppress violence against civilians; this is neither feasible nor politically desirable. At the same time, however, peacekeepers learned from the UN failures of the 1990s that they must not simply stand by as massacres that they could have prevented, even by military force, unfold before their eyes. In 1999 the UN Security Council authorized, for the first time, peacekeeping forces in Sierra Leone “to afford protection to civilians under imminent threat of physical violence” within their “capabilities and areas of deployment.”

The following year, an expert commission led by Algerian diplomat Lakhdar Brahimi urged UN missions to hold fast to the goal of protecting civilians, despite the failures of past attempts. In fact, missions must be equipped adequately and the rules of engagement adapted accordingly to “allow ripostes sufficient to silence a source of deadly fire that is directed at United Nations troops or at the people they are charged to protect.”

The peacekeeping missions in Sierra Leone, the Democratic Republic of the Congo and Sudan in the 2000s barely lived up to the demands of the Brahimi report. While the Security Council and member states set high normative standards for themselves (including “the responsibility to protect”), the actual means deployed and the risk tolerance of troop-contributing countries fell substantially short of these self-imposed expectations. As a result of deficiencies in planning and management, commanders on the ground often lacked clear guidance about when the use of military force for protection purposes was justified. In the absence of guidance, most commanders ended up hiding behind maximum caution. For instance, the former UN mission commander in the Democratic Republic of the Congo, Indian general Bipin Rawat, stated in 2008, “We have very strict rules against collateral damage. If I kill one civilian, there is no one to hold my hand.”

Instead of dealing with these critical but politically sensitive issues, the UN secretariat’s further conceptual specification in subsequent years has confined itself to emphasizing a mission’s diverse civilian resources dedicated to civilian protection. According to this work, a mission’s responsibilities involve not only military patrols and the use of force against “imminent threats,” but also the demobilization and reintegration of ex-combatants, the training of capable security forces, demining and destruction of weapon stockpiles, the protection of children and the prevention of sexual violence. But the main questions concerning the benefits and limitations of military force remain unanswered.

Protection by Military Force

Peacekeeping missions like those in the Democratic Republic of the Congo or in Sudan’s Darfur region are deployed amidst armed groups that operate in shifting alliances and terrorize the civilian population, frequently with support from government forces or neighboring states. In this context, the effective protection of civilians in conflict areas is often impossible without the use of force. Nevertheless, military force has achieved only limited success thus far.

The controversy over the use of force touches upon traditional, core principles of UN peacekeeping that remain valid to this day: consent of the parties, impartiality and non-use of force except in self-defense or in defense of the mandate. The military fight against any “party” (regardless of its diplomatic classification as a conflict party or not) limits a mission’s impartiality and may harm its freedom of action and movement in the contexts of political mediation, human rights monitoring and institution building. Meanwhile, the local population is often ambivalent: while most victims of armed conflicts appreciate the fight against violent rebel groups, others hold the UN responsible for civilian fatalities that are incurred as a result of UN military operations.

The balance ultimately struck by a peacekeeping mission depends critically on the contingent commanders, the senior mission leaders and the rules of engagement of troop-contributing governments. For example, the UN mission in the Democratic Republic of the Congo (MONUSCO) conducted offensive operations as early as 2005. The mission, armed with combat helicopters, destroyed weapon caches and supported the Congolese forces in their fight against rebel groups. Such operations often lead, at the very least, to a short-term decline in attacks on civilians.

Despite those operations, incidents in which peacekeeping troops have failed to intervene in nearby massacres have cropped up time and again. In November 2008 approximately 150 people died in Kiwanja, most of them by the hands of the Congrès national pour la défense du peuple (CNDP) rebels, one of the largest armed groups in the Congo at the time. A UN base with 120 soldiers was less than one kilometer away from the scene of the massacre. But they did not intervene because they had only a few armored vehicles and were concentrating their capacities on the protection of humanitarian aid workers and internally displaced persons who had fled to the UN base.

In 2012 MONUSCO was strongly criticized yet again, having failed to prevent a rebel invasion of Goma, a provincial capital in the Democratic Republic of Congo, by the armed group M23. Six months later, the Security Council took action, not least to avoid a unilateral military intervention by the Southern African Development Community. South Africa, Tanzania and Malawi contributed 3,000 men to the establishment of a Force Intervention Brigade (FIB), equipped with artillery, combat helicopters and surveillance drones. The Security Council explicitly authorized the brigade to “neutralize” armed groups that threaten civilians. Under the leadership of Martin Kobler and Carlos Alberto dos Santos Cruz – the German head of mission and the Brazilian commander of MONUSCO, respectively – the brigade successfully evicted M23 from the mountains of Goma.

