“Das Korridorprojekt ist ein gewaltsames Modernisierungsprogramm der Städte zugunsten der Elite um Abiy Ahmed”

Modernisierte Straße in Addis Ababa, September 2024

Zitate beim Redaktionsnetzwerk Deutschland, 2.Juli 2025

„Das Korridorprojekt ist ein gewaltsames Modernisierungsprogramm der Städte zugunsten der Elite um Abiy Ahmed (Äthiopiens Ministerpräsident, Anm. d. Red.) und zugunsten der Unternehmen, die mit ihnen zusammenhängen“, sagt Gerrit Kurtz, Ostafrika-Forscher der Stiftung Wissenschaft und Politik. „Das Projekt geht zulasten insbesondere der armen Menschen, die vertrieben werden.“ Zwar seien manche Umzüge freiwillig erfolgt und manche der neuen Wohneinheiten besser, aber Anspruch hat nur, wer legal gelebt und gearbeitet hat. Und das sind die wenigsten.

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Dass Arme keine große politische Lobby in Äthiopien haben, ist nicht neu. Im Fall des Korridorprojekts erfuhren viele erst kurz vor der Räumung überhaupt davon, was dort entstehen soll, wo sie wohnen. „Bisher waren Vertreibungen häufig im ländlichen Raum, nach Dürren oder in von Konflikten betroffenen Gebieten“, sagt Kurtz. „Aber jetzt geht es um die Umgestaltung der Zivilgesellschaft und den sozialen Zusammenhalt.“

Äthiopien ist auf dem Weg zum Polizeistaat

Für Leute, die umziehen müssen, bricht das gesamte soziale Netzwerk und die Existenzgrundlage weg. „Informelle Netzwerke sind gerade da wichtig, wo es keine ausreichenden sozialstaatlichen Umgebungen gibt“, sagt Kurtz. Man hilft sich, man kümmert sich, wenn einer krank wird, arbeitslos wird, wenn ein Kind geboren wird.

„Bei Initiativen von Abiy hat man häufiger das Gefühl, dass da schon etwas Gutes dabei ist, aber dass es eben nicht gut gemacht ist, den falschen Zwecken dient und zu mehr Problemen führt“, sagt Kurtz. Kritiker monieren etwa, dass das Projekt so schnell umgesetzt wird – während 28 Millionen Äthiopier, die dauerhaft auf humanitäre Hilfe angewiesen sind, auf Handlungen der Regierung warten.

„Rückblickend gesehen“, sagt Gerrit Kurtz, „hat ihn der Friedensnobelpreis ermutigt, entschlossener gegen seine Feinde oder Gegner vorzugehen und war damit eher kontraproduktiv. Abiy Ahmed ist keine Friedensfigur, er ist eine komplexe Figur.“ Selbst für Experten ist der Politiker kaum durchschaubar, unklar, was ihn antreibt. Mal verbündet er sich mit der einen, mal mit der anderen Gruppe. Und hat gleichzeitig doch große Visionen für sein Land.

„Es ist ein zentrales Problem, dass die Entscheidungsfindung so auf das Büro des Premierministers zentralisiert wurde“, erklärt Kurtz, „das Regierungshandeln hat somit an interner Rechenschaft eingebüßt“. Bedeutet: Abiy Ahmed und seine Verbündeten können machen, was sie wollen. Es gibt kaum Gegenwind. Und wenn doch, kommt es zu Verhaftungen. „Äthiopien“, sagt Gerrit Kurtz, „ist eben keine Demokratie.“

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Author: Gerrit Kurtz

Researcher working on conflict prevention, diplomacy, peacekeeping and the United Nations, with a focus on the Horn of Africa. Associate, German Institute for International and Security Affairs (SWP).

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