Wie Militär die Zivilbevölkerung schützen kann

Quick Reaction Force of MINUSMA Hosts Base in Ogossagou in Mali

Rezension von Stian Kjeksrud (2023): Using Force to Protect Civilians. Successes and Failures of United Nations Peace Operations in Africa, OUP, in: Vereinte Nationen 1/2025, S. 45

Trotz mehr als zwei Jahrzehnten Praxis wissen wir wenig darüber, wie genau militärische Mittel die Zivilbevölkerung schützen können. Stian Kjeksrud versucht in seiner Dissertation auszudifferenzieren, was militärische Einheiten in UN-Friedensmissionen tun, wenn sie Zivilpersonen beschützen. Dabei greift Kjeksrud, der an der Militärakademie der norwegischen Streitkräfte lehrt und selbst als Soldat in UN-Missionen gedient hat, auf Erkenntnisse aus der Militärtheorie zurück. Aus militärischer Sicht ist der Schutz der Zivilbevölkerung (Protection of Civilians – PoC) noch eher neu, trainieren Militärs doch traditionell darauf, Operationen gegen einen bewaffneten Gegner durchzuführen. Viele verstehen unter PoC primär die Einhaltung des humanitären Völkerrechts, also die Vermeidung eines unverhältnismäßigen Einsatzes eigener Kräfte. Bei PoC im Sinne der UN geht es jedoch darum, Zivilpersonen vor der Gewalt anderer zu bewahren.

Kjeksrud zieht eine Kombination von quantitativen und qualitativen Methoden heran, um seine Forschungsfragen zu beantworten. Dafür hat er einen eigenen Datensatz erstellt, der 200 militärische Operationen in UN-Friedensmissionen umfasst, die PoC zum Ziel hatten und in der regelmäßigen UN-Berichterstattung über die Missionen erwähnt werden. Diese wertet er statistisch aus. Er ergänzt seine Analysen um zwei strukturierte Fallstudien: den Kampf der Interventionsbrigade als Teil der Stabilisierungsmission der Organisation der Vereinten Nationen in der Demokratischen Republik Kongo (United Nations Organization Stabilization Mission in the Democratic Republic of the Congo – MONUSCO) gegen die bewaffnete Gruppe ›M23‹ im Jahr 2013 und den Einsatz Gerrit Kurtz der Mission der Vereinten Nationen in Südsudan (United Nations Mission in South Sudan – UNMISS) Ende des Jahres 2011 im Bundesstaat Jonglei. Trotz des erheblichen Aufwands, den Kjeksrud bei der Datenerhebung und -auswertung betrieben hat, weist er durchgehend auf die äußerst begrenzte Datenlage und die dementsprechend begrenzte Aussagekraft seiner Ergebnisse hin, die nur einen Teil seiner Fälle erklären können.

Der Autor kommt zu dem Schluss, dass militärische Operationen Erfolge zeigen können, Zivilpersonen vor größerem Schaden zu bewahren. Die reine Truppenpräsenz in einem Land genüge jedoch nicht, gleichfalls mache es keinen Unterschied, ob die Truppen von traditionell risikoaversen Truppenstellerstaaten kommen oder nicht. Wichtig sei vielmehr, dass diese Einheiten präventiv eingesetzt würden und ihr Auftreten an der Operationsweise der jeweiligen bewaffneten Gruppe ausgerichtet sei. Es komme also darauf an, die Art der Gewaltausübung, die Motivation der bewaffneten Akteure und das taktische Vorgehen in der jeweiligen Situation zu analysieren.

Gleichwohl ergibt sich noch keine Theorie, wie Kjeksrud selbst zu bedenken gibt. In der Regel kommen weitere Faktoren hinzu. Dazu gehören die Mobilität und Flexibilität der Truppen in unwegsamem Gelände durch den Einsatz von Hubschraubern, die effektive Zusammenarbeit mit den Sicherheitskräften des Gastlands und die Verbindung mit zivilen Fähigkeiten. Auch wenn die Zeit der großen und komplexen Missionen zu Ende geht, ist Kjeksruds stark empirisch ausgerichtete Analyse wertvoll, weil sie einen Beitrag dazu leistet, die komplexe Kausalität militärischer Einsätze aufzuschlüsseln.

Photo: Quick Reaction Force of MINUSMA Hosts Base in Ogossagou in Mali, (c): UN Photo/Harandane Dicko

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Author: Gerrit Kurtz

Researcher working on conflict prevention, diplomacy, peacekeeping and the United Nations, with a focus on the Horn of Africa. Associate, German Institute for International and Security Affairs (SWP).

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