The FIB has since been regarded as a new model of offensive peacekeeping. But the Congolese case also reveals the risks and challenges of this approach. As the FIB only takes action in conjunction with official Congolese government forces, the UN mission has de facto given up its principle of impartiality by supporting the Congolese government in its fight against other conflict parties. Congolese forces, moreover, have also been responsible for serious violations of human rights, despite long-lasting international training and support. As a result, the UN mission introduced a policy on “human rights due diligence.” Subsequently, all other UN peacekeeping missions adopted the policy as well.

Another concern raised by the FIB is that large military offensives with artillery and combat helicopters, as used by the brigade in its 2013 fight against M23, may be effective only if rebel groups engage in conventional warfare. The M23, a group of Congolese soldiers who had deserted from the Congolese armed forces, was one such case. However, many other rebel groups in the Congo and other areas of UN peacekeeping missions operate underground, carry out single attacks on military units and local populations, and then withdraw once more.

Despite the UN’s recent willingness to authorize robust missions that carry out offensive operations against armed groups, a UN investigation in 2014 showed that military force is rarely used to protect civilians even in cases of severe threats. The reasons are many: troop-contributing countries differ in their views of what constitutes being “under imminent threat of physical violence”; troop-contributing governments want to minimize risks for their soldiers; and, for reasons of impartiality, mission leaders are often reluctant to prevent atrocious human rights violations by taking action against not only rebels, but also national armed forces, even if the mission’s mandate would allow them to do so.

Political Analysis, Conflict Management and Human Rights Work

The dispute over the role of military force should not obscure the fact that civilian instruments such as early warning, civilian conflict management and human rights work are also crucial factors in the effective protection of civilians. Neither preventive, deescalating political interventions nor military operations can be effective if missions lack necessary information on local conflict dynamics. Where are armed groups primarily active? Who supports them, and for what reasons? How do they obtain weapons and other supplies? Countries like the Democratic Republic of the Congo, South Sudan and Mali are huge and have only very limited infrastructure, making it impossible even for large missions to protect all threatened communities effectively. Moreover, the military units of peacekeeping missions often lack the knowledge of regional languages and geography needed to properly communicate with the local population.

MONUSCO was a pioneering mission in this regard. The mission boasts more than 200 Community Liaison Assistants (CLAs), Congolese citizens who are posted with military units or in nearby villages. By maintaining constant communication with the local population through telephone calls or personal visits, they receive crucial information on current risks and conflict dynamics. MONUSCO was also the first peacekeeping mission to deploy drones for tactical reconnaissance in remote areas.

UN missions can use the information obtained to support local efforts in civilian conflict management. They can organize roundtable events with members of local communities, offer logistical support to convene key figures in dialogues and organize workshops with local elites to familiarize them with conflict management methods.

Furthermore, all larger and multi-dimensional peacekeeping operations have their own human rights divisions. They monitor and report on human rights violations, help victims understand their rights and urge the appropriate authorities to punish violations and implement legal reforms. However, the UN’s efforts to ensure fair trials for criminals and murderers in accordance with the rule of law sometimes encounter local resistance. For example, Cuibet in South Sudan lacks judges of sufficient qualifications who can deal with capital crimes. As a result, trials are sometimes delayed for months, increasing tensions in the local community. “Justice delayed may cause acts of revenge,” a representative of a women’s association warned at a roundtable event on the implementation of a peace agreement in June 2015. “The relatives of a murder victim may take the law in their own hands.”

Protection From the Protectors

The credibility of UN missions has suffered not only from doing too little in response to violence. Too often, blue helmets are the ones sexually exploiting or abusing civilians. For more than 10 years, the fight against sexual exploitation and abuse has been a core element of reform efforts by two UN secretary-generals.

Much progress remains to be made. The core problems persist: troop-contributing countries retain disciplinary responsibility for their military units flying the UN flag; troops enjoy immunity in their host country; and troop-contributing countries rarely initiate investigations. Even when perpetrators are convicted, victims are not informed of the outcome. Many troop-contributing countries, according to an independent study, are “reluctant to admit the misconduct of their peacekeepers, especially where such misconduct can be traced back to inadequate training, and would rather sweep allegations under the rug.” Reported allegations of sexual exploitation and abuse have declined since 2007 while the number of UN troops increased, but plateaued at a constant level of about 60 accused per year since 2012. These numbers should be viewed with caution, for many victims do not dare to report such incidents and certainly would not approach the UN mission.

