Internationales Krisenengagement: Raus aus den Pfadabhängigkeiten

SWP 360 Grad zur nationalen Sicherheitsstrategie, 4.September 2023 (zusammen mit Judith Vorrath)

Als Teil des Ansatzes der Integrierten Sicherheit bündelt das integrierte Friedensengagement Mittel und Instrumente für den Umgang mit Krisen und Gewaltkonflikten. Doch das entsprechende Kapitel in der Nationalen Sicherheitsstrategie enthält lediglich eine Aneinanderreihung bekannter Maßnahmen ohne Prioritätensetzung oder Innovation. Das zeigt sich schon in vorherrschenden Formulierungen wie „ausbauen“, „stärken“ oder „zusammenführen“. Dies verwundert, da das AA bereits in seinem Konzept für integriertes Friedensengagement vom Dezember 2022 Pragmatismus, Risikobereitschaft und flexible Steuerung propagierte. Ein „more of the same“ birgt dagegen die Gefahr, zentrale Lehren aus dem Engagement in Afghanistan und Mali auszublenden. Denn dort zeigte sich, dass starke Pfadabhängigkeiten bei Zielen und Instrumenten – etwa durch enge Anlehnung an internationale Partner – eigene Friedensanstrengungen unterminieren können.

Für einen Primat der Prävention, den die Bundesregierung in der Sicherheitsstrategie erneut betont, sind Leitplanken und Prozesse unabdingbar, mit denen sich ein integriertes Friedensengagement entlang von Werten und strategischen Interessen steuern lässt. Zusätzlich bedarf es stärkerer politischer Impulse für die Administration, koordiniert und frühzeitig zu agieren. Für beides bietet die Sicherheitsstrategie wenig Orientierung. Freilich sind wissenschaftsbasierte Prozesse für Krisenfrüherkennung oder globale Partnerschaften relevante Ansatzpunkte. Hier stehen sie aber ohne inneren Zusammenhang neben Maßnahmen und Instrumenten, die teils besser in anderen Kapiteln aufgehoben wären, wie Migrationspartnerschaften und die Bekämpfung von Hungerkrisen.

Deutschland ist weltweit größter Geber im Bereich zivile Friedensförderung und einer der wichtigsten Finanziers von VN-Friedensmissionen, der Friedens- und Sicherheitsarchitektur der Afrikanischen Union, humanitärer Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit. Daher sollte die Bundesregierung eine Führungsrolle beim Friedensengagement übernehmen und eigene Vorschläge in internationalen Prozessen auch außenpolitisch konsequent nutzen. Es geht nicht nur um einen Zuwachs an Mitteln, sondern darum, wie (und wo) diese verwendet werden. Ein gemeinsamer Fonds für zivile Konfliktbearbeitung, gepaart mit Steuerungs- und Lernmechanismen, könnte mehr Ressortkohärenz zwischen AA und BMZ schaffen. Die Bundesregierung sollte in Abstimmung mit zivilgesellschaftlichen Organisationen zivile Planziele zur langfristigen Finanz- und Personalplanung entwickeln, wozu sie sich im Koalitionsvertrag verpflichtet hat. Diese würden zum Beispiel helfen, mehr Polizeikräfte für internationale Friedensmissionen verfügbar zu machen. Zivile Fähigkeiten könnten so perspektivisch leichter in Koordination mit militärischen Instrumenten wie Ertüchtigung eingesetzt werden.

Bei der Implementierung der Sicherheitsstrategie sollte die Bundesregierung das eigene Profil schärfen, Synergien nutzen und klare Prioritäten verfolgen.

Author: Gerrit Kurtz

Researcher working on conflict prevention, diplomacy, peacekeeping and the United Nations, with a focus on the Horn of Africa. Associate, German Institute for International and Security Affairs (SWP).

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