The allegations of sexual abuse that emerged in April 2015 demonstrated that the need for essential changes within the UN secretariat persisted even after Kofi Annan’s reforms of 10 years prior. French soldiers of the UN-mandated Operation Sangaris, which is not a blue helmet mission under orders of the secretary-general, allegedly lured children in the Central African Republic into sexual acts in exchange for food. The reaction of the UN mission and secretariat was highly problematic, as confirmed by an independent investigation set up by Secretary-General Ban Ki-Moon. Information about the allegations was “passed from desk to desk, inbox to inbox, across multiple UN offices, with no one willing to take responsibility to address the serious human rights violations.” The UN officials who dealt with the allegations were primarily concerned with technical and procedural questions. In the meantime, French authorities initiated investigations, but they have yet to make any convictions. While Ban took the unprecedented step of dismissing the head of the UN mission in the Central African Republic, the highly symbolic move did not put a stop to the problem. Since then, more and more similar accusations against soldiers of the UN mission in the same country became public.

Comprehensive Political Strategies

Alan Doss, head of MONUSCO from 2007 to 2010, claims that “the use of force must be anchored in a political strategy to end armed violence.” Too often, UN missions fight only the symptoms of violence, not their root causes. In its 2015 report, the High-Level Independent Panel on UN Peace Operations also emphasized the importance of political action. But what may seem like an intuitive recommendation faces serious resistance in practice: “It’s far easier for the Security Council to send peacekeepers to a trouble spot than to agree to apply pressure on political leaders whom some members of the council invariably view as allies,” argues James Traub, a long-time UN expert.

To protect civilians from massacres and persecution in war and conflict regions, all actors involved must come together – that is, the political leadership of missions on the ground, the UN Security Council and its permanent members (United States, France, Great Britain, Russia, China), the UN Department of Peacekeeping Operations in New York, the UN secretary-general, various UN agencies, funds and programs, and the relevant member states, whose bilateral relations with conflict parties are particularly important.

The US is a telling example in this regard. As long as it came to Rwanda’s defense, despite its support for rebel groups in Eastern Congo, it impeded MONUSCO’s activities. Therefore, an important signal was sent to the FIB’s offensive when the US eventually froze its military aid to Rwanda in response to Rwanda’s support for M23.

The UN system has increased its efforts to incorporate the issue of human rights protection into its operating procedures. The “Human Rights up Front” initiative established by Secretary-General Ban Ki-Moon in 2013 has contributed to a gradual change in the organizational culture, which has so far been marked by bureaucratic silos and turf wars between its humanitarian, security and development arms. The UN has begun to attach greater importance to coordination in the areas of early warning and crisis response, and it frequently convenes relevant UN actors on the ground and in its New York headquarters to better understand the different risks and benefits perceived by their colleagues. But there is still a long way to go before a consistent policy on the protection of civilians is established at all levels of the UN.

Notwithstanding these reform efforts, the experiences of UN peacekeeping missions to protect civilians underscore the need for transparent management of expectations, clear communication with all stakeholders and an appropriate degree of humility about what the international community can do. Even in the most fragile states, large peacekeeping missions are no panacea. The presence of thousands of soldiers and well-paid civilian employees from different cultures is bound to disturb the local economy; in the worst case, it may even lead to further crimes committed against the local population. Host country institutions remain the most important actors in the prevention of violence against civilians. They cannot be released from this fundamental responsibility, no matter how well equipped or politically backed a peacekeeping mission might be.

 

Fragiler Schutz

Bei der UN-Friedensmission im Südsudan

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Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem Blog Junge UN-Forschung.

Gedrungene, dunkelgrüne Bäume sprenkeln die weite Ebene unter uns, die sich kaum zu einer Ansammlung verdichten, welche die Bezeichnung Wald verdiente. Nur selten tauchen strohbedeckte Hüttenrunden in dem Muster auf, begleitet von weißen Punkten: Kühe sind das Ein und Alles hier: Lebensunterhalt, Statussymbol, Konfliktanlass.

Ich bin im Südsudan, dem jüngsten Staat der Erde. Den weißen Nil immer im Blick befinden wir uns im Anflug auf Bor, die Landeshauptstadt von Jonglei, dem bevölkerungsreichsten Bundesstaat des Landes. Im weißen UN-Helikopter sitzen sich Offiziere und Zivilisten aus Indien, Australien, der Schweiz und anderen Ländern gegenüber. Meine beiden Kollegen und ich wollen in den kommenden Tagen herausfinden, wie die UN Mission im Südsudan (kurz UNMISS) zur Bearbeitung lokaler Konflikte beiträgt. Dafür besuchen wir zivile Teams an drei Standorten; Bor ist unser erster Stopp.

Sanft setzt der Hubschrauber auf dem planierten, nicht geteerten Rollfeld auf. Kaum ausgestiegen begrüßt uns Erik, ein gut gelaunter Endfünfziger aus Schweden, der uns in den kommenden Tagen auf vielen Treffen begleiten wird. Die Vereinten Nationen haben ihr Camp direkt gegenüber vom Flughafen errichtet. In immer-gleichen weißen Containern arbeiten und schlafen die Mitarbeiter der Mission. Um die Büros und Wohneinheiten herum haben die militärischen Kontingente ihre Lager aufgeschlagen. Neben Offizieren und kleineren Einheiten aus vielen verschiedenen Ländern sind das vor allem vier Länder: ein indisches und ein äthiopisches Bataillon, eine koreanische Ingenieurseinheit und ein sri lankisches Militärkrankenhaus. Insgesamt sind im dem Land, das ungefähr so groß wie Frankreich ist, über 11.200 Soldaten für die Vereinten Nationen stationiert, dazu etwa 2.300 zivile Mitarbeiter und 1.100 Polizeikräfte.

Seit der Unabhängigkeit im Juli 2011 hatte der Südsudan kaum Zeit, zur Ruhe zu kommen. Insbesondere in Jonglei fanden wiederholt Kämpfe zwischen bewaffneten Gruppen und Regierungseinheiten statt. Bewegungen von Militäreinheiten sind dabei weitgehend auf die vielleicht viermonatige Trockenzeit begrenzt. Wenn es anfängt, dauerhaft zu regnen in dieser sumpfigen, flachen Gegend, werden weite Gebiete überschwemmt. Der Boden wird derart zäh, dass kein landgetriebenes Fahrzeug durchkommen kann. Selbst mit Gummistiefeln bleibe man häufig stecken: im Grunde könne man in solchen Situationen nur barfuß laufen, hatte uns ein ehemaliger UN-Mitarbeiter in Berlin erzählt.

Das gesamte Land stürzte in eine tiefe Krise, als am 15. Dezember 2013 ein Machtkampf zwischen dem Präsidenten Salva Kiir und seinem langjährigen Weggefährten und ehemaligen Vizepräsidenten Riek Machar außer Kontrolle geriet. Binnen kürzester Zeit nahm der politische Streit eine ethnische Dimension an, da Kiir und Machar unterschiedlichen Volksgruppen angehören und diese innerhalb der Regierungsarmee mobilisierten. Im Zuge dessen töteten Einheiten, welche der Gruppe des Präsidenten angehören (Dinka), Zivilisten der Nuer in Juba, welche sie der Sympathie mit dem als Putschisten geschassten Machar beschuldigten. Innerhalb weniger Tage weitete sich der Konflikt auf andere Teile des Landes aus; Gegenden, in denen viele Nuer leben, wurden zur Basis der bewaffneten Opposition unter Machar. Auch in Bor fanden heftige Kämpfe statt. Die Stadt wechselte die Kontrolle zwischen Regierung und Opposition viermal innerhalb weniger Wochen.

In den umkämpften Gebieten fürchteten viele Menschen um ihr Leben. Ihre eigene Regierung wandte sich gegen sie. Wo würden sie noch sicher sein? Die blaue Fahne der Vereinten Nationen versprach Rettung. Zu tausenden strömten Menschen im Dezember 2013 zu den Lagern der UN-Mission. Vor die Wahl gestellt, verantwortlich für die Versorgung von tausenden von Menschen zu sein oder zuzusehen, wie diese vor ihren Augen abgeschlachtet würden, ordnete die damalige Leiterin von UNMISS, die Norwegerin Hilde Johnson, an, die Tore zu öffnen. Auch das Lager in Bor öffnete seine Tore. „Am ersten Tag kamen 2.000, am zweiten waren es bereits 16.000 Menschen auf unserem Gelände“, erzählt uns ein UN-Mitarbeiter an unserem ersten Abend. „Wir waren nicht dafür ausgerüstet. Wir hatten kein Essen, keine Unterkünfte für diese Menschen.“ Wegen der Kämpfe wurden gleichzeitig viele Mitarbeiter von Hilfsorganisationen evakuiert: „Wir waren auf uns selbst gestellt in den ersten Tagen“, sagt er.

Anderthalb Jahre später sind viele Flüchtlinge immer noch da. Mittlerweile versorgen die Vereinten Nationen etwa 130.000 Menschen auf dem Gelände ihrer Stützpunkte im Südsudan (in Bor sind es noch etwa 2.400). Nie zuvor in ihrer Geschichte hat die Organisation so viele Personen über so einen langen Zeitraum direkt geschützt.

Straße zwischen Bor Town und den UNMISS Lager. Hier kam der gewaltsame Mob am 17. April 2014 entlang.

Am nächsten Morgen fahren wir mit Erik die breite Straße runter in die Stadt. Kühe säumen den Weg, Büros von internationalen Hilfsorganisationen und verlassene Villen lokaler Größen. Die meisten Einwohner von Bor wohnen in traditionellen Lehmhütten, die über ein weites Gebiet um die Hauptstraßen verteilt sind. Im Zentrum brummen Marktstände mit Leben, deren Auswahl allerdings auf wenige Güter wie Reis, Bohnen, Mehl, Tomaten, Zwiebeln, Okraschoten und weitere weitgehend importierte Güter beschränkt ist. Dazu kommt die hohe Inflation – ein kleines Bündel Zwiebel kostet schon mal 25 südsudanesische Pfund, über zwei Euro.

Wir treffen einen Minister der Landesregierung, der zum Einstieg betont, es gäbe keine Konflikte mehr in Jonglei, nur noch ab und an kriminelle Aktivitäten. Ja, die Rebellen kontrollieren einen erheblichen Teil im Norden von Jonglei, aber im Grunde ginge es dabei nur um politische Macht in der Zentralregierung in Juba. „Wir wollen Botschaften des Friedens im gesamten Land verbreiten“, sagt er. Wie ernst er es damit meint, bleibt unklar.

Die Wunden sitzen tief, gerade hier in Bor. Die Regierungsarmee vertrieb die Opposition aus der Stadt, was Flüchtlingen anderer Ethnien und nationaler Herkunft erlaubte, das UN-Lager zu verlassen. Nur die Nuer, welche der gleichen Volksgruppe wie die Rebellen angehören, blieben, weil sie Übergriffe von Regierungskräften gegen sie fürchteten. Die Beziehung zwischen der überwiegend von Dinka bewohnten Stadt und den Flüchtlingen blieb angespannt: Nuer wurden regelmäßig belästigt und angegriffen, wenn sie das Lager verließen. Als Berichte in Bor eintrafen, dass Nuer-Flüchtlinge in einer nördlichen Stadt des Landes dessen Eroberung durch die Opposition gefeiert hätten, griff die Stimmung über.

Ein UN-Bericht detailliert, was am 17. April 2014 geschah: Morgens sammelte sich eine aufgebrachte Menge von hundert bis dreihundert jungen Männern, die sich mit Gewehren und Stöckern ausgestattet in einem Zug von der Stadt auf das UN-Lager zu bewegten. Sie umrundeten das Lager und gelangten zur der Seite, wo sich das Flüchtlingslager befand. Etwa zwanzig Männer überwanden den Zaun, Graben und Stacheldraht-bewehrten Wall, übermächtigen die Wache schiebenden UN-Soldaten und ließen mehre Dutzend weitere Männer herein. Die Angreifer gingen von Zelt zu Zelt, raubten die Insassen aus, schlugen sie und raubten Frauen. Sofern sie ihre Opfer nicht an den für Nuer typischen Gesichtsnarben erkannten, fragten sie ihre Opfer, welcher Volksgruppe sie angehörten und droschen auf sie ein, wenn diese nicht in Dinka antworten konnten. Der Angriff ebbte erst ab, als etwa eine halbe Stunde später eine schnelle Eingreiftruppe der UN einrückte.

47 Menschen starben in Folge dieses Angriffs innerhalb des UN-Lagers, und dass, obwohl sie „umgeben von Panzern“ waren, wie uns der hagere Vorsitzende des Flüchtlingsrats innerhalb des Lages später erzählt. Wieder einmal waren die Erwartungen auf Schutz und Sicherheit durch die blaue Flagge der Vereinten Nationen aufs Bitterste enttäuscht worden. Bis zum heutigen Tag ist keiner der Täter zur Rechenschaft gezogen worden.

Gut ein Jahr später gibt es jedoch auch Zeichen der Hoffnung. Ein lange schwelender Konflikt zwischen einer bewaffneten Gruppe einer dritten Volksgruppe, den Murle, konnte letztes Jahr beigelegt werden. Erst vor kurzem gab es eine weitere politische Annäherung auf Landesebene mit einem hochrangigen Treffen von Vertretern der ehemaligen Murle-Rebellen und der Landesregierung. Während in anderen Bundesstaaten des Südsudan sich die Opposition um Machar und die Regierungsarmee gerade Gefechte liefern, ist es in Jonglei relativ ruhiger. In einigen Gebieten mit traditionell gemischter Dinka-Nuer Bevölkerung scheint es vorsichtige Annäherungen zu geben. Die Vereinten Nationen unterstützen diese Prozesse nach Kräften. Ihr Zugang zu den Rebellengebieten ist allerdings sehr begrenzt.

Die Vereinten Nationen haben eine große Verantwortung übernommen für die Flüchtlinge, die direkt in ihren Lagen leben. Sie versprechen ihren Schutz, aber greifen teilweise nicht entschieden genug ein, wenn es darauf ankommt. Mittlerweile bindet der Schutz der eignen Lager und der angeschlossenen Flüchtlingslager über drei Viertel der militärischen Ressourcen und einen Großteil der humanitären Hilfe – dabei leben die allermeisten Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen außerhalb der Lager, häufig in schwer zugänglichen Gegenden. Schwierige Entscheidungen stehen bevor.

Leise schlägt der Regen auf die Fensterscheiben. Wir fliegen zurück nach Juba, unsere Zeit in Bor ist zu Ende. Die Soldaten, Offiziere, humanitären Helfer und zivilen Mitarbeiter der UN Mission werden jedoch noch lange bleiben müssen.

Dieser Text gibt ausschließlich die Meinung des Verfassers wieder und entspricht weder notwendigerweise der Einschätzung der Vereinten Nationen noch von GPPi.

“Für eine faire Partnerschaft” – der deutsche Beitrag zur UN-Friedenssicherung

UNIFIL field
UNIFIL German peacekeeper on the ship- May 3 2007 UNIFIL photo Jorge Aramburu

(c) UN Photo/Jorge Aramburu

Der Beitrag erschien zuerst auf dem Blog Junge UN-Forschung.

Deutsche Außenpolitik, betonen Entscheidungsträger gern, sei „Friedenspolitik“– so auch Außenminister Westerwelle bei dem Festakt zur 40jährigen Mitgliedschaft Deutschlands in den Vereinten Nationen. In diesem Sinne setzte er sich auch vehement für eine Reform des UN-Sicherheitsrats und einen ständigen deutschen Sitz ein, zuletzt bei seiner jüngsten Rede während der UN Generaldebatte in New York. Der deutsche Beitrag zur UN-Friedenssicherung gilt dabei beständig als wichtige Rechtfertigung für diesen Anspruch.

Demgegenüber wurde Deutschland bei der Podiumsdiskussion zu diesem Thema bei der DGVN-Fachtagung ein eher schlechtes Zeugnis ausgestellt. Die Diskussion konzentrierte sich insbesondere auf das fundamentale Ungleichgewicht zwischen der Bereitstellung von Finanzmitteln und Personal durch Deutschland. Während Deutschland 7,14% zum aktuellen Haushalt für Friedenseinsätze beiträgt (ca. 538 Mio. US-Dollar, Platz 4), trägt es lediglich 0,26% zum Personal bei (251 Polizisten, Militärexperten und Soldaten, Platz 41). Während die aktuelle Arbeitsteilung zwischen Ländern des globalen Südens (Personal) und OECD-Ländern (Finanzmittel) in der Tat problematisch ist, verfehlte die Diskussion jedoch andere wichtige Aspekte von Prävention, Diplomatie und Analyse ausreichend anzusprechen, bei denen Deutschland leichter einen größeren Beitrag zur UN-Friedenssicherung leisten könnte.

Lernerfolg und weiterer Nachholbedarf bei den Vereinten Nationen

Dass manches Problem nicht angesprochen wurde, lag sicher nicht an dem Input-Referat von Thorsten Benner, Direktor des Global Public Policy Institutes in Berlin (wo ich auch arbeite, full disclosure), in dem er die aktuelle Situation und wichtige Herausforderungen in der UN-Friedenssicherung breit und präzise herausarbeitete. Benner strukturierte seinen Vortrag anhand von drei zentralen Thesen.

Erstens habe die UN wichtige Lehren seit dem Brahimi-Bericht vor dreizehn Jahren gezogen. Missionen werden langfristiger angesetzt, das Sekretariat sei besser und professioneller aufgestellt, Einsätze sind „robuster“ und haben häufiger den Schutz von Zivilisten im Fokus. Regionale Kooperationen spielen zunehmend eine größere Rolle, z.B. in Somalia oder Darfur.

Die höheren Anforderungen an Friedensmissionen führten jedoch zweitens zu einem erheblichen Nachholbedarf in einigen Bereichen. Mangelhaft ist die Bereitstellung von Transport- und Logistikkapazitäten, Fähigkeiten zur Aufklärung, auch durch Drohnen und Satellitenbilder. Das Personalwesen bietet häufig keine ausreichenden Karriereanreize für einzelne „Friedenssicherer“. Ein weiteres Problem machte Benner bei den Sondergesandten des Generalsekretärs aus, welche gleichzeitig diplomatisch erfahrene als auch politisch scharfsinnige Persönlichkeiten sein müssen, diesen Anspruch aber nicht immer einlösen könnten. Zuletzt seien der Bereich der Krisenprävention und das bereits angesprochene Ungleichgewicht der Truppensteller  nicht zufriedenstellend.

Letztlich könnten mehr Kapazitäten und bessere Technologien jedoch auch nicht die großen politischen Spannungen bei der Friedenssicherung lösen, so Benners dritte These. Beim Institutionenaufbau sei die internationale Gemeinschaft auf nationale Eliten angewiesen, die Vereinbarungen tatsächlich und glaubwürdig umsetzen können. Wie das Beispiel der DR Kongo zeigt, sind diese jedoch häufig selbst an massiven Menschenrechtsverletzungen beteiligt. Die lokalen Begründungen für Gewaltanwendungen im Bürgerkrieg, die oft im Zusammenhang mit Themen wie Landansprüchen, Ressourcenverteilung oder Mitspracherechten stehen, bilden häufig einen Kontrast zur Makroebene von Gewalt und nationalen Friedensbemühungen zwischen regionalen Regierungen und den von diesen unterstützten Rebellengruppen. Alle am Konflikt beteiligten Parteien müssen in eine mögliche Lösung eingebunden werden. Dazu bedürfe es ausreichender politischer Aufmerksamkeit, um im Zweifel Druck auf die Konfliktparteien auszuüben. Hier müsse die internationale Gemeinschaft aber auch offen mit dem eigenen Versagen in einzelnen Konflikten umgehen und die begangenen Fehler aufarbeiten.

Es lohnt sich, die UN-Friedenssicherung stärker zu unterstützen

Tobias Pietz von der Analyseabteilung des Zentrums für Internationale Friedenseinsätze (ZIF) ging näher auf die Gründe für die niedrige Zahl von UN-Friedenssoldaten aus OECD-Ländern ein. Noch vor zwanzig Jahren hätten diese etwa zwei Drittel des Personals gestellt, während es jetzt weniger als 8% seien. Diese Entwicklung läge an drei wichtigen Entwicklungen: dem Trauma des Versagens in den Konflikten der 1990er Jahren (Somalia, Ruanda und Bosnien), gerade auch aus Sicht der Weltöffentlichkeit; den teuren und personalintensiven Interventionen im Irak und in Afghanistan sowie dem stärkeren Engagement für Missionen im Rahmen der europäischen Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (dies betrifft vor allem die Polizei).

Warum ist ein stärkerer europäischer oder deutscher Beitrag zu UN-Friedensmissionen dennoch wichtig? Die Aufgabenteilung zwischen Truppenstellern und Finanziers ist zunehmendem Druck ausgeliefert, wie auch Manfred Ertl, Militärberater im Auswärtigen Amt, anerkennen musste. Ertl sah die derzeitige Arbeitsteilung bereits auf einem guten Weg zu einer „fairen Partnerschaft“, da es ja schließlich auch auf die Qualität der bereitgestellten Truppen ankäme. Während seiner Zeit im UN-Sekretariat wäre es nie ein Problem gewesen, ein Infanteriebattalion zu bekommen, allerdings hätte er schon eine Mission wegen eines fehlenden Flugleitoffiziers schließen müssen. Es wurde aber in seinen Ausführungen auch die Doppeldeutigkeit solcher Einschätzungen deutlich. Während viele große Truppenstellerstaaten eben keinem größeren öffentlichen Druck ausgesetzt seien („mit der Pressefreiheit“ sei das ja auch nicht so weit her dort, so Ertl), verlange die „Fürsorgepflicht“ des (deutschen) Staates für seine Soldaten, dass annähernd die gleichen Standards wie im Heimatland gewährleistet würden. Zu Recht verwies Benner hier auf die ebenfalls existierende (zumindest moralische) Pflicht gegenüber den Soldaten aus anderen Truppenstellerstaaten und den Bevölkerungen in den Ländern der Friedensmissionen.

Aus meiner Sicht gibt es  aber noch gewichtigere Gründe für ein erhöhtes deutsches Engagement. Die Legitimität der gesamten UN-Friedenseinsätze kann langfristig erodieren, wenn sich der Eindruck bei den Staaten Südasiens und Sub-Sahara-Afrikas festsetzt, dass sich westliche Regierungen hinter ihren finanziellen Beiträgen verstecken, während die Söhne und Töchter anderer Länder für die von ihnen im Sicherheitsrat gesetzten Ziele bereit sind zu sterben. Umgekehrt kann der politische Wille, eigene Soldaten den Vereinten Nationen bereitzustellen, ein positives Signal auch an andere Staaten senden, diesem Schritt zu folgen. Demgegenüber verweisen deutsche Entscheidungsträger gern darauf, dass sie in ihrem Wahlkreis kaum vermitteln können, warum deutsches Personal im Sudan tätig sein sollte.

Multilateralismus braucht Führungsfähigkeit, auch in Deutschland

Wenn deutsche Außenpolitik sich jedoch wirklich um Multilateralismus und Friedenssicherung sorgen möchte, sollte sie politische Führungsfähigkeit beweisen. Es genügt nicht, nur darauf zu verweisen, welche Anfragen zur Bereitstellung von Truppen für Friedensmissionen vorliegen oder auch nicht. Sogar bei der Frage des Personals könnte Deutschland eine Vorreiterrolle einnehmen. Zu ersterem schlug Benner vor, Deutschland könnte sich bereit erklären, 10% des aus Afghanistan abrückenden Personals fortan für multilaterale Missionen zur Verfügung zu stellen – immerhin gut vierhundert Soldatinnen und Soldaten. Die Bundesregierung könnte bei den europäischen Partnern für ähnliche Schritte werben. Es müsse ja auch nicht gleich die Interventionsbrigade sein, die mit überaus robustem Mandat an vorderster Front im Kongo kämpft, – Stabsoffiziere in Kinshasa können unter Umständen auch schon helfen.

Letztlich geht es jedoch um weitaus mehr als um die fast schon leidige Frage des Personals: Die politischen Rahmenbedingungen müssen stimmen. Wenn die Bundesregierung sich dazu bereit erklärt, UN-Friedensmissionen zu unterstützen, sollte dies ein Gesamtpaket sein – einschließlich erhöhtem zivilen Personal für die Mission, aber auch für die deutsche Vertretung vor Ort. Die Analysefähigkeiten für zivile Krisenprävention und Frühwarnung bei Konflikten seien in deutschen Botschaften in Sub-Sahara-Afrika häufig stark unterentwickelt, wie Benner darlegte. Das Auswärtige Amt erlaube es noch nicht einmal seinen Diplomaten, freiwillig als zivile Kräfte an UN-Friedensmissionen teilzunehmen und dabei wichtige Felderfahrung zu sammeln. Dabei legt die Bundesregierung (gleich welcher Couleur) gern wert auf die zivile Ausrichtung ihrer Außenpolitik und verweist auf Aktionsprogramm, Ressortkreis und Beirat zivile Krisenprävention. Gerade anlässlich eines Jubiläums wie dem der Mitgliedschaft Deutschlands in den Vereinten Nationen ist es Zeit, diese Versprechen mit Glaubwürdigkeit zu füllen.